Am 18. Juli startet das SCHALLFEST in Dortmund: kunstgruppe GOTTLIEB aus Berlin nutzt die gesamte Stadt als Bühne

kunstgruppe GOTTLIEB im Dortmunder Untergrund. Fotos: Oliver Schaper
kunstgruppe GOTTLIEB im Dortmunder Untergrund. In allen 26 U-Bahn-Stationen der DSW21 werden die Kompositionen unter anderem zu hören sein. Fotos: Oliver Schaper

Was ist Stadt? Wie lässt sich das urbane Konzept beschreiben, wie wird es greifbar gemacht in all seiner Dynamik in Raum und Zeit? Wie muss ein Kunstwerk beschaffen sein, das die Stadt Dortmund in all ihren Facetten repräsentiert? Welches Medium eignet sich am besten, der Vielfalt in Arbeit, Kultur und Alltagsleben gerecht zu werden? Die kunstgruppe GOTTLIEB aus Berlin ist bekannt für Ungewöhnliches im öffentlichen Raum. Ab Juli präsentieren sie über 40 Tage hinweg ihre künstlerische Vision für Dortmund. Ihr mediales Mittel des Ausdrucks ist der Schall. Einen ersten Eindruck ihrer Arbeit vermittelt der Soundtrailer am Ende des Artikels!

Feierliche Eröffnung am Mittwoch auf dem Balkon vor dem Trauzimmer des Alten Rathauses

Der Zoo diente der kunstgruppe GOTTLIEB quasi als Hauptquartier während ihres Aufenthalts in Dortmund.
Der Zoo diente der kunstgruppe GOTTLIEB quasi als Hauptquartier während ihres Aufenthalts in Dortmund.

Aus Tönen und Geräuschen, die uns tagtäglich umgeben und das Stadtgebiet durchdringen, denen wir aber aufgrund unserer Alltagsgewohnheiten und der Ablenkung kaum Gehör schenken, die wir nur unterbewusst wahrnehmen, kreiert das Berliner Künstlerkollektiv imposante Kompositionen eines urbanen Charakters.

Am Mittwoch, den 18. Juli, wird das SCHALLFEST um 13.30 Uhr auf dem Balkon vor dem Trauzimmer des Alten Stadthauses feierlich eröffnet. Schon hier wird deutlich, dass kunstgruppe GOTTLIEB nichts dem Zufall überlässt. Denn das Trauzimmer steht symbolisch für die Vereinigung der verschiedenen Töne, Klänge und Geräusche zu einem gemeinsamen Großen und Ganzen.

„Am letzten Festivaltag wird sich der Kreis auf ebendiese abstrakte Art wieder schließen, indem ein Autokorso, also auch ein Hochzeitsritual, die abschließende Uraufführung der dann zusammengeführten Einzelkompositionen einläuten wird“, so kunstgruppe GOTTLIEB.

kunstgruppe GOTTLIEB wird an diversen Spielorten anwesend sein und ihr Werk erläutern

Die KünstlerInnen am Dortmunder Hafen.
Die KünstlerInnen am Dortmunder Hafen.

Während der 40 Festivaltage wird die Stadt Dortmund täglich rotierend für rund zwei Stunden mit Kompositionen der kunstgruppe GOTTLIEB aus Sounds der Stadt in Loops über die öffentlichen Lautsprecheranlagen diverser Lokalitäten beschallt. 

Mit dabei sind der Flughafen Dortmund, der Zoo, alle 26 U-Bahn-Stationen der DSW21, das Löschboot der Feuerwehr im Dortmunder Hafen und die Berswordthalle. Im Museum für Kunst und Kulturgeschichte werden die Klänge über eine Audioskulptur Tag und Nacht abgespielt.

Die einzelnen Termine des umfassenden Programms finden die LeserInnen im Anhang des Artikels als pdf-Datei. kunstgruppe GOTTLIEB wird die gesamten 40 Tage über in Dortmund anwesend und an ausgewählten Spielorten für die Bevölkerung und die BesucherInnen ansprechbar sein.

Die verschiedenen Kompositionen werden auch international zu hören sein

Zum Dortmunder Zoo haben die KünstlerInnen einen ganz besonderes Verhältnis.
Zum Dortmunder Zoo haben die KünstlerInnen einen ganz besonderes Verhältnis.

„Wir werden die Kompositionen auch auf verschiedenen Wegen um die Welt schicken. So wird die MS Bayrischer Wald den Dortmunder Hafen bestückt mit einem Lautsprecher verlassen und an einem ausgewählten Tag werden wir am Dortmunder Flughafen ein Flugzeug besteigen und die Klänge bzw. Kompositionen in die Kulturhauptstadt 2019, Plowdiw in Bulgarien bringen“, erläutern die KünstlerInnen ihr Vorhaben.

