Hiroshima-Tag in Dortmund: erinnerndes Gedenken – und Forderung nach striktem Verbot aller Atomwaffen weltweit

Die Botschaft ist klar und geht einher mit der Forderung nach Verbot aller Atomwaffen. Fotos (5): Marvin Finger

Vor 74 Jahren warf die US-Luftwaffe eine Atombombe auf die japanische Stadt Hiroshima. Das erste Mal in der Geschichte der Menschheit überhaupt, dass eine solch schreckliche Waffe auf bewohntes Gebiet abgeworfen wurde. Es war der 6. August 1945, morgens um 8.15 Uhr. – An diesem Tag starben in Hiroshima 140.000 Menschen. Noch heute sterben dort Menschen an den Spätfolgen nuklearer Verstrahlung. IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs – Ärzte in sozialer Verantwortung) und die Deutsch-Japanische Gesellschaft der Auslandsgesellschaft luden am 6. August zu einem Mahngang ein. Dieser führte am Platz von Hiroshima und führte zum Ginkgobaum am Dortmunder Rathaus. Es wurde der Opfer des Atombombenabwurfs mit einer Schweigeminute gedacht, auf die gegenwärtigen Gefahren hingewiesen und gefordert, den Vertrag zum Verbot von Atomwaffen zu unterschreiben.

Leo Lebendigs Papierkranich möchte Frieden und Glück bringen und die Liebe befördern

Die TeilnehmerInnen des diesjährigen Mahnganges hatten sich auf dem Platz von Hiroshima eingefunden. Unmittelbar dort, wo Anselm Treeses Kunstwerk „Mutter von Hiroshima“ steht.

Dort war auch der pupurfarbene Papierkranich des Dortmunder Künstlers Leo Lebendig „gelandet“. Wie er sagte, um Frieden und Glück zu bringen sowie Liebe zu befördern. Der Kranich ist das japanische Symbol des Glücks und Zeichen der Friedensbewegung.

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Dr. Inge Zeller (IPPNW) sagte in ihrer kurzen Rede, die Opfer der Atombombenabwürfe (von Hiroshima und am 9. August 1945 auf Nagasaki) mahnten uns auch nach 74 Jahren, „für eine Welt ohne Atomwaffen einzutreten.“ Sie gab zu bedenken:

„Doch noch immer gibt es weltweit rund 15.000 Atomwaffen, von denen etwa 1.800 in ständiger Alarmbereitschaft gehalten werden und der Menschheit innerhalb weniger Minuten ein Ende bereiten könnten. Die Schicksale der Menschen von Hiroshima und Nagasaki mahnen uns, wie wichtig das Engagement für eine atomwaffenfreie Welt ist.“

Dr. Inge Zeller bedauert, dass Deutschland bislang ICAN-Vertrag nicht unterzeichnet hat –  Lob für Dortmund

Dies verdeutlichten auch die aktuellen Spannungen zwischen den Atommächten. Der INF-Vertrag zwischen den USA und Russland sei gescheitert. Die Kriegsgefahr zwischen Pakistan und Indien weiterhin sehr hoch. Dazu käme, dass „alle Atommächte ihre Arsenale des Schreckens qualitativ aufrüsten“.

Dr. Inge Zeller. Foto (4): Claus Stille

„Grund zu Hoffnung“, so Dr. Zeller, „weckt der im Juli 2017 verabschiedete Vertrag ICAN“, der inzwischen von 70 Staaten unterzeichnet und von zirka 30 Staaten ratifiziert worden sei. Neunzig Tage nach Ratifizierung seitens des 50. Staates würde der Vertrag in Kraft treten und eine völkerrechtliche Lücke schließen, um diese Massenvernichtungswaffen zu verbieten.

Sie bedauerte, dass Deutschland den ICAN-Vertrag (Vertrag zum Verbot von Atomwaffen, verabschiedet 2017 bei der UNO, organisiert von der Internationalen Kampagne ICAN, die im gleichen Jahr den Friedensnobelpreis dafür erhielt) bislang nicht unterzeichnet hat. Obwohl eine große Mehrheit der Bundesbürger dafür ist. Inge Zeller informierte darüber, dass unterdessen mehrere internationale und deutsche Städte, darunter Dortmund, den ICAN-Städteappell unterzeichnet hätten, womit ein Zeichen für die Forderung nach atomarer Abrüstung gesetzt worden sei.

Vortrag des Gedichts „Hiroshima“, Schweigeminute und Halt an der Gedenkstätte am Ginkgobaum

Nachdem das Gedicht „Hiroshima“ (1951) von Marie Luise Kaschnitz verlesen worden war, legten die Versammelten eine Schweigeminute ein. Dann begannen sich die zum Mahngang erschienenen Menschen mit ihren Transparenten und Schildern – der pupurne Kranich von Leo Lebendig „schwebte“ mit ihnen – in Bewegung zu setzen.

(v.l.:) Dr. Inge Zeller, Johannes Koepchen, Dr. Rolf Schulz und Heinz-Peter Schmidt

Sie überquerten den Hansaplatz und passierten Friedenssäule und Rathaus, um dann an der Gedenkstätte am Ginkgobaum einen Halt einzulegen.

Heinz-Peter Schmidt (IPPNW) erinnerte daran, dass der japanische Arzt Dr. Shuntaro Hida bei einem Besuch in Dortmund den inzwischen prächtig gediehenen Ginkgobaum der Stadt damals geschenkt habe. Zusammen mit dem damaligen Oberbürgermeister Günter Samtlebe habe Schmidt diesen Baum seinerzeit eingepflanzt.

Dr. Hida (im Alter von 100 Jahren 2017 gestorben) war ein Hibakusha (Überlebender des US-Atombombenabwurfes auf Hiroshima). Zeitlebens und unermüdlich habe sich Dr. Hida für die Hibakusha und ein weltweites Atomwaffenverbot eingesetzt, sagte Heinz-Peter Schmidt. Der Ginkgobaum gilt als Symbol des Überlebens nach dem Atombombenabwurf.

Die Flagge der „Mayors for Peace“ wehte an diesem Hiroshima-Tag am Dortmunder Rathaus

Am Dortmunder Rathaus war am Hiroshima-Tag die Flagge der „Mayors for Peace“ (Bürgermeister für den Frieden) gehisst, womit ein verpflichtendes Eintreten dieser Bürgermeister gegen Atomwaffen verbunden ist. Dortmund ist bereits seit einigen Jahren als eine der ersten Städte dieser Initiative beigetreten.

Machte den Zusammenhang zwischen Atomwaffen und Atomindustrie deutlich: Johannes Koepchen

Vor dem Eingangsportal des Rathauses sprach Johannes Koepchen (IPPNW) über die Entstehung des INF-Vertrages – unterschrieben am 8. Dezember 1987 durch den sowjetischen Generalsekretär der KPdSU, Michael Gorbatschow, und US-Präsident Ronald Reagan – , der Mittelstreckenraketen in Europa verboten hatte und nun am 1. August dieses Jahres – zunächst von den USA, dann auch von Russland gekündigt – ausgelaufen ist.

Als brisant schätzte Koepchen ein, dass in Büchel in der Eifel nach wie vor etwa 20 US-Atomwaffen stationiert sind. Koeppchen: „Deutschland hat Zugang zu Atomwaffen über die „Nukleare Teilhabe“. Heißt nichts anderes als: Deutschland kann im Rahmen der „Nuklearen Teilhabe“ der NATO in die Bredouille kommen, die US-Atomwaffen mit Flugzeugen der deutschen Luftwaffe auszutragen.

Johannes Koepchen mahnt: „Ohne Atomindustrie sind keine Atomwaffen möglich“

Kritisch findet Johannes Koepchen: „Außenminister Maas erklärt zwar, er wolle auch eine atomwaffenfreie Welt – aber die Atomwaffen in Büchel dürfen bleiben und der Verbotsantrag der Atomwaffen wird von der Bundesregierung boykottiert.“

Und Koepchen rief in Erinnerung: „Weil die Lage so brisant ist und weil die große Mehrheit der Menschen keine Atomwaffen will, hat auch der Stadtrat in Dortmund im März mit großer Mehrheit eine Resolution verabschiedet, die diesen Verbotsantrag unterstützt und die Bundesregierung aufgefordert, sich mit ihm zu befassen.“

Unmissverständlich machte Koepchen deutlich, dass Atomindustrie und Atomwaffen zusammen gehörten: „Ohne Atomindustrie sind keine Atomwaffen möglich – das ist auch ein Grund, warum so viele Staaten an den Atomreaktoren festhalten“.

Äußerst bewegender Film im Rathaussaal „Westfalia“: „ Als die Sonne vom Himmel fiel“

Im Saal Westfalia des Dortmunder Rathauses wurde der äußerst bewegende Film „Als die Sonne vom Himmel fiel“ (Schweiz) von Aya Domenig vorgeführt.

Zum Film: Auf den Spuren ihres verstorbenen Großvaters, der nach dem Abwurf der Atombombe 1945 als junger Arzt im Rotkreuzspital von Hiroshima gearbeitet hat, begegnet die Regisseurin einem ehemaligen Arzt und einer Krankenschwester, die Ähnliches erlebt haben wie er.

