Zeche Zollern zeigt die Geschichte und den Auftrag der Arbeiterbewegung: „Durch Nacht zum Licht?“

Veranstalter und Förderer in der Ausstellung: (v.l.) Katharina Krause, Dr. Anne Kugler-Mühlhofer und Dirk Zache (LWL-Industriemuseum), LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Thale, Angela Nieswand (Förderverein Industriemuseum Zollern), Franz-Josef Kniola (NRW-Stiftung), Jeanette Bludau (Sparkasse Dortmund), Bürgermeisterin Birgit Jörder, Hanneliese Palm (Fritz-Hüser-Institut) und Dr. Stefan Mühlhofer (Stadtarchiv Dortmund).
Foto: LWL/Hudemann

Gruppenbild der Unterstützer und Macher der Ausstellung auf Zollern. 
Foto: LWL/Hudemann

Die Ausstellung „Durch Nacht zum Licht?“ beleuchtet die „Geschichte der Arbeiterbewegung zwischen 1863 und 2013“. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) präsentiert die Schau bis 18. Oktober 2015 im Industriemuseum Zeche Zollern.

Die Ausstellung wurde 2013 im „Technoseum“ Mannheim entwickelt und dort und in Chemnitz bereits mit großem Erfolg gezeigt. An der Ruhr und in der alten Industrie- und Arbeiterstadt Dortmund ist sie „genau richtig“, waren sich Bürgermeisterin Birgit Jörder und Franz-Josef Kniola, der Ehrenpräsident der NRW-Stiftung, einig.

Die Ausstellung thematisiert auch die Arbeiterbewegung in Dortmund und an der Ruhr

Hinter Gittern: Büste von Otto von Bismarck, angefertigt nach einer Karikatur aus der Zeitschrift "Der wahre Jakob" aus dem Jahr 1878.
Foto: LWL/Holtappels

Hinter Gittern: Büste von Otto von Bismarck, angefertigt nach einer Karikatur aus der Zeitschrift „Der wahre Jakob“ aus dem Jahr 1878.
Foto: LWL/Holtappels

Dem trägt auch eine regionalgeschichtliche Ergänzung Rechnung, die auf 26 großen Schautafeln anhand der Lebensgeschichten wichtiger Persönlichkeiten an der Ruhr die Geschichte der hiesigen Arbeiterbewegung veranschaulicht.

So lieferte etwa der Arbeiterdichter Heinrich Kämpchen den Titel der Ausstellung: „Durch Nacht zum Licht“ ist eine Verszeile aus einem internationalen Knappenlied, das er anlässlich des großen Bergarbeiterstreiks von 1889 verfasste.

Jeanette Wolff wird porträtiert, sie führte in ihrer Textilfabrik vor gut 100 Jahren den 8-Stundentag ein. Neben sozialdemokratisch orientierten Politikern und Gewerkschaftern wird auch die christliche, kommunistische und ruhrpolnische Arbeiterbewegung gewürdigt. Unter dem Titel „Kampfzeiten“ erscheint dazu ein Begleitheft mit vierzig Seiten, das 7,95 € kostet.

Rundgang durch die gesellschafts- und sozialpolitische Entwicklung von 200 Jahren

Motiv des Ausstellungsplakats.
Foto: Technoseum

Motiv des Ausstellungsplakats.
Foto: Technoseum

Im Hauptteil gibt es einen chronologischen Rundgang durch die gesellschafts- und sozialpolitische Entwicklung der letzten 200 Jahre, aber auch die Lebens- und Arbeitswelt der Arbeiter sowie deren reichhaltige Kultur mit eigenen Vereinen und Genossenschaften kommen nicht zu kurz.

„Von Mandolinen-, über Sänger-, Kegel- bis hin zu Kaninchenzuchtvereinen existierte eine breite Kultur, die leider verloren gegangen ist“, wie Dr. Anne Kugler-Mühlhofer, kommissarische Leiterin des Museums Zeche Zollern, bedauert.

Eine weitere frühe Säule der Bewegung war die Arbeiterbildung, die sowohl der ökonomisch-beruflichen Qualifikation wie auch der gesellschaftlich-politischen Emanzipation dienen sollte.

Untergang der altständischen Welt und frühindustrieller Pauperismus

Besucher in der Ausstellung an einer Handdruckpresse aus dem 19. Jahrhundert.
Foto: Technoseum

Besucher in der Ausstellung an einer Handdruckpresse aus dem 19. Jahrhundert.
 Foto: Technoseum

„Am Anfang war Napoleon“. Darunter sind zum einen die wirtschaftsliberalen Reformen und frühindustriellen Innovationen zu verstehen.