Auch durch die internationale Kooperation des Dortmunder Zoos werden die Kompositionen in verschiedenen Zeitzonen, quasi wie Zeitreisende, an unterschiedlichen Orten der Welt erklingen. Die Kompositionen sind jeweils theatralisch-dramatisch angelegt und exklusiv auf die Spielorte zugeschnitten.

Wer sich mit der kunstgruppe GOTTLIEB befasst, dem wird eines ziemlich schnell klar: Die tiefe Verbundenheit der KünstlerInnen mit ihrem Werk. Nichts ist in ihren Arbeiten dem Zufall überlassen, alles verfolgt einen Sinn. Manchmal offensichtlich, manchmal schwer zu erfassen, abstrakt und doppeldeutig. Aber gerade das macht ihre Arbeit so spannend.

Das Berliner Künstlerkollektiv ist nicht zum ersten Mal in Dortmund

kunstgruppe GOTTLIEB nochmal im Dortmunder Untergrund.
kunstgruppe GOTTLIEB nochmal im Dortmunder Untergrund.

Renommierte Kunst- und Theaterlegenden wie Christoph Schlingensief, Frank Castorf oder Einar Schleef attestieren den Werken eine Eigenständigkeit, deren Formen und Ausführungen derart von den Inhalten durchdrungen sind, dass es den KonsumentInnen unmöglich ist, sich emotional zu entziehen.

kunstgruppe GOTTLIEB hat schon vor acht Jahren für Diskussionen und Aufsehen in Dortmund gesorgt. Damals präsentierten sie im Rahmen des Programms der Kulturhauptstadt 2010 ihr reisendes Gesamtkunstwerk „Exil Café“ städteübergreifend im gesamten Ruhrgebiet.

Das damalige Thema des geistigen Exils wurde mit immer wieder anderen Ausdrucksformen der Bildenden und Darstellenden Kunst beleuchtet und in Szene gesetzt. Aktionen, Performances, Ausstellungen und Auftritte, die im Rahmen städtischer Kulturhauptstadt-Projekte umgesetzt wurden, bildeten Teilstücke des gesamt Werkes.

GOTTLIEB: „Rolltreppen in Berlin hören sich ganz anders an als die in Dortmund.“

Freuen sich auf's SCHALLFEST: v.l. kunstgruppe GOTTLIEB, Jörg Stüdemann, Dr. Rosemarie E. Pahlke und Dr. Frank Brandstätter (u).
v.l. kunstgruppe GOTTLIEB, Jörg Stüdemann, Dr. Rosemarie E. Pahlke und Dr. Frank Brandstätter (u).

„Unter anderem haben sie damals auch einen Tag im Dortmunder Zoo gestaltet. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie sie mit ihrer bunten Garderobe für Irritationen gesorgt haben und dadurch für Diskussionen und Gespräche sorgten, die sich dann mit ihrer Kunst befassten“, erinnert sich Stadtdirektor Jörg Stüdemann.

Die KünstlerInnen verfügten über die Gabe, den öffentlichen Raum in ihre Werke miteinzubeziehen. Ein Umstand, der gerade im Zusammenhang mit dem SCHALLFEST zum Tragen komme und elementarer Bestandteil des Konzeptes sei.

„Das SCHALLFEST ist kein skulpturales Kunstobjekt, sondern wird als ein hörskulpturales Werk vorgestellt, das den gesamten Dortmunder Stadtraum erfasst und gestaltet. Es handelt sich bei der Arbeit von kunstgruppe GOTTLIEB um Ton- und Schallereignisse, die als temporäre Kunstwerke in Erscheinung treten und ein gemeinsames Ganzes bilden werden“, so Stüdemann weiter.

Die Tonaufnahmen wurden in einem Zeitraum von über einem Jahr aufgenommen

kunstgruppe GOTTLIEB hier bei Tonaufnahmen in der Zeche Gneisen. Foto: KGGB
kunstgruppe GOTTLIEB, hier bei Tonaufnahmen in der Zeche Gneisenau.

Auch der Direktor des Dortmunder Zoos kann nur Gutes von damals berichten. Frank Brandstätter freut sich über die erneute Kooperation. „Durch die gute Zusammenarbeit habe ich selber noch einiges über Dortmund dazugelernt.“

Über ein Jahr lang machte die kunstgruppe GOTTLIEB für ihr Projekt Tonaufnahmen zu allen Jahreszeiten, bei jeder Witterung, an den unterschiedlichsten Orten. Sie haben Töne und Geräusche aufgenommen, die wir alle kennen, die aber ohne den lokalen Bezug, die Einordnung des jeweiligen Klangs an einen bestimmten Ort oder zu einer bestimmten Sache völlig anders wirken und auch gewollte Irritationen hervorrufen werden.

