„Industrieregion Ruhr“ als Weltkulturerbe? CDU befürchtet Innovationsstau unter der „Käseglocke“ der UNESCO

Die Zeche Zollern ist eines der wichtigsten Industriedenkmäler in Dortmund. Archivbild: Alex Völkel
Die Zeche Zollern ist eines der wichtigsten Industriedenkmäler in Dortmund. Archivbild: Alex Völkel

Die „Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet“ soll UNESCO-Weltkulturerbe werden. Die in Dortmund ansässige „Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur“ möchte das Projekt 2023 als Vorschlag des Landes NRW auf die deutsche Vorschlagsliste (die sogenannte „Tentativliste“) der Kulturministerkonferenz setzen, aus der die spätere Bewerbung bei der UNESCO resultiert. Während der Verwaltungsvorstand der Stadt Dortmund die Bewerbung im Grundsatz unterstützt, muss der Stadtrat in seiner Sitzung in der nächsten Woche dem Vorhaben noch zustimmen. Im Vorfeld wurde das Thema im Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Stadtgestaltung und Wohnen kontrovers debattiert.

CDU fürchtet, Weltkulturerbe-Status könnte zur Entwicklungsbremse werden

Über Jahrzehnte bestimmte der Abrissbagger. Heute sind die Zechen beliebte Ausflugsziele und Denkmäler.
Über Jahrzehnte bestimmte der Abrissbagger das Bild. Heute sind die Zechen und Kokereien wie Hansa beliebte Ausflugsziele und Denkmäler. Archivbild: Alex Völkel

Während unter den Parteien im Großen und Ganzen ein gemeinsamer Konsens besteht, dass die Bewerbung bzw. die letztendliche Auszeichnung zum Weltkulturerbe mehr Chancen als Probleme beinhalte, steht einzig die CDU dem Vorhaben ablehnend gegenüber. ___STEADY_PAYWALL___

Die Christdemokrat*innen fürchten, dass das Prädikat Weltkulturerbe wie eine Käseglocke über die Region gestülpt werde und hierdurch wichtige planerische Transformationen und Entwicklungen gehemmt würden. Es sei zu befürchten, dass Innovationen ausgebremst würden und Nachteile für die Stadtentwicklung entstehen könnten.

Die Bewerbung berge das große Risiko, das Ruhrgebiet in der öffentlichen Wahrnehmung als Museum zu platzieren, die Auszeichnung zum Weltkulturerbe beinhalte ein mit Restriktionen versehenes Diktat, dass hemmend auf die zukünftige Stadtentwicklung einwirke.

„Der Status Weltkulturerbe ist mit Restriktionen verbunden, wenn er wie eine Käseglocke über die Region gelegt wird. Es müssen bei Planungsvorhaben beispielsweise bestimmte Aspekte wie die Einhaltung gewisser Pufferzonen oder der Erhalt bestehender Sichtachsen berücksichtigt werden“, erläutert der planungspolitische Sprecher der CDU, Uwe Waßmann, die Problematik aus Sicht der Christdemokrat*innen.

Das Ruhrgebiet als Museum? Wäre die Auszeichnung mit zu vielen Restriktionen verbunden?

CDU Planungsfachmann Uwe Waßmann Foto: Carmen Körner
Uwe Waßmann ist planungspolitischer Sprecher der CDU-Ratsfraktion. Foto: Carmen Körner / Archiv

Mit dieser Einschätzung stehe man auch nicht alleine da. Im Regionalverband Ruhr stelle sich die Situation differenziert dar und es gebe auch Absagen und Vorbehalte anderer Kommunen. „Dortmund tut nicht gut daran, sich in die Bresche zu werfen“, so Waßmann weiter.

Die Risiken seien einfach zu groß und bisher nicht wirklich berücksichtigt und diskutiert worden. Der Museumsstatus, der der Region durch das Weltkulturerbe aufgedrückt werde, werde der historischen Bedeutung und dem Strukturwandel des Ruhrgebiets einfach nicht gerecht und sei respektlos.

