SERIE (3) Weihnachten (k)eine Glaubensfrage?  „In der Weihnachtszeit verhalten sich Deutsche wie Tunesier“

Den jungen Muslimen gefällt die Adventszeit in ihren Wohngemeinschaften. Fotos: Sophia Stahl
Den jungen Muslimen gefällt die Adventszeit in ihren Wohngemeinschaften. Fotos: Sophia Stahl

Von Sophia Stahl

Wie fühlt es sich für junge Muslime an, die Adventszeit in einer Wohngemeinschaft (WG) mit Christen zu verbringen? Tammam lebt seit anderthalb Jahren und Sirine seit neun Monaten in Deutschland. Für beide ist klar: Die Weihnachtsstimmung färbt auf alle ab—auch auf sie. Beide kannten Weihnachten schon aus ihren Heimatländern. Wie die Tunesierin und der Syrer die Weihnachtszeit jetzt in Deutschland erleben, erzählten sie den Nordstadtbloggern.

Weihnachtsschmuck gibt es auch in Tunesien

Sirine Khalfalah möchte in Deutschland Molekularbiologie studieren. Manche Weihnachtsbräuche sind ihr schon bekannt. Die 19-jährige erklärt, es gebe auch Weihnachtsschmuck in Tunesien. Außerdem feierte sie manchmal mit ihrer Familie den Nikolaustag.

„Ich sah im französischen Fernsehen den Nikolaus mit seinen Geschenken. Das Fest wollte ich auch feiern!“ Ihre Eltern konnten Sirine den Wunsch nicht abschlagen. Schon am nächsten Morgen verkündete ihre Mutter: „Der Nikolaus war da!“ Und Sirine bekam kleine Geschenke.

Durch die französischen Sender erfahren die Kinder vom Weihnachtsfest, deswegen verbreiten sich europäische Weihnachtsbräuche in Tunesien, erklärt sie.

Französische Sender verbreiten europäische Weihnachtsbräuche

Sirine Khalfalah möchte in Deutschland Molekularbiologie studieren.
Sirine Khalfalah möchte in Deutschland Molekularbiologie studieren.

Auch Tammam kannte Weihnachten schon aus Syrien. Dort ist der 25. Dezember sogar ein Feiertag und die Schüler dürfen zuhause bleiben. Obwohl Tammam Moslem ist, besuchte er mit seinen christlichen Freunden Weihnachtsgottesdienste. „Dort haben wir auch immer Weihnachtslieder gesungen“, erzählt er. Allerdings gebe es in Syrien keinen Weihnachtsmarkt.

Vor anderthalb Jahren kam Tammam nach Deutschland, um zu studieren. Zurzeit besucht er ein Studienkolleg. Seine erste Adventszeit in Deutschland (2016)  war stressig, weil er im Januar umziehen musste. „Dieses Jahr habe ich Weihnachten mehr erlebt und mitgemacht als letztes Jahr“, berichtet Tammam.

Der Syrer und seine MitbewohnerInnen haben zusammen einen Adventskranz gekauft und einen Adventskalender gebastelt. So durften sie im Wechsel alle vier Tage eine Kleinigkeit auspacken.

In der Adventszeit verbringen die Menschen mehr Zeit miteinander

Tammam hat das Gefühl, in der Adventszeit haben die WG-Mitbewohner zueinander gefunden. „Wir haben mehr Zeit miteinander verbracht und das hat unsere Beziehung gestärkt“, stellt er fest. Außerdem ist er begeistert von den vielen Kerzen und der Gemütlichkeit im Dezember. „Ich finde der Monat ist besonders!“, sagt er zu den Nordstadtbloggern.

Sirine verbringt das erste Mal die Weihnachtszeit in Deutschland. Auch ihre WG hat einen Adventskranz. Die Weihnachtszeit und die deutschen Bräuche machen sie neugierig. „Ich frage oft meine Mitbewohner, warum macht ihr das?“

Außerdem findet Sirine: „In der Weihnachtszeit verhalten sich Deutsche plötzlich wie Tunesier. Die Familie wird ihnen besonders wichtig. Alle nehmen sich frei, um nach Hause zu fahren.“ Deswegen vermisse sie in der Weihnachtszeit ihre eigene Familie besonders.

Sirine und Tammam bleiben auch in den Weihnachtsferien in Dortmund

Auch Tammam kannte Weihnachten schon aus Syrien. Dort ist der 25. Dezember sogar ein Feiertag
Auch Tammam kannte Weihnachten schon aus Syrien. Dort ist der 25. Dezember sogar ein Feiertag

Ihre Eltern und Geschwister in Tunesien sieht Sirine in den Ferien nicht. Sie muss sich um einen Studienplatz bewerben und bleibt deswegen in Dortmund „Da bleibt keine Zeit, um nach Hause zu fliegen“, erklärt sie.

Allerdings verbringt die Tunesierin den 24. Dezember nicht ganz alleine. Sie feiert mit ihrem Onkel und seiner Familie in Aachen. Ihr Onkel hat eine Christin geheiratet, „Weihnachten wird dort groß gefeiert“, erzählt sie.

Auch Tammam bleibt über die Weihnachtstage in Dortmund. Im Moment leben seine Eltern in Saudi-Arabien. „Für nur zwei Wochen Aufenthalt waren die Flüge zu teuer“, sagt er. Nun ist er alleine in seiner WG. Der 20-jährige sagt: „Natürlich ist es traurig, wenn alle zu ihren Familien fahren und ich nicht. Aber ich freue mich für meine Freunde und wünsche ihnen ein frohes Fest!“.

Außerdem sei für ihn der 24. Dezember ein normaler Tag, weil er Moslem ist. Und Sirine freut sich schon auf kommenden Februar. Dann möchte sie ihre Familie in Tunesien besuchen und ihr Weihnachtsdekoration aus Deutschland mitbringen.

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