Millionenbelastung: Land NRW lässt Kommunen bei Kosten für ausreisepflichtige Geflüchtete weiter im Regen stehen

Auf dem Parkplatz F2 neben dem Westfalenpark ist die EAE errichtet worden.
Die Erstaufnahme und die Zentrale Ausländerbehörde hat das Land geschlossen. Letztere war auch für Rückführungen zuständig.

Die humanitäre Zuwanderung der Jahre 2015/2016 und die Integration von Geflüchteten stellen die NRW-Kommunen noch immer vor große Herausforderungen. Vor allem deshalb, weil sich sowohl die alte als auch die neue Landesregierung bei der Übernahme der Kosten einen schlanken Fuß machen. Denn für Geflüchtete, die eigentlich ausreisepflichtig sind, bekommen die Kommunen nur die ersten drei Monate lang Geld vom Land. Danach müssen die Kommunen die Kosten tragen – allein in Dortmund und nur für diese Gruppe waren das 20,5 Millionen Euro.

NRW-Kommunen pochen auf eine Kostenübernahme für Ausreisepflichtige durch das Land

Allein im Juni 2015 wurden mehr als 53.000 Flüchtlinge durch die EAE Hacheney geschleust.
Das Land baut die Zuständigkeiten um, doch leistungsfähig sind die neuen Strukturen noch nicht.

Dieses Dilemma – und auch weitere Themen – wurde beim Treffen der Verwaltungsvorstände der Bezirksregierung Arnsberg und der Stadt Dortmund im Rathaus diskutiert. Die Regelung, die noch von der rot-grünen Landesregierung eingeführt wurde und auf massive Kritik in den Kommunen stieß, wurde auch von der CDU-FDP-Opposition massiv kritisiert. Nun ist diese seit 2017 in Regierungsverantwortung und die schärfsten KritikerInnen teils in Ministerverantwortung. Doch geändert haben sie die Regelung nicht.

„Politische Demenz“ befürchten die Kommunen: „Es ist ein Risiko für die Haushalte der Kommunen. Auch im laufenden Jahr werden wir erhebliche Belastungen haben“, machte Dortmunds OB Ullrich Sierau deutlich. Denn das Land hat mittlerweile alle Geflüchteten aus den Landeseinrichtungen auf die Kommunen verteilt, die nun weitgehend alleine die Kosten tragen müssten.

Doch die Rückführung oder Abschiebung der Ausreisepflichtigen haben die Kommunen zumeist nicht selbst in der Hand. Die Gründe für fehlende Rückführungen liegen u.a. in der Beschaffung von Ersatzdokumenten und der Absprache mit Herkunftsländern. Hier sind Landes- und Bundesbehörden bzw. -einrichtungen gefragt. Doch dort passiert zu wenig. Das Heft des Handelns liegt auf höheren Ebenen, die Kosten aber bei den Kommunen. 

Unterschiedliche Verteilungsquoten für Geflüchtete sorgen für eine Schieflage in Dortmund

Und weil es zumindest für das Land keinen finanziellen Druck gibt, lässt man sich Zeit – so zumindest die Kritik der Kommunen, die jetzt auch über die kommunalen Spitzenverbände zusätzlichen Druck aufbauen. Denn in anderen Ländern sind die Kommunen von diesen Kosten entlastet – hier tragen die Länder auch die Kosten. „Es gibt keinen Grund, dass NRW-Kommunen alleine die Kosten tragen sollen“, ergänzt Sozialdezernentin Birgit Zoerner. 

Dezernat 5: Stadträtin Birgit Zoerner
Sozialdezernentin Birgit Zoerner.

Sie verweist noch auf eine weitere Schieflage im NRW-System: Es gibt zwei Quoten, die entscheidend für die Zuweisung von Geflüchteten in die jeweiligen Kommunen sind. Die eine berechnet sich nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz, die zweite Quote nach der Wohnsitzauflage für Geflüchtete.

Mit letzterer soll verhindert werden, dass es zu regionalen Verwerfungen kommt, weil Geflüchtete natürlich lieber in Großstädte ziehen. „Eine vernünftige Regelung“, findet die Stadtspitze Dortmund zumindest letztere Regelung.

Das Problem: Durch die zwei unterschiedlichen und nicht verknüpften Quoten entstehe „eine einigermaßen absurde Situation“, verdeutlicht Zoerner. Bei der ersten Quote kommt Dortmund „nur“ auf eine Erfüllung von 85 Prozent – die Stadt muss rechnerisch also noch 450 Menschen aufnehmen.

Berechnet nach der Wohnsitzauflage liegt Dortmund jedoch schon bei 205 Prozent Erfüllung – das wären 4195 Menschen, die die Kommune „über dem Soll“ aufgenommen hat. „Bei den Großstädten liegen wir bei dieser Quote sehr weit vorne. Sie müssten verrechnet werden“, fordert die Dortmunder Sozialdezernentin.

Sorgen aus Dortmund stoßen beim CDU-Regierungspräsidenten auf offene Ohren

Regierungspräsident Hans-Josef Vogel und OB Ullrich Sierau bei der Pressekonferenz.
Regierungspräsident Hans-Josef Vogel und OB Ullrich Sierau bei der Pressekonferenz.

Bei der Bezirksregierung Arnsberg stoßen die Argumente aus Dortmund auf offene Ohren: „Mein Eindruck ist, dass wir mit der Bezirksregierung einen Sachwalter für die Kommunen haben“, so OB Ullrich Sierau. Doch die Entscheidungen werden auf höherer Ebene getroffen.

Für Regierungspräsident Hans-Josef Vogel sind die Regelungen überarbeitungsbedürftig: „Hier fehlt der finanzielle Steuerungsmechanismus. Wir müssen mit Kommunen und Land reden. Denn das, was Dortmund vorgetragen ist, richtig und wichtig“, so Vogel. Das Ganze müsse entbürokratisiert werden – auch bei Quoten. „Beide Systeme müssen im Zusammenhang gesehen werden. Ich gehe davon aus, dass wir in den weiteren Gesprächen zueinander kommen werden.“

Auch bei der Kostenübernahme nach drei Monaten sieht der CDU-Politiker aus Arnsberg Handlungsbedarf. „Die finanziellen Anreize dürfen nicht zu Fehlsteuerungen führen oder zum Nichtstun bei denen, die dafür verantwortlich sind“, schreibt der Regierungspräsident der Landesregierung ins Stammbuch. Wohl wissend, dass diese ihm übergeordnet ist und dass es unterschiedliche und komplexe Interessenlagen gibt. 

Allerdings war Vogel lange Jahre Bürgermeister in Arnsberg, bevor er in den Chefsessel der Bezirksregierung wechselte. Daher sind ihm die Sorgen und Nöte der Kommunen nur zu gut bekannt. Und weiteres Wasser auf die Mühlen der Neonazis und Rechtspopulisten möchte er – ebenso wie Sierau – bei den Kosten für Geflüchtete verhindern. Daher müsse ein Kurswechsel her. „So ist das nur ein Fördermodell für Populismus, und das können wir bei der Frage nicht gebrauchen“, so Sierau. 

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