Talk im DKH mit einem leidenschaftlichen Hans Leyendecker: „Der Kirchentag ist eine Tankstelle für die Seele“

Ahmet Toprak, Hans Leyendecker und Aladin El-Mafaalani beim „Talk im DKH“. Fotos: Oliver Schaper
Ahmet Toprak, Hans Leyendecker und Aladin El-Mafaalani beim „Talk im DKH“. Fotos: Oliver Schaper

Von Susanne Schulte

Kirchentagspräsident Hans Leyendecker im Dietrich-Keuning-Haus (DKH); Glaube, Christ-Sein, Weltlage – ein weites Themenfeld, was sich dort aufspannte. Und es ging natürlich um den bevorstehenden Kirchentag 2019 in Dortmund. Der tagespolitisch vermutlich entscheidende Satz an dem Spätnachmittag: „Jesus hätte die AfD aus dem Tempel vertrieben.“

Beginn im Dietrich-Keuning-Haus nach BVB-Spiel gegen Mönchengladbach vorverlegt

Da passte einfach alles: Kirchentagspräsident Hans Leyendecker ist bekennender BVB-Anhänger, der Ort des Kirchentags 2019 ist Dortmund und am Tag des Dezember-Talks im DKH, im Dietrich-Keuning-Haus, spielte die Borussia ihr letztes Spiel vor der Winterpause zuhause.

Leyendecker kam somit ein paar Stunden vor Spielbeginn in die Nordstadt, um mit den Moderatoren der Veranstaltung – mit Ahmet Toprak und Aladin El-Mafaalani – über sein neues Amt und über die Veranstaltung zu reden. Der Beginn des Talks, der seit drei Jahren stets um 19 Uhr beginnt, wurde wegen des Anpfiffs zum ersten Mal vorverlegt auf 17 Uhr.

Gut fünf Dutzend Gäste hatten nichts gegen die Anfangszeit und hörten interessiert zu, was der Journalist zum Glauben und Christ-Sein, zum Kirchentag und zur Weltlage zu sagen hatte.

Fünftägige Veranstaltung sei einmalig: sie vereinige Glaubensfest mit einem gesellschaftlichen Forum

2018.12.21  Dortmund Talk im DKH    Foto Schaper

Seit 1975 sei er mit seiner Frau und Rucksack auf jedem Kirchentag gewesen, erzählte Leyendecker. Er habe sich gefragt, „na, wen nehmen die jetzt wohl?“, als Frank-Walter Steinmeier, vorgesehen als Präsident für den Kirchentag 2019, zum Präsidenten der Republik gewählt worden war.

Erst habe er sich gewundert, dass die Wahl dann auf ihn gefallen sei, nach einigen Überlegungen aber das Amt gerne und selbstbewusst angenommen: „Der Kirchentag ist eine Tankstelle für die Seele.“ Diese Veranstaltung sei ein Glaubensfest und ein gesellschaftliches Forum. Beides getrennt gebe es auch sonst, aber beides zusammen, das sei einmalig.

Es gehe darum, Menschen unterschiedlichen Glaubens, die zerrissene und gespaltene Gesellschaft wieder zusammen zu bringen.

Das Motto „Was für Vertrauen“ habe selten so gut gepasst wie in die heutige Zeit

2018.12.21  Dortmund Talk im DKH    Foto SchaperSelten habe ein Kirchentags-Motto so gut gepasst, wie das aktuelle: „Was für ein Vertrauen“, aus dem zweiten Buch der Könige. „Der Glaube ist eine gute Chance, weil er ein Geländer ist, weil er Halt sein kann.“

Er glaube, dass es bei den Menschen eine große Sehnsucht gebe. Die Schwierigkeiten bei der Kirche liege in der Frage, wie man die Leute binden könne.

Die Gemeinden müssten Präsenz zeigen, den „Glauben mit der Fackel irgendwo hintragen“. Er glaube aber nicht, dass die Christen bessere Menschen seien, „aber dass es Christen besser geht, dass glaube ich“.

Klare Worte von Hans Leyendecker: „Jesus hätte die AfD aus dem Tempel vertrieben“

Kirchentagspräsident Hans Leyendecker
Kirchentagspräsident Hans Leyendecker

Die Entscheidung, kein Mitglied der AfD auf die diversen Podien einzuladen, musste Leyendecker bei der anschließenden Fragerunde verteidigen.

Schon vorher hatte er aus der Geschichte der Veranstaltung heraus argumentiert: „Der Kirchentag ist 1949 aus dem Versagen der Kirche während der Nazi-Zeit mit dem ,Nie wieder’ gegründet worden.“ In der AfD seien viele Nazis Mitglied. Der Kirchentag als eigenständiger Verein, als Gegenüber zur verfassten Kirche, lade ein, müsse keine Ausgewogenheit pflegen.

