SERIE Dortmunder Fahrradgeschichte (3): Keine heiße Luft – Die Luftreifen der Gummiwarenfabrik Wilhelm Pahl

Das Firmengelände der „Pahl Gummiwarenfabrik“ in Dortmund um 1886. Die beeindruckenden Gebäude standen an der Ringstraße 24, dem späteren Hindenburgdamm, heute die B1. Die Fabrik grenzte direkt an die Ostseite des Kaiser-Wilhelm-Hains, dem heutigen Westfalenpark. Fotos und Screenshots: Sammlung Delkus

Gastbeitrag von Horst Delkus

Was macht ein Vater nicht alles aus Liebe zu seinem Kind. Als der schottische Tierarzt John Boyd Dunlop sah, dass sein neunjähriger Sohn Johnny bei Rennen mit dem Dreirad nie gewann, griff er die vergessene Idee eines anderen Schotten auf und meldete sie 1888 in Dublin zum Patent an: den Luftreifen, „Pneumatic“ genannt.

Meilenstein der Automobilität: Luftreifen machten das Radfahren deutlich schneller und bequemer 

Fabrikansicht vom Westen.

Der Vorteil der Luftbereifung zeigte sich nicht nur bei den Rennen von Dunlops Steppke. Ein englischer Radprofi, Willie Hume, eigentlich nicht der stärkste Fahrer, heimste mit der Dunlop`schen Erfindung einen Preis nach dem anderen ein.  ___STEADY_PAYWALL___

Luft – statt der bis dahin üblichen Vollgummireifen machten die Räder deutlich schneller. Und das Fahren im Alltag bequemer. Damit war die Erfindung des „Pneumatic“ ein Meilenstein in der Geschichte der Automobilität. Dunlop war der Mann, der das Rad neu erfand. 

Schon bald setzte ein wahrer Boom ein zur Herstellung solcher Reifen, die immer weiter verbessert wurden. Federführend in Deutschland war eine Kautschuk-Fabrik in Hannover, die Continental, noch heute ein wichtiger Reifenhersteller. Wie in einer Reihe anderer Städte, stieg auch ein Dortmunder Unternehmen in diesen expandierenden Markt ein: die „Gummiwarenfabrik W. Pahl“. Gegründet 1863 von Karl Pahl, spezialisiert auf technische Gummiwaren und Baumwolltreibriemen für Fabriken.

Luftreifen aus Dortmund werden 1897 mit einer Goldenen Medaille ausgezeichnet

Mit der Goldmedaille ließ sich gut für die eigenen Produkte werben.

Nach dem Tod des Firmengründers Karl Pahl führte sein Sohn Wilhelm das Unternehmen in Dortmund fort. Die beeindruckenden Gebäude standen an der Ringstraße 24, dem späteren Hindenburgdamm, heute die B1. Die Fabrik grenzte direkt an die Ostseite des Kaiser-Wilhelm-Hains, dem heutigen Westfalenpark. 

Wann genau man dort mit der Herstellung von Luftreifen begann, ist nicht exakt zu ermitteln. Offenbar sehr früh:

In einem „Adressbuch und Warenverzeichnis der chemischen Industrie“ von 1888 wird das Dortmunder Unternehmen bereits als „Fabrik für Gummiwaaren und Pneumatics“ erwähnt. Mit immerhin 100 Arbeitern.

Über das Unternehmen und seine Entwicklung gibt es kaum Quellen. Eine 1932 erschienene kleine Firmenschrift war bislang in keinem Archiv zu finden. Was bleibt, ist die Reklame. So wissen wir aus einer Anzeige zum XIV. Bundestag des Deutschen Radfahrer-Bundes 1897 in Bremen, dass die Luftreifen aus Dortmund im selben Jahr auf einer Ausstellung mit einer Goldenen Medaille ausgezeichnet wurden.

Es gibt heute nur noch wenige Informationen – Fabrik wurde 1944 durch Fliegerbomben zerstört

Die bunte Werbung war kostspielig aber effektvoll. Sammlung MKK Dortmund / Foto Horst Delkus

Ein Jahr später, zum Radfahrer-Bundestag in Dortmund, warb man bereits in aufwendiger und teurer Farbe für die pneumatischen Reifen von Pahl.

Mit einer netten Dame, ein Taschentuch schwenkend, mit Beinkleid und Stiefeln, der Fahrradmode der Zeit, die die Damenbekleidung revolutionierte.

Dasselbe Motiv wie bereits in Dortmund benutzte man auch für eine Reklamepostkarte vom Bundestag des Radfahrerverbandes im Jahr darauf in München. Nun hatte man einen passenden Slogan, einen Claim, wie Marketing-Profis heute sagen:

„Pahl`s Pneumatic ist der Beste!“ 

Damit – und mit der Goldenen Medaille – warb man auch in der Festschrift dieser Veranstaltung, herausgegeben von der Fachzeitschrift mit dem schönen Namen „Radfahr-Humor“.

Wenig bekannt ist, welche der zahlreichen Fahrradfabriken um die Wende vom 19. in das 20. Jahrhundert Luftreifen von Pahl in ihre Räder einbauten. Belegen lassen sich nur die Mars-Fahrradwerke in Nürnberg.

Wilhelm Pahl gründete 1918 den noch heute bestehenden „Westfälischen Industrieclub“

Radler mit Mars-Fahrrad und Pahl-Pneumatics. Foto: marswerke.wordpress.com

Wie sich das Unternehmen im 20. Jahrhundert weiter entwickelte, wissen wir derzeit nicht. Wilhelm Pahl, der Firmeninhaber, gründete 1918 den Westfälischen-Industrieclub, der heute noch am Alten Markt im Zentrum von Dortmund sein Clubhaus hat. 

Er war dort bis 1922 Vorsitzender. Im II. Weltkrieg wurde die Fabrik als kriegswichtiger Betrieb von mittlerer Bedeutung eingestuft und bei einem strategischen Luftangriff in der Nacht vom 22 auf den 23. Mai 1944 in Schutt und Asche bombardiert.

Dunlop, dem wir das ruckelfreie Fahren mit luftgefüllten Reifen verdanken – nicht nur mit dem Fahrrad auch mit dem Auto – hat das alles nicht mehr erlebt.

Bereits 1896 zog er sich aus dem von ihm mitgegründeten und nach ihm benannten Unternehmen zurück. Er verkaufte seinen Anteil für kleines Geld und arbeitete bis zu seinem Tod im Jahr 1921 als Tierarzt. Allein sein Markenname hat überlebt. Auch den von Pahl. 

 

 

 

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