Sie besiegelten den Untergang der altständischen Welt – mit ihren teils verheerenden Armutsfolgen für die nunmehr „freigesetzten“ unteren Bevölkerungsschichten. Und zum anderen drückten die nicht eingelösten politischen Reformversprechen in der Restaurationszeit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Diese Spannungen entluden sich in der Revolution von 1848, aber die Interessengegensätze zwischen aufstrebendem Bürger- und Unternehmertum und früher Arbeiterbewegung trugen dazu bei, dass die Revolution scheiterte.

Entstehung einer selbstbewussten Arbeiterbewegung im Kaiserreich

Wahlplakat der SPD zur Nationalversammlung, 1919.
Foto: Friedrich-Ebert-Stiftung
Wahlplakat der SPD zur Nationalversammlung, 1919.
 Foto: FES

Die nächste Station nimmt die Zeit zwischen 1850 und 1890 in den Blick. 1863 wurde von Ferdinand Lassalle der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein gegründet, die Ausstellung zeigt seine Totenmaske.

1869 riefen August Bebel und Wilhelm Liebknecht die Sozialdemokratische Arbeiterpartei ins Leben, Gewerkschaften entstanden. Aber bis Ende des 19. Jahrhunderts blieb die Arbeiterbewegung in Deutschland ausgegrenzt und unterdrückt. Bismarcks Doppelstrategie von Zuckerbrot und Peitsche, Sozial- und Sozialistengesetzen, hat hier ihren Platz.

Es dauerte vor allem auch an der Ruhr, bis sich ein proletarisches Klassenbewusstsein und schließlich eine selbstbewusste Arbeiterbewegung herausbildete. „Im Ruhrgebiet fassten Organisationen der Arbeiterbewegung erst spät Fuß.

Die Schachtanlagen und Hüttenwerke entstanden nördlich der Ruhr auf der grünen Wiese. Sie beschäftigten Arbeiter aus den umliegenden landwirtschaftlichen Gebieten, die sich dem Regime der Zechen und Schlotbarone unterordneten“, so Kugler-Mühlhofer. Erst der große Streik von 150.000 Bergarbeitern im Jahre 1889 sollte dies nachhaltig ändern.

Spaltung der Arbeiterbewegung im Ersten Weltkrieg

Das Ford-T-Modell steht für die Einführung der Fließbandarbeit.
Foto: LWL/Holtappels

Das Ford-T-Modell steht für die Einführung der Fließbandarbeit.
 Foto: LWL/Holtappels

Im späten Kaiserreich galt die deutsche Arbeiterbewegung vielen als die stärkste der Welt.

Doch im Ersten Weltkrieg spaltete sie sich endgültig in einen eher reformerisch-nationalen sozialdemokratischen und revolutionär-internationalistischen kommunistischen Flügel.

Auch deshalb konnte es den Nazis 1933 gelingen, ihre Diktatur zu errichten und die Arbeiterbewegung insgesamt blutig zu unterdrücken.

Blütezeit in der Weimarer Republik

Doch davor erlebte die Arbeiterbewegung eine zweite Blüte: Der sozialdemokratische Reformflügel trug nach der Novemberrevolution von 1918 im Zusammenspiel mit bürgerlichen Liberalen und sozial gesinnten Christen die neue demokratische Republik von Weimar, die endlich auch die Arbeiter zu gleichberechtigten Staatsbürgern machte.

Die Sozialdemokratin und Unternehmerin Jeanette Wolff führte 1912 in ihrer Bocholter Textilfabrik erstmals in Deutschland den Acht-Stunden-Tag ein.
Foto: Stadtarchiv Dortmund

Die Sozialdemokratin Jeanette Wolff führte 1912 in ihrer Bocholter Textilfabrik erstmals in Deutschland den Acht-Stunden-Tag ein.
 Foto: Stadtarchiv Do

Dasselbe galt für die Bereiche Wirtschaft und Arbeit durch sozialpartnerschaftliche Abkommen mit der Unternehmerseite und viele sozialpolitische gesetzliche Neuregelungen. Eine Politik, die so schon im pragmatischen Teil des Erfurter Programms der SPD von 1891 vorgedacht worden war.

Die deutschen Kommunisten wiederum sogen aus den ökonomischen Krisen zu Anfang und am Ende Republik sowie aus der Konsolidierung der Sowjetunion unter Stalin die Gewissheit, dass das verhasste kapitalistische System alsbald auch in Deutschland zusammenbrechen und eine proletarische Revolution sie an die Macht spülen werde.

Verfolgung und Widerstand in der NS-Zeit

Der nächste Abschnitt der Ausstellung beschäftigt sich mit der Verfolgung und dem Widerstand der Arbeiterbewegung in der Nazi-Zeit, ehe es um den doppelten Neuanfang im geteilten Deutschland nach 1945 geht.

Arbeiter und Arbeiterbewegung in BRD und DDR

Während die Bundesrepublik Deutschland in vielem an die demokratischen und sozialpartnerschaftlichen Weimarer Traditionen anknüpfte und sie zu optimieren trachtete – DGB und SPD bekannten sich nach einiger Zeit zur „sozialen Marktwirtschaft“ -, kam in der Deutschen Demokratischen Republik die kommunistische Variante zum Zuge.

