Die Sanierungsarbeiten der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache starten im Juni

Trotz Schließung wird es weiterhin verschiedene Bildungsangebote geben

Auch die große Fensterfront des Altbaus in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache wird erneuert. Foto: Javad Mohammadpour für NORDSTADTBLOGGER

Ab Juni 2025 ist es endlich so weit: Die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache wird umfangreich saniert und bekommt mit einem Neubau auch zusätzliche Flächen für Sonderausstellungen. Dafür schließt die Gedenkstätte ihre Tore für Besuchende und Schulklassen Ende Mai für mindestens drei Jahre. Für diesen Zeitraum sind verschiedene Ausstellungen, städtische Führungen sowie ein pädagogisches Programm, unter anderem im Stadtarchiv, geplant, um das Bildungsangebot und den Austausch über die NS-Geschichte Dortmunds weiterhin aufrechtzuerhalten. Dabei helfen sollen auch die neuen Digitalangebote wie eine neue Web-App.

Umfangreiche Arbeiten sollen auch alte Innschriften sichtbar machen

Ab Juni starten die umfassenden Sanierungs- und Restaurationsarbeiten im Haus. Ziel ist es, die rund 30 Jahre alte Ausstellung möglichst in den Originalzustand zu versetzen. Geplant ist die Restaurierung von Beton, Bodenbelägen, Außenputz und Fenstern. Insbesondere wird die große Fensterfront an der Westseite von Spezialfirmen saniert.

Die Steinwache bekommt einen Anbau mit einem neuen Eingangsgebäude und einem L-förmigen Gebäuderiegel. Foto: Carmen Hause

Durch die Freilegung alter Wandfassaden sollen beispielsweise die Innschriften der früheren Gefangenen offengelegt und ein näherer Bezug zur Geschichte des ehemaligen Polizeigefängnisses hergestellt werden.  Um die denkmalpflegerischen Anforderungen zu gewährleisten, finden die Arbeiten in enger Abstimmung mit Denkmalbehörden und Fachgutachtern statt. ___STEADY_PAYWALL___

Der geplante Neubau soll außerdem Platz für Wechselaustellungen, Vorträge und Seminare bieten. Er wird unterirdisch das Gebäude umschließen und den dringend benötigten Platz für mehrere Seminarräume, die zu einem großen Veranstaltungsraum umfunktioniert werden können, bieten.

Bisher verfüge die Gedenkstätte lediglich über einen geeigneten Raum für Veranstaltungen, sagt Dr. Markus Günnewig, Leiter der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache. „Das ist natürlich angesichts der zahlreichen Schulklassen und sonstigen Gruppen, die hier hinkommen für die Bildungsarbeit nicht ausreichend.“

Eine Web-App und ein Sonderprogramm halten den Austausch aufrecht

Trotz des Umbaus und der zeitweisen Schließung der Steinwache wird es weiterhin ein pädagogisches Rahmenprogramm geben. Darin enthalten sind dialogische Stadtrundführungen und Seminare zu verschiedenen Themen. „Wir suchen mit Gruppen im Stadtraum Orte auf, die während der NS-Zeit eine entsprechende Bedeutung hatten.“, sagt der Leiter der Gedenkstätte. Die Seminare finden im Dortmunder Stadtarchiv statt und richten sich an Schulklassen sowie interessierte Gruppen.

Die Karte beinhaltet auch alle Stolpersteine © Mercedes Gonzales Grote

Mercedes Gonzalez Grote, die Social-Media Managerin der Gedenkstätte Steinwache, stellt außerdem die für Ende des Sommers geplante Web-App vor. Die neu gestaltete App soll künftig über die Veranstaltungen und Bildungsangebote informieren.

Zudem ermöglicht die neue Funktion „Historische Orte“ einen eigenständigen Rundgang zu verschiedenen, in der NS-Zeit bedeutenden Orten in Dortmund. Diesewerden auf einer interaktiven Karte angezeigt. Zu den angezeigten Plätzen gibt es dann die passenden Informationen zur Geschichte des Ortes. Die digitale Führungsoption ergänzt damit die für die Schließzeit geplanten, begleiteten Führungen für Gruppen und Schulklassen auch für Einzelpersonen. Geplanter Start für die App ist das Ende der Sommerferien.

