Westfalenkolleg und Droste-Hülshoff-Realschule werden für ihr Engagement in der Erinnerungskultur ausgezeichnet

Professor Erika Band de Rosenberg war bei der Preisübergabe und mehreren Schulen zu Gast.
Professor Erika Band de Rosenberg war bei der Preisübergabe und mehreren Schulen in Dortmund zu Gast.

Von Gerd Wüsthoff

Für ihr Engagement in der Erinnerungsarbeit und den unermüdlichen Einsatz gegen Rassismus, dafür, eine Haltung zu haben und diese auch zu zeigen, haben die Droste-Hülshoff-Realschule und das Westfalenkolleg den schul.inn.do-Award 2018 erhalten. Die Überreichung des Preises, verbunden mit einem Preisgeld von jeweils 1.500 Euro, fand in der Bibliothek der Droste-Hülshoff-Realschule statt. Dr. Wanda Klee, Schulleiterin des Westfalen Kolleg, und Dr. Anja Wieber vom Kolleg und Heike Fortmann-Petersen, Schulleiterin der Realschule, nahmen den Preis von Maria Backhaus-Görges, Vorstand schul.inn.de e.V., entgegen.

Die Projekte „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ und „Races“ wurden prämiert

Mit dem Film „Races“, erarbeitet und gedreht durch und mit Schülern im Westfalenkolleg, zeigen die Mitwirkenden die Sorgen, Ängste und Wünsche. Die Akteure verknüpfen diese mit den Epochen deutscher Diskriminierungsgeschichte und den schmerzhaften Erfahrungen von Ausgrenzung und Gewalt. Diesen Erfahrungen setzen die Kolleg-SchülerInnen in dem Film die heilsame menschliche Begegnung entgegen. Der Film „Races“ wird an einem internationalen Filmfestival zu dem Thema Rassismus teilnehmen.

Seit 2007 ist die Droste-Hülshoff-Realschule in der europäischen Jugendinitiative „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ intensiv engagiert. Eine Initiative, die angesichts des zunehmenden Nationalismus und der daraus resultierenden Problematik von Ausgrenzung und Rassismus, notwendiger denn je ist. Diese Initiative setzt sich für den Respekt der Kulturen und Religionen untereinander ein. Darüber hinaus betreibt das Schulzentrum Kirchlinde in einer Schulformen übergreifenden AG eine ständig wachsende, international weit beachtete Ausstellung „Weil Hannelore Jüdin war“.

Nach einer kurzen Retrospektive der Arbeiten der Preisträger 2018 durch Backhaus-Görges, übergab sie mit Dieter Baier, Vorstand schul.inn.de e.V., die Preistrophäen und die Schecks an die SchulleiterInnen. Im Anschluß folgten kurze Ansprachen zu den preisgekrönten Arbeiten der Schulen von Fortmann-Petersen, Schulleiterin der Realschule, Heinz Höhne, Projektleiter in der Realschule, Klee und Wieber, beide vom Westfalenkolleg.

Familie Rosenberg entkam dem Nazi-Terror und dem Holocaust durch eine Emigration nach Argentinien

Auch am Karl-Schiller-Berufskolleg waren die beiden ZeitzeugInnen zu Gast und schilderten ihre Erlebnisse.
Auch am Karl-Schiller-Berufskolleg waren die beiden ZeitzeugInnen zu Gast und schilderten ihre Erlebnisse.

Die SchülerInnen des Westfalenkolleg konnten leider nicht anwesend sein, da sie nach ihrem Abschluss am Kolleg, im Sommer 2018, über die verschiedenen Universitätsstandorte in Deutschland verteilt sind. Die Projektteilnehmenden SchülerInnen, vorwiegend aus der Realschule, konnten jedoch teilnehmen, wie auch einige ehemalige SchülerInnen anwesend waren. Ebenso war Erika Rosenberg-Band, geboren 1951, bei der Preisübergabe anwesend.

Rosenberg, eine Historikerin, Autorin und Professorin aus Argentinien, ist Tochter deutscher, jüdischer Emigranten. Ihre Eltern konnten dem Holocaust entkommen und emigrierten nach Argentinien, weil dort schon relativ viele Deutsche jüdischen Glaubens lebten. Rosenberg hat eine Biographie über Emilia Schindler geschrieben, die in weiten Teilen der Erzählung von Steven Spielberg in seiner Verfilmung „Schindlers Liste“ widerspricht.

