„Man nehme…“: Eine Erinnerung an die berühmte Kochbuch-Autorin Henriette Davidis zu ihrem 145. Todestag

Eine Blume in einem Kochtopf als Grabschmuck für das Grab von Henriette Davidis auf dem Ostfriedhof. Fotos: Stadt Dortmund
Eine Blume in einem Kochtopf als Grabschmuck für das Grab von Henriette Davidis auf dem Ostfriedhof.

Vor 145 Jahren – am 3. April 1876 –  starb in Dortmund die berühmte Kochbuch-Autorin Henriette Davidis. Ihr „Praktisches Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche“ fehlte im 19. und 20. Jahrhundert in kaum einem Haushalt: Nach seiner Erstausgabe im Jahre 1845 entwickelte es sich innerhalb kürzester Zeit zu einem Verkaufsschlager und Henriette Davidis avancierte einer der bekanntesten Kochbuchautorinnen ihrer Zeit. Dabei enthielt es weit mehr als nur Koch- und Backrezepte: Es galt als eines der bedeutendsten Bildungs- und Lehrbücher für die Haushaltsführung im Geiste des Biedermeier und erschien in mehreren Sprachen sowie in anderen europäischen Ländern und den USA.

Pfarrerstochter aus Wetter-Wengern verbrachte ihre beiden letzten Jahrzehnte in Dortmund

Henriette Davidis (ca. 1860)
Henriette Davidis (ca. 1860)

Johanna Friederika Henriette Katharina Davidis wurde am 1. März 1801, vor 220 Jahren, als Pfarrerstochter in Wetter-Wengern geboren. Sie verbrachte ihre beiden letzten Jahrzehnte in Dortmund, wo sie unter anderem in der Kaiserstraße wohnte, und liegt nun auf dem Ostfriedhof in Dortmund begraben. Ihr Grab findet sich direkt gegenüber des Eingangs zur Robert-Koch-Straße und ist gut zu erkennen – dank eines darauf befindlichen Emaille-Kochtopfs, der regelmäßig liebevoll bepflanzt wird.

In der Historischen Bibliothek des Deutschen Kochbuchmuseums finden sich neben Davidis-Werken wie „Der Gemüsegarten“ , „Puppenköchin Anna“ oder „Die Hausfrau“ auch wertvolle Ausgaben ihres „Praktischen Kochbuchs“, das auch nach Henriette Davidis‘ Tod fast ein ganzes Jahrhundert lang immer wieder neu aufgelegt und von verschiedenen Personen herausgegeben wurde – es erscheint in Variationen bis heute. Dabei veränderte sich auch der Inhalt: Rezepte wurden entfernt oder hinzugefügt, Empfehlungen zu Garzeiten wandelten sich, Zutaten wurden überdacht und ersetzt. Eines blieb jedoch gleich: Es enthielt Handlungsanweisungen zum Führen eines Haushalts.

„Schlägt man Henriette Davidis‘ Kochbuch heute auf, erscheinen die vielen Erklärungen über Essgeschirr, zur Reinigung der Küchengeräte oder gar ,Allgemeine Winke für Gesellschaften und Feste‘ befremdlich. Im Vergleich mit aktuellen Kochbüchern zeigt sich, wie sehr sich Wissenstraditionen verändert haben – vor allem aber das  Frauenbild“, sagt MKK-Mitarbeiterin Corinna Schirmer, die aktuell in ein Forschungsprojekt mit dem Kochbuchmuseum eingebunden ist.

Ihr Manuskript „Erinnerungen an mein Leben und Wirken“ blieb unveröffentlicht und verschollen

Henriette Davidis‘ Erziehungsprogramm für junge Mädchen und Frauen zielte darauf ab, „dem Hause würdig vorzustehen, dasselbe nach Möglichkeit zum angenehmsten Aufenthalt des Mannes zu machen, nur ihm gefallen zu wollen, auf alle seine Wünsche, insofern sie zum wahren häuslichen Glücke dienen, die größte Rücksicht zu nehmen, möglichst zu vermeiden suchen, was Sorgen nach sich ziehen könnte, nie zu vergessen, daß der Mann der Versorger der Familie ist – das sei und bleibe die schönste Aufgabe des weiblichen Berufs“. (In: Die Hausfrau, 1861).

Foto ihres „Praktischen Kochbuchs“ aus dem Bestand des Kochbuchmuseums. Fotos: Stadt Dortmund
Foto ihres „Praktischen Kochbuchs“ aus dem Bestand des Kochbuchmuseums. Fotos (2): Stadt Dortmund

Neben einem anderen Blick auf das patriarchalischer Männerdominanz verpflichtete Frauenbild können vermutlich viele Leser*innen heute auch nicht mehr viel mit einigen Rezepten der Davidis anfangen. Aus einem Kalbskopf-Rezept:

„Man wässert den ganz frischen Kopf von einem …Kalbe, putzt ihn rein, schneidet die Oberlefzen, Ohren und Augen aus, bricht die unteren Kinnbacken ab, nimmt die Zunge heraus, … wäscht den Kopf, spaltet ihn und bindet ihn wieder fest zusammen. … (Nach dem Kochen) legt man ihn auf eine Schüssel, löst den Bindfaden ab, biegt den Kopf auseinander, legt auf das Gehirn geriebenes, in Butter braun gebratenes Weißbrot, die gespaltene Zunge zu beiden Seiten, und gibt etwas von der dazu gehörigen holländischen Sauce darüber.“

Davidis selbst blieb zeitlebens unverheiratet und ernährte sich kraft eigener Arbeit, war allerdings zwei Mal verlobt. Sie besuchte zunächst eine Schule für höhere Töchter und arbeitete später unter anderem im Haushalt einer ihrer Schwestern in Bommern. 1841 wurde sie Leiterin an der Mädchenarbeitsschule in Sprockhövel, vier Jahre später erschien ihr „Praktisches Kochbuch“. Sie erhielt 450 Taler als (geringe) Bezahlung und verlor die Rechte an dem Werk, auch für die Überarbeitung späterer Ausgaben erhielt sie nur geringe Honorare. Zur 20. Auflage setzte sie sich mit ihren Forderungen durch und bekam 1.000 Taler als Bezahlung für die Überarbeitung.

Nach dem Ende ihrer Zeit als Lehrerin in der Mädchenarbeitsschule arbeitete Henriette Davidis u.a. in Bremen als Erzieherin und Gouvernante. Sie veröffentliche viele weitere Bücher, darunter „Der Gemüsegarten“ (1850), „Puppenköchin Anna“ (1856), oder „Die Jungfrau. Worte des Rats zur Vorbereitung für ihren Beruf“ (1857) oder im Jahr 1861 „Die Hausfrau. Prakt. Anleitung zur selbstständigen und sparsamen Führung des Haushalts“. Unveröffentlicht und verschollen blieb ihr Manuskript „Erinnerungen an mein Leben und Wirken“.

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