Ab September wird es, als kleinen Vorgeschmack auf die umgestaltete Dauerausstellung, zudem eine kleine Ausstellung im Foyer des Stadtarchivs geben. Sie erzählt die Geschichte des ehemaligen Polizeigefängnisses und stellt die Ausgrenzung, Entrechtung, Folter und Vernichtung dar, die die Gefangenen damals erlebten. Die Ausstellung wird zu den regulären Öffnungszeiten des Stadtarchives Dortmund besuchbar sein, der Eintritt ist kostenlos.

Die neue Ausstellung soll die Menschen in den Mittelpunkt stellen

Die kleine Ausstellung im Stadtarchiv soll ein Vorgeschmack auf die künftige Ausstellung in der Steinwache sein. Erstmals sollen neben den Geschichten der Juden und politisch Verfolgten auch gesellschaftliche Minderheiten, wie Obdachlose und Prostituierte, und ihre Schicksale thematisiert werden.

Social-Media-Managerin Mercedes Gonzalez Grote und Leiter Dr. Markus Günnewig der Steinwache. Foto: Javad Mohammadpour für NORDSTADTBLOGGER

Ein weiteres neues Themenfeld soll die Auseinandersetzung mit den Tätern des NS-Regimes werden, die bisher noch keinen Platz in der alten Steinwache fand.

„Im Unterschied zum bisherigen Status Qwo geht es bei dem Thema Verfolgung auch um die Verfolgenden. Das kommt hier (in der Steinwache) zum Beispiel überhaupt nicht vor“, erläutert Dr. Günnewig die Pläne der Gedenkstätte. Im Fokus stünden dabei die Fragen, wer die Verbrechen begangen hat und warum.

Für den Leiter der Steinwache ist klar: „Das zentrale ist, dass das Haus und die Menschen im Haus in den Mittelpunkt stehen. Wir werden eine Bandbreite der Insassinnen und Insassen thematisieren.“ Die Wiedereröffnung der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache Dortmund ist für Mitte 2028 geplant, passend zum 100-jährigen Bestehen des Gebäudes.


Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!

Unterstütze uns auf Steady

 Mehr auf dazu auf Nordstadtblogger:

Die ersten Bauschritte an der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache beginnen im Juni 2025

Mahn- und Gedenkstätte Steinwache wird für 17,3 Millionen Euro ausgebaut und modernisiert

Mehr Platz für die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache: Ergebnisse des Architektenwettbewerbs sind ausgestellt

Nicht nur Ausstellungsmodernisierung: Die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache soll baulich erweitert werden

 

Reaktionen

  1. In der Steinwache Lieder gegen den Nationalsozialismus hören: Michael M. Lang stellt seine Plattensammlung zu Musik im Widerstand vor (PM)

    Am Donnerstag, 15. Mai, werden in der Steinwache Lieder aus dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu hören sein. Michael M. Lang erzählt dazu viel Hintergründiges. Los geht es um 19 Uhr in der Gedenkstätte Steinwache, Steinstr. 50.

    Durch die Emigration vieler Musikschaffender nach 1933 aus Nazi-Deutschland bildete sich außerhalb Deutschlands eine große Szene von Kulturschaffenden. Referent Michael M. Lang, der als Stafverteidiger in Köln arbeitet, wird viele zum Teil äußerst seltener originaler Schellackplatten und Rundfunkaufnahmen aus vielen Ländern vorspielen und dazu Geschichten erzählen.

    Die Lieder zeigen, dass Widerstand nicht nur in Literatur und bildender Kunst, sondern auch in der Musik zum Ausdruck kam. Diese trug Lieder gegen den Nationalsozialismus, den Terror und später auch gegen den Krieg und Nazi-Deutschland in die Welt. Das Material reicht von den Moskauer Aufnahmen Ernst Buschs über die Songs der internationalen Brigaden in Spanien und Anti-Nazi-Kompositionen in den USA und England bis zur Musik der Resistance in Frankreich. Michael M. Lang sammelt seit Jahrzehnten in seiner Freizeit seltene historische Tondokumente, aus denen er seine Vorträge zusammenstellt.

  2. Fritz Bauer: Aus dem Leben eines Verfolgers von Nazi-Verbrechen (PM)

    Der Jurist Fritz Bauer hat die Auseinandersetzung mit den Verbrechen der NS-Zeit vorangetrieben. Die Historikerin Dr. Irmtrud Wojak liest am Dienstag, 27. Mai, ab 19 Uhr aus ihrer Biografie über Fritz Bauer in der Gedenkstätte Steinwache.