„Die Erzählung des Films ist typisch Hollywood, zu platt, zu stereotyp und damit verfälschend“, sagt Rosenberg enttäuscht. „Emilia wird falsch dargestellt, wie auch ihr Anteil am Werk ihres Mannes zu kurz kommt.“ Rosenberg berichtet in dem Gespräch nach der Verleihung über ihre Arbeit als Historikerin und im speziellen ihre historischen Forschungen zur Shoa. „Es hat schon zuvor, 1967, ein Projekt in Hollywood gegeben, „To the last Hour“, mit Romy Schneider und Richard Burton in den Hauptrollen“, erklärt Rosenberg. „Aber damals konnte man in Hollywood noch keinen Film mit einem ,guten Deutschen‘ machen. Das Projekt schlief ein.“

Professor Rosenberg gab hintergründige, zum Teil verstörende und erhellende Einblicke

Rosenberg konnte noch einiges erhellendes, und für das Projekt der AG im Schulzentrum Kirchlinde, wichtiges den im Projekt involvierten Lehrern mitteilen. „Oskar und Emilia Schindler hatten eine Verbindung mit Admiral Canaris“, teilte Rosenberg den erstaunten LehrerInnen mit. „Im Filmabspann heißt es, die Schindlers hätten sich scheiden lassen, was nicht stimmt. Denn Emilia war gemeinsam mit ihrem Mann nach Argentinien gegangen. Das war nur möglich, weil sie als nach 1945 Staatenlose, von Israel 1947 Papiere bekommen hatten.“

Die Überraschungen, die Rosenberg weiter mitteilte, bezogen sich auf die Kenntnisse der Alliierten über die Konzentrationslager, die erhaltenen und nicht beachteten Warnungen des Jüdischen Weltkongress, und dass die Briten genau wussten wer sich auf den Schiffen in der Lübecker Bucht befand. „Sie haben wissentlich die KZ-Insassen, die auf der Cap Arcona, der Thielbeck und der Athen unter unmenschlichen Bedingungen zusammengepfercht worden waren, bombardiert“, berichtete Rosenberg mit eigenem Entsetzen.

Das erste Kriegsziel der Alliierten war es, das Nazi-Regime, beziehungsweise Nazi-Deutschland militärisch zu besiegen. Dabei waren keine anderen Kriegsziele beachtet worden. So auch die Befreiung der KZ Insassen, vorwiegend Menschen jüdischen Glaubens, oder die Verhinderung der Transporte in die Vernichtungslager. Eine zutiefst verstörende Erkenntnis, die aufzeigt wie weit Rassismus und Antisemitismus in der Welt grassierten, grassieren, und Handlungen und Entscheidungen beeinflussten und leider auch heute noch allzu oft beeinflussen.

Arbeitsstelle „Zukunft braucht Erinnerung“ des Jugendrings Dortmund organisierte Zeitzeugengespräche

Bert Woudstra berichtete unter anderem im Polizeipräsidium, und im Käthe-Kollwitz- Gymnasium von seinen Erfahrungen.
Bert Woudstra berichtete u.a. in Dorstfeld, im Polizeipräsidium, im Karl-Schiller-Berufskolleg und im Käthe-Kollwitz- Gymnasium von seinen Erfahrungen.

Erika Rosenberg war nicht der einzige Gast, der auf Einladung der Arbeitsstelle „Zukunft braucht Erinnerung“ des Jugendrings in Dortmund, um Zeitzeugengespräche in Schulen zu machen. Bert Woudstra wurde am 19. Februar 1932 als Sohn jüdischer Eltern in Enschede geboren. Der heute 86jährige überlebte den Krieg nur, weil er mit seiner Mutter und seinem Bruder untertauchen konnte. Seinem Bruder gelang die Flucht nach England. Sein Vater wurde ermordet.

Am 14.9.1941 sah er ihn zum letzten Mal. 13 Türen öffneten sich zwischen 1940 und 1945 für ihn und seine Familie. Bert Woudstra erzählt sehr eindrücklich von seinen Erfahrungen und Erlebnissen im Versteck und schlägt auch einen Bogen in die heutige Zeit. Bert Woudstra berichtete unter anderem im Polizeipräsidium, und im Käthe-Kollwitz- Gymnasium von seinen Erfahrungen. Er war zudem bei den Holocaust-Gedenkfeiern in Dorstfeld und am Platz der Alten Synagoge dabei.

Rosenberg berichtete den SchülerInnen des 9. Jahrgangs der Droste-Hülshoff-Realschule sowie in der Gesamtschule Gartenstadt über ihre Freundschaft zu Emilie Schindler. Gemeinsam mit BotschafterInnen der Erinnerung und dem Regisseur Cem Arslan gestaltet Erika Rosenberg zudem am Paul-Ehrlich-Berufskolleg den Projekttag „Zukunft braucht Erinnerung“. Nach einem Vortrag über das Ehepaar Schindler präsentierte der Jugendring seinen preisgekrönten Film „HOPE“.

 

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Reaktionen

  1. Nicole Wolf

    Hallo,
    einige Bilder (1, 3, 5) stammen aus dem Karl-Schiller-Berufskolleg. Schüler und Schülerinnen unserer Schule haben eine sehr sehenswerte Ausstellung über ihre Exkursionen nach Auschwitz erstellt. Beide Zeitzeugen waren bei uns und haben uns alle sehr beeindruckt.
    Nicole Wolf

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