Auf die Frage, was Jesus mit den AfD-Mitgliedern gemacht hätte, war Leyendeckers Antwort deutlich: „Jesus hätte die AfD aus dem Tempel vertrieben.“ Hat man in Sachen AfD eine Entscheidung getroffen, sei bislang aber noch nicht klar, ob man palästinensische ChristInnen einlade, und zwar jene, die die Aktion BDS unterstützten. BDS heißt Boykott, Desinvestition und Sanktion und zwar gegen israelische Produkte, Firmen und Einrichtungen.

„Sie sind jetzt sehr diplomatisch“ – „Ich bin leidenschaftlich gern Präsident dieses Kirchentages“

2018.12.21  Dortmund Talk im DKH    Foto SchaperVon Vertrauen und Zuversicht sollen die 150.000 erwarteten KirchentagsbesucherInnen einiges im Pavillon der guten Nachrichten hören, der an den fünf Tagen im Juni – vom 19. bis zum 23. des Monats – neben der Petrikirche aufgebaut wird.

„Wir leben in einem Zeitalter, in dem hochgradig mit Ängsten gespielt wird“, meinte Leyendecker. Dabei sei auch vieles besser geworden. Die Zahl der Menschen, die hungerten, sei halbiert worden im Vergleich zu 100 Jahren zuvor, 90 Prozent der Frauen und Männer könnten lesen und schreiben. Vor 100 Jahren seien das nur zehn Prozent gewesen.

Als Christ versuche er, die Verhältnisse zu verbessern. Das schien dann Moderator Aladin El-Mafaalani ein wenig zu kurz gegriffen. „Sie sind jetzt sehr diplomatisch“, merkte er an. Kirchentagspräsident sei ein politisches Amt, so Leyendecker. „Ich bin leidenschaftlich gern Präsident dieses Kirchentages.“

 

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Reaktionen

  1. Carsten Klink

    Erstaunlich, dass der Präsident des Kirchentages ausgerechnet die Tempel-Geschichte gewählt hat. Sicherlich hätte der historische Jesus die AFD aus dem Tempel vertrieben. Allerdings hat Jesus tatsächlich laut der Bibel die Geldwechsler aus dem Tempel vertrieben. Heute würde Jesus sicherlich eine religiöse Gesellschaft aus dem Tempel vertreiben, die sich 2,9 Millionen Euro für Ihren einwöchigen Kirchentag 2019 von der klammen Stadt Dortmund als Subvention geben lässt, obwohl sie über ein Milliardenvermögen verfügt.

    Die Bedürftigen in Dortmund hätten die Millionen sicherlich eher benötigt. Was hätte wohl der ökumenische Verein „Gast-Haus statt Bank“ aus den 2,9 Millionen Euro sowie den von der Stadt Dortmund dem Kirchentag gewährten Sachleistungen in sechsstelliger Höhe machen können?

    Auch der Hinweis auf den Kirchentagsverein ist unlauter. Wie wir aus der großen Diskussion um die Kirchentagssubventionen aus dem Rat der Stadt Dortmund wissen, hat dieser Verein keine 30 Mitglieder. Er hat quasi eher die Aufgabe den Kirchentag wirtschaftlich zu führen. Der Finanzchef des Kirchentags ist ja nicht umsonst ein ehemaliger Siemensmanager. Für jeden Kirchentag wird extra ein neuer Verein gegründet. Vermutlich auch, um die Angestellten besser entlassen zu können. Schließlich braucht man die meisten Angestellten in den rund zwei Jahren zwischen den Kirchentagen nicht.

    Bezeichnend ist auch, dass man zum Kirchentag rund 100.000 Besucher erwartet. In Dortmund sind nur noch rund ein Drittel der über 600.000 Einwohner evangelisch. Man rechnet also nicht mal damit, dass alle Protestanten Dortmunds am Kirchentag teilnehmen. Von den im Beitrag genannten 60 Zuhörern waren daher vermutlich rund 90 Prozent mit der Organisation des Kirchentags betraut. Ein weiteres Indiz für die Entfremdung von Kirche und Gläubigen.

    Schön ist allerdings, dass der Kirchentagspräsident sich darüber freut, dass „90 Prozent der Frauen und Männer lesen und schreiben können. Vor 100 Jahren seien das nur zehn Prozent gewesen.“ Nur haben die Kirchen daran verhältnismäßig wenig Anteil, sondern wohl eher die Aufklärung. Die religiösen Vertreter sitzen doch bis heute mehrheitlich im Bremserhäuschen des Fortschritts.

    Aber ansonsten wünsche ich frohe Weihnachten!

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