Denn letztendlich stehe Dortmund doch gerade für diesen Strukturwandel, die Transformation und die Innovation, den Aufbruch. Dies sieht auch Dortmunds Planungsdezernent Ludger Wilde so. Dennoch kann der die Position der Christdemokrat*innen nicht teilen. Bezüglich Waßmanns Ausführung, dass auch andere RVR-Kommunen die Bewerbung skeptisch betrachten, macht Wilde klar, dass 39 von 42 Städten dem Antrag zugestimmt hätten, lediglich drei hätten ihre Stellungnahme „abwartend formuliert“.

Weltkulturerbe-Status als Auszeichnung für den fortwährenden erfolgreichen Strukturwandel

„Seit Jahrzehnten betreiben wir erfolgreich den Strukturwandel. Es zeichnet uns aus, immer wieder alt und neu zu verbinden und Projekte zu entwicklen“, so Wilde und nennt als Beispiele hierfür die Entwicklungen auf Phoenix-West, die Kokerei Hansa oder die Zeche Gneisenau.

Dortmunds Planungsdezernent Ludger Wilde. Foto: Leopold Achilles / Archiv

Diese Entwicklungen würden für ein unverwechselbares Bild sorgen, dass auf der Philosophie des Wandels fuße. Der Status des Weltkulturerbes sei eine Auszeichnung für all diese Bemühungen der letzten Jahrzehnte. 

Im Gegensatz zur Annahme Waßmanns habe sich seine Behörde und der Verwaltungsvorstand der Stadt gemeinsam mit der „Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur“ sehr intensiv damit auseinandergesetzt, ob die Auszeichnung Innovationen bremsen und „uns einschränken“ würde. Aber es passe alles absolut zu den Zielen des Weltkulturerbes. 

Auf Sichtachsen und Pufferzonen habe man bei Planungen auch bisher schon Rücksicht genommen, da seien die Auflagen der UNESCO kein Poblem und weitere Restriktionen seien durch das Weltkulturerbe nicht beinhaltet. Außerdem könne man von der Liste der in der Bewerbung aufgeführten Objekte auch Elemente wieder streichen, ohne dass dies negative Folgen hätte.

Man müsse die Auszeichnung als Qualitätstestat ansehen, das Vorgaben zur Erhaltung ebendieser Qualität beinhalte. Aber dies sei alles nicht mit Mehraufwand für die Stadtverwaltung verbunden. Die von der UNESCO geforderten Auflagen würden schon für die meisten Objekte durch den Denkmalschutz gewährleistet. 

Mit Argusaugen auf die Auflagen geschaut und Objekte gezielt ausgesucht

Die ehemalige Zeche Gneisenau in Derne. Ein Wahrzeichen im Norden. Foto: Leopold Achilles/ Archiv

Uwe Waßmann verwies darauf, dass es 2013/14 schonmal einen Bewerbungsversuch gegeben habe, der aus selbigen Bedenken wie aktuell, keine Zustimmung gefunden habe. Als Beispiel nannte er die Zeche Zollverein in Essen, die den Status des Weltkulturerbes seit 2001 ja bereits innehat und die Restriktionen einzuhalten hat.

Diese Beschränkungen seien nicht trivial sondern ein ernsthaftes Problem für innovative Entwicklungen. „In zehn, 15, 20 Jahren werden wir bedauern, es getan zu haben“, mahnt Waßmann und hatte dabei problematische Beispiele wie die Planungen für die Waldschlösschenbrücke in Dresden oder auch das Erzgebirge vor Auge, wo die Region wie unter einer „Käseglocke“ der UNESCO sei und mit mit den Restriktionen zu kämpfen habe.

Stefan Thabe, Fachbereichsleiter beim Stadtplanungs- und Bauordnungsamt Dortmund hält Waßmanns Bedenken für Schwarzseherei. „Wir können und sollten uns das auferlegen. Sie haben nur negative Aspekte aufgeführt aber es gibt auch viel Positives“, so Thabe.