    Die Privatdozentin Dr. Irmtrud Wojak möchte das Andenken an den Juristen Fritz Bauer bewahren. Sie gründete die BUXUS STIFTUNG und das Fritz-Bauer-Forum in Bochum und verfasste zahlreiche Texte zur Verfolgung im Nationalsozialismus, zur Exilforschung sowie zur juristischen Zeitgeschichte.

    Fritz Bauer setzte sich sein Leben lang für Menschenrechte und eine freiheitliche Demokratie ein. Der Jurist wurde 1933 wegen seiner SPD-Mitgliedschaft und seiner jüdischen Abstammung von den Nationalsozialisten inhaftiert. Zwei Jahre später emigrierte Bauer nach Dänemark, 1943 nach Schweden. Nach Kriegsende kehrte er nach Deutschland zurück und trat wieder in den Justizdienst ein. Als Generalstaatsanwalt in Braunschweig und seit 1956 in Frankfurt am Main trieb er in einem politischen Klima des Stillschweigens und Wegsehens die juristische Auseinandersetzung mit den Verbrechen der NS-Zeit voran. Bauer war der Initiator des Frankfurter Auschwitz-Prozesses und gab Israel den entscheidenden Hinweis auf den Aufenthaltsort Adolf Eichmanns.

    Die kostenfreie Veranstaltung findet in Kooperation mit der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, dem Förderverein Steinwache/Internationales Rombergpark-Komitee e.V. und der Volkshochschule Dortmund statt.

    dortmund.de/steinwache

  3. Ulrich Sander

    Die kaum beachtete Erklärung der Konzerne zim 8. Mai ist auch für die Erinnerungsarbeit von Belang. Im Februar 2025 hat die Dortmunder Verwaltung beschlossen, die Beweise gegen größte Massenmörder aus dem Verkehr zu ziehen. Die Erinnerungspolitik wird verändert, indem die Gedenkstätte Steinwache gereinigt wird von dem Material, das die Verbrechen führender Industrieller nachweist. So im siebten Themenraum „Die Schwerindustrie setzte auf Hitler“, der ab 1. Juni für immer geschlossen wurde. Begründung: Neue Beweise würden die Vögler, Flick, Springorum, Krupp, Kirdorf , Reusch und Co. entlasten. Die Mitgliedermassen der NSDAP und nicht die Industrie hätten die Partei finanziert. Neue Beweise gibt es für die Verbrechen der Ruhrgebietsindustriellen jedoch vielfältig – so im Buch des führenden Wirtschaftshistorikers Adam Tooze mit dem bezeichnenden Titel „Ökonomie der Zerstörung“. Und ganz neu nunmehr: Die Erklärung von 49 führenden Konzernvertretern zum Jahrestag des 8. Mai. Darin heißt es: „Heute übernehmen wir als deutsche Unternehmen Verantwortung, die Erinnerung an die Verbrechen der NS-Zeit sichtbar zu machen.“
    Das Konzerndokument bringt die staatliche Erinnerungspolitik nicht nur in Dortmund in Erklärungsnot, nachdem die kapitalismuskritischen antifaschistischen Aussagen getilgt wurden. Das ging so weit, dass in der Wewelsburg bei Paderborn, der einstigen Kultstätte der SS, kein Wort zum Freundeskreis Reichsführer SS/Keppler-Kreis gesagt wird, – die Mitglieder aus der Wirtschaft machten ja 1945 weiter.
    Offenbar geschah die Änderung der Gedenkstätten auf Weisung der Regierung, ja des Verfassungsschutzes. Die Formulierung im Schwur von Buchenwald, dass die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln notwendig sei, wird amtlich als verfassungswidrig bezeichnet, da der Kapitalismus als Bestandteil des Grundgesetzes anzusehen ist. Jedoch: Der Kapitalismus wird nicht im Grundgesetz erwähnt.
    Nach der neuen Konzernerklärung müssten nun in den Gedenkstätten z.B. in Köln, Oberhausen, Düsseldorf, Essen und Dortmund die den Kapitalismus beschönigenden Darstellungen bzw. Unterlassungen rückgängig gemacht werden. In Oberhausen sollte zum Beispiel die Losung „Faschismus kommt nicht über Nacht, er wird vom Kapital gemacht“ wieder aufgehängt werden. In Dortmund muss ein Ersatz für den Raum 7 der Steinwache gefunden werden. Das ist die Aufgabe aller Demokratinnen und Demokraten.

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert