Die ersten historischen Grabplatten wurden in die Georgskirche versetzt

Förderverein rettet bedeutende Aplerbecker Geschichtszeugnisse vor dem Verfall

Transport der großen Grabplatte um Turm der Georgskirche
Aufwändige Arbeiten: Transport der großen Grabplatte um den Turm der Georgskirche in Aplerbeck. Foto: Klaus Winter für Nordstadtblogger.de

Von Klaus Winter

Seit mehr als 150 Jahren gibt es zwei evangelische Kirchen in Aplerbeck. Die „neue Kirche“ wurde an der Märtmannstraße (heutiger Name) gebaut und 1869 geweiht. Mit der Weihe wurde gleichzeitig die „alte Kirche“, die Georgskirche, außer Funktion gesetzt und verfiel in den folgenden Jahren und Jahrzehnten zur Ruine. So wurde sie zur Namensgeberin für die Ruinenstraße.

Zwiespältiges Verhältnis: Die alte Kirche wurde geschlossen und nicht mehr beachtet

Innenansicht der Georgskirche, 1895 (Ludorff: Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Hörde)
Innenansicht der Georgskirche, 1895 (Ludorff: Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Hörde) Repro: Klaus Winter

Die Verlegung der Gottesdienste in die neue Kirche war ein ziemlich radikaler Bruch mit dem altehrwürdigen Vorgängerbau. Denn die Georgskirche wurde von heute auf morgen nicht mehr genutzt.

Als man sie verließ, wurde sie nicht einmal komplett ausgeräumt. Ein Foto aus dem Jahre 1895 zeigt, dass sich mehr als 25 Jahre nach dem letzten Gottesdienst noch immer Sitzbänke und anderes Mobiliar in ihrem Innern befanden.

Das Interesse der Verantwortlichen an der Georgskirche war zwiespältig. Einerseits hatte man sich geweigert, sie der im Entstehen begriffenen katholischen Kirchengemeinde von Aplerbeck zur Verfügung zu stellen, obwohl man sie selbst nicht mehr benötigte.

Andererseits konnte man sich kaum dazu überreden, finanzielle Mittel für ihren Erhalt aufzuwenden. Immerhin war man damit einverstanden, dass Taufbecken und Triumphkreuz an das Dortmunder Kunst- und Gewerbemuseum abgegeben wurden.

Die Ruine der Georgskirche um 1900; links unten sind die Ränder liegender Grabplatte zu erkennen (Slg. Klaus Winter)
Die Ruine der Georgskirche um 1900; links unten sind die Ränder liegender Grabplatten zu erkennen. Foto: Sammlung Klaus Winter

Grabplatten bedeckten den Fußboden der Kirche

Im Inneren der Georgskirche waren im Laufe der Jahrhunderte Angehörige des im Kirchspiel Aplerbeck ansässigen Adels und der Priesterschaft bestattet worden. Der Fußboden der Georgskirche war deshalb in weiten Teilen von Grabplatten bedeckt.

Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurden die Grabplatten aus der Kirche geholt. So ist auf einem kurz nach 1900 entstandenen Ansichtskarten-Motiv eine an den Turm angelehnte Grabplatte erkennbar.

Die Zahl der einst vorhandenen gewesenen Grabplatten ist unbekannt

Mitte der 1930er Jahre standen viele Grabplatten an der Außenmauer der Kirche (Slg. Klaus Winter)
Mitte der 1930er Jahre standen viele Grabplatten an der Außenmauer der Kirche. Foto: Sammlung Klaus Winter

Die Verlagerung der Grabplatten aus der Kirche ins Freie wurde seinerzeit nicht dokumentiert. Weder im Pfarrarchiv noch im Landeskirchlichen Archiv in Bielefeld finden sich Unterlagen zu diesem Vorgang.

Deshalb ist auch nicht bekannt, wie viele Grabplatten tatsächlich einst den Kirchenboden bedeckten. Heute befinden sich noch 18 unterschiedlich große Platten an der Kirche. Tatsächlich müssen es mehr gewesen sein.

Eduard Arens, der sein Inventar der Grabplatten und Grabsteine an der Georgskirche 1934 in den „Beiträgen zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark“ veröffentlichte, berichtete von der Zerstörung und dem Fortschleppen „vieler“ Platten Ende der 1920er Jahre.

Arens wusste, dass die Grabplatte des Geistlichen Gerhard Winkelmann, gestorben 1581, als Treppenstufe vor dem Haupteingang der bekannten Wirtschaft Westermann am Aplerbecker Marktplatz wiederverwendet wurde.

Witterungseinflüsse schädigten die Grabplatten nachhaltig – Förderverein zog die Reißleine

Der erste Schritt war die Reinigung der Grabplatten
Der erste Schritt war die Reinigung der Grabplatten. Foto: Klaus Winter für Nordstadtblogger.de

Als die Kirchen-Ruine in der zweiten Hälfte der 1920er Jahren in ein Gemeindehaus umgebaut wurde, stellte man die verbliebenen Grabplatten außen an den Kirchenmauern auf Betonsockel. Mehr als 90 Jahre waren sie dort Wind und Wetter und anderen Einflüssen ausgesetzt.

Diese Ära haben die meisten Grabplatten nicht unbeschadet überstanden. Die Witterungseinflüsse haben ihre Substanz angegriffen, Wappendarstellungen sind reihenweise unkenntlich geworden, ganze Schriftpassagen nicht mehr lesbar.

Nun hat der „Förderverein Große Kirche und Georgskirche Aplerbeck e. V.“ die Reißleine gezogen. Um den weiteren Verfall zu bremsen, sollen die Grabplatten jetzt in mehreren Schritten in das Kircheninnere geholt werden.

Fachleute aus Ascheberg setzten die Platten um

Vereinte Kräfte bringen eine Grabplatte in Position
Vereinte Kräfte bringen eine Grabplatte in Position. Foto: Klaus Winter für Nordstadtblogger.de

Als erstes fiel die Wahl auf fünf Grabplatten, die im März des Jahres gereinigt und konservatorisch behandelt wurden. Danach blieben sie eingehüllt zunächst an ihrem Platz.

Jetzt wurden die Umsetzungsarbeiten durchgeführt. Trotz des Einsatzes vieler technischer Hilfsmittel war das für die drei Fachleute der Firma Dr. Hellbrügge, Restaurator und Kunsthistoriker, und des Bildhauers und Steinmetzes Schlüter, beide Ascheberg, kein leichtes Unterfangen.

Ideenreichtum und Erfahrung waren ebenso gefragt wie Muskelkraft. Aber das Unternehmen ist erfolgreich verlaufen. Auf Edelstahlprofile gesetzt und fest in der Wand verankert können die fünf umgesetzten Grabplatten nun geschützter in die Zukunft blicken.

Den Blicken der Öffentlichkeit sind sie nun nicht entzogen. Die Georgskirche in Aplerbeck ist eine offene Kirche mit täglichen Öffnungszeiten zwischen Ostern und Erntedank.

Erinnerung an die Bauherren von Haus Rodenberg

Grabplatte der Eheleute von Voss /von Bodelschingh (1691 /1711)
Grabplatte der Eheleute von Voss /von Bodelschwingh (1691 /1711) Foto: Klaus Winter für Nordstadtblogger.de

Zu den Grabplatten, die jetzt umgesetzt wurden, gehört die des Ehepaares Johann Dietrich von Voss und Sophia Wilhelmina von Bodelschwingh. Mit ca. 1,60 Meter Breite und ca. 2,20 Meter Höhe ist sie die größte der erhaltenen Grabplatten.

Die Eheleute, gestorben 1691 und 1711, haben durch ihre Bauvorhaben Aplerbeck bis heute geprägt. Denn die noch erhaltenen Gebäude des Hauses Rodenberg wurden auf ihre Initiative hin gebaut.

Rettungsaktion soll im kommenden Jahr fortgesetzt werden

Grabplatte kurz vor dem neuen Aufstellen im Kircheninneren
Grabplatte kurz vor der Neuaufstellung im Kircheninneren Foto: Klaus Winter für Nordstadtblogger.de

Weitere Grabplatten warten nun auf eine sichere Unterbringung. Die nächste Aktion soll nach Möglichkeit in einem Jahr stattfinden. Dazu müssen noch Spenden gesammelt werden.

Wollen Sie helfen, die Aplerbecker Geschichtszeugnisse vor dem Verfall zu retten? Das Spendenkonto des „Förderverein Große Kirche und Georgskirche Aplerbeck e. V.“ ist: DE26 4405 0199 0101 0211 81

 

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Reaktionen

  1. Die „Große Kirche“ in Dortmund Aplerbeck (PM)

    Sonntag | 23. Oktober 22 | 15–16.30 Uhr
    Ort: Große Kirche Aplerbeck, Märtmannstr. 13, 44287 Dortmund
    Leitung: Ulrich Wemhöhner, ehemaliger Baukirchmeister

    Aufgrund des massenhaften Zuzugs von Industriearbeitern ins Ruhrgebiet während des 19. Jahrhunderts wurden die Kirchen zu klein. Vielerorts wurden daher neue, große Kirchen errichtet. So entstand auch die sogenannte „Große Kirche“ in Dortmund Aplerbeck. Als Evangelisches Gotteshaus erhielt sie keinen weiteren eigenen Namen. Im neugotischen Stil erbaut, ähnelt sie zunächst weiteren Sakralbauten, die zeitgleich in der Region errichtet wurden. Beim näheren Hinschauen jedoch, lassen sich zahlreiche Umbauten und Änderungen erkennen. Jede Generation hat das Gebäude entsprechend der eigenen Vorstellungen und Vorlieben geprägt. Ulrich Wemhöher, der die jüngsten Restaurierungsarbeiten begleitet hat, nimmt sie mit auf eine spannende Reise durch die Geschichte der „Großen Kirche“ Aplerbeck.
    ohne Gebühr
    Anmeldung hier: http://www.bwdo.de

  2. Führung: Die Ev. Kirche St. Georg zu Aplerbeck – von der romanischen Basilika zur Ruine und ihre Wiederbelebung seit den 1960er Jahren (PM)

    Die Ev. Kirche St. Georg zu Aplerbeck gehört zu den ältesten Kirchen in Dortmund. Als romanische Kreuzbasilika stellt sie eine architektonische Besonderheit dar. Zugleich hat die Kirche eine höchst wechselvolle Geschichte hinter sich. Im 19. Jahrhundert verfiel sie zur Ruine. Erst in den 1960er Jahren begann man, die Kirche wieder zu erneuern und als Kirche zu nutzen. Ulrich Wemhöhner, der die Sanierung der Kirche seit vielen Jahren begleitet und daher jeden Winkel kennt, nimmt Sie mit auf eine spannende Reise in die Geschichte dieses besonderen Bauwerks und seiner Nutzung.

    Sonntag, 29. Oktober 23, 15-16.30 Uhr
    Ort: Ev. Kirche St. Georg zu Aplerbeck, Ruinenstraße 37, 44287 Dortmund
    Leitung: Ulrich Wemhöhner (ehem. Baukirchmeister)
    Gebühr: gebührenfrei
    Anmeldung: http://www.bwdo.de ; bildungswerk@ekkdo.de

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