Aus westlicher Sicht wurden dort die freiheitlich-emanzipatorischen Ideale der alten Arbeiterbewegung zugunsten einer Parteidiktatur verraten und die Gewerkschaften waren zu bloßen „Transmissionsriemen“ der Macht degeneriert.

Ein Blick auf die Exponate der umfangreichen Ausstellung

Zigarrenkiste zum 100-jährigen Jubiläum der Sozialistischen Internationale 1964 mit den Porträts von (v.l.) Marx, Engels, Adler, Jaures, Bebel, Branting, Troelstra, Hardie, De Paepe und Bakunin. Foto: IISH Amsterdam

Zigarrenkiste zum 100-jährigen Jubiläum der Sozialistischen Internationale 1964 mit Porträts. Foto: IISH Amsterdam

Diesen Gang durch die Geschichte flankieren auf 800 Quadratmetern Ausstellungsfläche über 500 Exponate von mehr als 70 Leihgebern, Highlights wie ein Gehrock Karl Liebknechts, ein vom „Arbeiterkaiser“ und gelernten Drechsler August Bebel handgefertigter Türknauf,  der Haftbefehl der Nazis gegen Erich Honecker.

Auf die Besucher warten jede Menge Flugschriften und Plakate, Audios, Videos und Fotos, technische Geräte, die den technischen Wandel und die veränderten Arbeitsbedingungen sehr gut illustrieren.

Ein elektrischer Bohrhammer in einem Bergwerksstollen zeigt die Mechanisierung um 1900, ein Modell der Tin Lizzy steht für die Fließbandarbeit beim Autobauer Ford in den 1920ern. Ein Call-Center-Arbeitsplatz lenkt den Blick auf die heutige Arbeitswelt.

Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung der Arbeiterbewegung

Denn dies ist ein weiteres Hauptanliegen der Ausstellung: Politische, soziale und ökonomische Errungenschaften, die uns heute selbstverständlich scheinen, werden als Ergebnisse oft harter Kämpfe gezeigt.

Diese Errungenschaften können auch unter heutigen und zukünftigen Bedingungen keineswegs als automatisch gesichert gelten, sondern müssen verteidigt und optimiert werden – und auch neue Problemstellungen und Protagonisten treten hinzu. Ein Kapitel beschäftigt sich mit dem schweren Kampf der Gastarbeiter um wirtschaftliche und soziale Besserstellung.

Plakat des DGB zum 1. Mai 1956 "Samstags gehört Vati mir!"
Foto: Friedrich-Ebert-Stiftung

Plakat des DGB zum 1. Mai 1956 „Samstags gehört Vati mir!“
 Foto: FES

Die Ausstellung schlägt weiter den Bogen zu den Folgen von neoliberaler Deregulierung, von Digitalisierung und Globalisierung, sie thematisiert die kapitalismuskritischen Bewegungen von Occupy und Attac, die Umweltbewegung.

Zielgruppe Jugend

Deshalb soll auch die Jugend ganz besonders angesprochen werden, wie LWL-Museumsdirektor Dirk Zache ankündigt: „Wir verstehen das Museum als Forum, und die Zusammenarbeit mit jungen Menschen ist ein wichtiger Baustein unserer Arbeit.“

„Deshalb werden wir, wie schon bei der Ausstellung zur Zwangsarbeit, wieder in Kooperation mit dem Jugendring der Stadt Dortmund Führungen von Jugendlichen für Jugendliche anbieten. Auch eigene Ferienprogramme wird es geben“, so Zache.

Es ist auch zu wünschen, dass viele Schulklassen den Weg in die Ausstellung finden, denn der Kampf und die Verdienste der Arbeiterbewegung um Emanzipation, Demokratie und soziale Gerechtigkeit kommen in den neuen „Kernlernplänen“ nur noch sehr am Rande vor.

Dies gilt sogar für den Zweiten Bildungsweg, obwohl es hier nicht wenige Studierende gibt, die schon einschlägige Erfahrungen in der Arbeitswelt gesammelt haben.

Mehr Informationen:

  • Ein reich illustrierter Katalog mit 450 Seiten bietet genug Stoff zur Einstimmung und Vertiefung, für 20 Euro ist er zu haben.
  • Die Ausstellung hat dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Erwachsene zahlen fünf, Schüler zwei Euro Eintritt. Es gibt öffentliche Führungen, man kann aber auch Führungen buchen.
  • Zollern bietet ein interessantes Rahmenprogramm mit Vorträgen, Lesungen, Konzerten, Filmen, Theater.
  • Zeche Zollern, Alte Werkstatt, Grubenweg 5, 44388 Dortmund. Infos unter 0231-6961211 und unter www.lwl.org/LWL/Kultur/wim,protal/S/zollern
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