Luftaufnahme des Dortmunder Hafens aus 2013: Unterhalb der Hafenbecken ist der Autobahnzubringer OWIIIa, am oberen Rand ist im Hintergrund das IKEA-Europalager zu erkennen. Foto: Hafen AG
Luftaufnahme des Dortmunder Hafens aus 2013: Er ist in seiner Struktur schützenwert. Foto: Hafen AG

Seine Behörde als auch die Denkmalbehörde hätten mit Argusaugen auf die Auflagen im Zusammenhang mit der Auszeichnung zum Weltkulturerbe geschaut. 

Daher habe man sich auch gezielt für die auf der Bewerbungsliste aufgeführten Objekte entschieden. Hier seien keine Einschränkungen in der Entwicklung durch die Auflagen der UNESCO zu befürchten.

„Wir haben die Objekte aufgelistet, mit denen wir ohne Probleme arbeiten können“, so Thabe weiter. Für ihn bedeute die Auszeichnung zum Weltkulturerbe auch ein Stück Heimatstolz für das graue Ruhrgebiet. Außerdem sei sie mit positiven Effekten für den Tourismus verbunden.

Positive Aspekte überwiegen: Zustimmung zum Antrag von SPD, Grünen, Linke+ und AfD

Dem pflichtet Utz Kowalewski von der Fraktion Linke+ zu. „Wir werden den Antrag mittragen. Er hat positive Effekte für die Tourismusbranche, die aktuell in der Krise extrem leidet. Wir sollten es versuchen. Es ist eine Maßnahme, die der gesamten Region guttun wird.“

Der Stadtrat muss dem Antrag zur Bewerbung noch zustimmen. Foto: Alex Völkel / Archiv

Carla Neumann-Lieven von der SPD hält den Antrag zur Bewerbung gar für außergewöhnlich. Er beinhalte die Chance, „unsere Geschichte sehr deutlich zusammenzufassen und darzustellen“. Aber es ginge nicht nur darum zurück zu blicken, sondern etwas Neues daraus zu entwicklen. Diese Weiterentwicklung darzustellen, sei eher eine riesige Chance und Herausforderung als eine Entwicklungsbremse.

Auch für Matthias Dudde von den Grünen birgt die Option Weltkulturerbe mehr Vorteile als Nachteile. „Wir sehen mehr die positiven Aspekte und Herausforderungen als die Probleme, die Herr Waßmann beschrieben hat und wollen diese Aufwertung der gesamten Region unterstützen.“ Dennoch seien die Bedenken Waßmanns durchaus berechtigt und man müsse vorbeugen, um diese realen Probleme zu vermeiden.

Den Mehrwert sieht auch Tino Perlick von der AfD zumindest für die Region, aber er „wage zu bezweifeln, dass es dem normalen Bürger etwas bringe“. Es würde allerdings sich „weißgott um unsinnigere und größenwahnsinnigere Projekte beworben“, wie beispielsweise die Olympischen Spiele. Das Weltkulturerbe sei prestigeträchtig im besten Sinne des Wortes. Daher wolle seine Fraktion der Stadtverwaltung glauben schenken, das nicht alle Richtlinien der UNESCO in Stein gemeißelt seien und den Antrag ebenfalls unterstützen.

 

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Reaktionen

  1. Stellungnahme der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur: Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet (PM)

    Stellungnahme der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur: Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet

    Stellungnahme der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur zum am 10. Juni 2021 vom MHKBG veröffentlichten Abschlussbericht der NRW-Fachjury im Rahmen des Interessenbekundungsverfahrens des Landes Nordrhein-Westfalen zur Fortschreibung der Deutschen Tentativliste für zukünftige UNESCO-Welterbestätten.

    Die NRW-Jury bestätigt, dass der außergewöhnliche universelle Wert (OUV) für die Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet nachgewiesen werden „könnte“. Das spornt uns an. Wir werden den methodischen Ansatz der Bewerbung schärfen. Wenn nicht jetzt, wann dann?! Wir vertrauen auf das politische Votum der beteiligten Kommunen, Kreise und der RVR -Verbandsversammlung.

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