Zeit seines Lebens hat ihr Großvater nie über seine Erfahrungen gesprochen, doch durch die große Offenheit ihrer Protagonisten kommt sie ihm näher. Als sich am 11. März 2011 in Fukushima eine neue Atomkatastrophe ereignet, nimmt ihre Suche eine neue Wendung. Übrigens kommt im Film auch Dr. Shuntaro Hida vor, welcher Dortmund den Ginkgobaum geschenkt hatte.

Yoko Schlütermann skandalisiert anvisierte Wettkämpfe bei Olympiade 2020 in der Präfektur Fukushima

Die Vorsitzende der Deutsch-Japanischen Gesellschaft der Auslandsgesellschaft, Yoko Schlütermann, sprach davon, dass der Bürgermeister von Hiroshima sich bei der diesjährigen Zeremonie am Hiroshima-Tag von der japanischen Regierung wünschte, dass sie den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichne und ratifiziere.

Doch der japanische Premier Shinzo Abe habe lediglich zugesichert, über die Folgen der Atombombenabwürfe zu informieren und als Brücke zwischen Atommächten und Nichtatommächten vermittelnd dienen zu wollen. Über den Atomwaffenverbotsvertrag, so Yoko Schlütermann, habe er indes kein Wort verloren.

Äußerst bedenklich findet sie, dass die japanische Regierung, die den Zuschlag für die Austragung der Olympischen Spiele 2020 (24. Juli bis zum 9. August) in Tokio bekommen hat, diese Spiele als „Wiederaufbauolympiade“ deklariert habe. Einen Teil der Wettkämpfe sollen nämlich sogar in der Präfektur Fukushima – also dort, wo der AKW-Unfall geschah! – stattfinden.

Der Welt werde vorgetäuscht, dass das Fukushima-Desaster bereits unter Kontrolle sei

Vor diesem Hintergrund werde die Deutsch-Japanische Gesellschaft eine zweitägige Konferenz (14. und 15. September 2019) mit dem Thema „Für eine Olympiade in Tokio, die die Gefahren von Fukushima nicht verschweigt“ veranstalten.

Unter anderen wird daran als Referent auch Eiichi Kido (Professor für Politik, Universität Osaka/Bochum) teilnehmen, der zur Veranstaltung am 6. August im Rathaus anwesend war.

Zu einem wahren Höhepunkt gestaltete sich der Auftritt der Trommler-Gruppe „Senryoko“ mit ihrer Taiko-Darbietung vorm Dortmunder Rathaus.

 

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Reaktionen

  1. Dorian Marius Vornweg

    Es ist jedes Mal aufs Neue faszinierend zu beobachten, wie es in der Erinnerungspraxis um Hiroshima und Nagasaki den Akteur*innen gelingt, den Kontext des Bombenabwurfes möglichst umfassend auszuklammern. Nicht, dass es falsch wäre an diese Demonstrationen menschengemachter (Selbst-)Zerstörungskraft zu erinnern und ihrer Opfer zu gedenken. Um ein Vielfaches glaubwürdiger wäre diese Erinnerung jedoch, wenn nicht ausgeblendet würde, dass zuvor Millionen von Menschen in Asien Opfer des japanischen Herrschaftswillen geworden sind und noch viele weitere Millionen darunter erheblich zu leiden hatten – bereits eine kurze Internetsuche mit den Schlagworten „Kriegsverbrechen Japan“ fördert abscheuliches zu Tage. In der Erinnerung an Hiroshima und Nagasaki findet aber anscheinend Platz, was in der Erinnerung an die (konventionelle) Bombardierung deutscher Großstädte während des Zweiten Weltkriegs lediglich dem rechten Rand überlassen bleibt: Das Märchen von den unschuldigen Städten mit ihren unschuldigen Einwohnern, ihren unschuldigen Infrastruktureinrichtungen und unschuldigen Rüstungsfabriken etc. pp. Über den Irrwitz die nukleare Teilhabe der NATO-Staaten anzuprangern, während im rund 1200 km entfernten Kaliningrad ein russischer Autokrat nicht nur die eigene Bevölkerung verprügeln, sondern auch neue, moderne Mittelstreckenraketen stationieren lässt – eben jener Autokrat, der bereits mehrfach unter Beweis gestellt hat, die territoriale Integrität souveräner Staaten nicht sonderlich zu achten und kaum einen Tag vergehen lässt, seine unmittelbare und weitere Nachbarschaft daran zu erinnern, dass sein Militär über Flugzeuge und Schiffe verfügt, mit denen sich ganz wunderbar die Hoheitsrechte anderer verletzen lassen – ließe sich ebenfalls noch das eine oder andere Wort verlieren.

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