Denn wer rechnet schon damit, in einer U-Bahn Station in Dortmund Geräusche aus dem Dortmunder Zoo zu hören? Die verschiedenen Klänge und Geräusche des Stadtraumes wurden von kunstgruppe GOTTLIEB nach ihren spezifischen Eigenschaften strukturiert und wie Instrumentalgruppen und Einzelstimmen eines Orchesters eingesetzt.

Kompositionen sind nach üblichen musikalischen Formungstechniken erarbeitet worden

kunstgruppe GOTTLIEB hier bei der Dortmunder Feuerwehr. Foto: Oliver Scharper
kunstgruppe GOTTLIEB hat viele Menschen getroffen, Kontakte und Freundschaften in Dortmund geknüpft.

Die Geräusche wurden teilweise auf Sekundengröße geschnitten, repetiert oder geschichtet, sodass nicht immer ein unmittelbares Wiedererkennen der Quellen stattfindet. Die Töne werden ausdrücklich nicht elektronisch verfremdet.

In der rund 40-minütigen Dortmund-Sound-Komposition finden die üblichen musikalischen Formungstechniken wie Dynamik und Agogik sowie Strukturierungstechniken wie zum Beispiel Kanon, angedeutete Sonatenform oder aleatorische Strukturen, wie bei einem zeitgenössischen Orchesterwerk Anwendung und sorgen für das Entstehen eines höchst spannenden und vielfältigen Werkes.

„Das Werk hat auch uns bestimmt“, so die kunstgruppe GOTTLIEB. „Durch unsere Arbeit kam es zu zahlreichen Begegnungen mit Dortmunder BürgerInnen. An allen Orten wurden wir herzlich empfangen und nach bestem Vermögen unterstützt. Mit so viel Engagement hatten wir gar nicht gerechnet“, freut sich die kunstgruppe.

Das Werk hat auch die KünstlerInnen bestimmt und sie zu Dortmunder BürgerInnen gemacht

Durch ihre intensive Arbeit sind die KünstlerInnen selber zu Dortmunder BürgerInnen geworden.
Durch ihre intensive Arbeit sind die KünstlerInnen selber zu Dortmunder BürgerInnen geworden.

„Erst waren wir die Fremden, diejenigen, die von außen betrachtet haben, was in Dortmund geschieht. Je länger wir in Dortmund arbeiteten umso mehr wurden wir von der Stadt eingesogen. Wir wurden selbst zu Dortmundern.“

Es habe eine zunehmende Verdichtung von Arbeit und Kontakten gegeben. Zunächst seien sie lediglich Touristen gewesen doch schließlich seien auch sie zu Dortmunder BürgerInnen geworden.

Es geht der kunstgruppe GOTTLIEB beim Schallfest und auch bei vielen ihrer anderen Werke darum, Brücken zu bauen und Bögen zu schlagen, Vernetzungen herzustellen, Austausch zu fördern und zu zeigen, wie alles miteinander verbunden ist – dass Vergangenheit und Gegenwart in der dynamischen Zeit von Kausalketten verschiedenster Ereignisse beeinflusst werden.

Für die Leiterin der Stabsstelle „Kunst im Öffentlichen Raum“ der Stadt Dortmund, Dr. Rosemarie E. Pahlke, sind die Töne, Geräusche und Klänge, die die kunstgruppe GOTTLIEB verarbeitet hat, wie abstrakte und figurative Sprachfetzen, die die Stadt Dortmund beschreiben. 

Die erklingenden Sounds mischen sich auf gewollt unvorhersehbare Weise mit den jeweiligen, teilweise stark kontrastierenden, teilweise ununterscheidbaren Umgebungsklängen und schaffen ein eindringliches Gesamt-Klang-Stadtraum-Erlebnis.

Als besonderes Highlight hat kunstgruppe GOTTLIEB die rund 40-minütige Uraufführung der Gesamtkomposition am 9. September 2018, in die alle Spielorte involviert sind, für den Rekord der weltgrößten Klangkunstinstallation im Guinnessbuch der Rekorde angemeldet.

Weitere Informationen

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40-tägiges SCHALLFEST: Weltgrößte Klanginstallation der„kunstgruppe GOTTLIEB“ Berlin – So klingt Dortmund

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Reaktionen

  1. Gustav

    Ich würde gerne wissen was dieser Schrott die Stadt gekostet hat,
    habe die beiden auf dem Feuerwehrschiff gesehen, standen da und
    wollten sich feiern lassen für dieses fiese geschräpel auf den Ohren.
    Schön das die Stadt Geld für so etwas hat.

    Einfach lächerlich…

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