Erste „ZeroCovid“-Demo: Initative setzt sich jetzt auch in Dortmund für einen solidarischen Shutdown ein

Mit Abstand und Maske trug „ZeroCovid“ den Protest auf die Straße. Foto: Karsten Wickern

Lange Zeit gab es in Dortmund überwiegend „Querdenken“-Demos auf den Straßen und alle, die für Corona-Maßnahmen waren, blieben Zuhause. Doch mit der Initiative „ZeroCovid Dortmund“ ändert sich das. Sie fordert unter anderem die kurzfristige und weitgehende Stilllegung aller nicht dringend erforderlichen Wirtschaftsbetriebe, um die Inzidenz gegen Null zu senken. Mit einer Kundgebung und einer Fahrraddemo machten sie an Ostersamstag (3. April 2021) auf ihre Forderungen aufmerksam.

Solidarität gefordert: Krisengewinner*innen sollen Krisenverlierer*innen unterstützen

Lockerungen der Corona-Maßnahmen wünschen sich viele, doch wie soll das realisiert werden, wenn dafür viele Menschen sterben? „ZeroCovid“ meint, eine Lösung gefunden zu haben, die eine Perspektive zur allmählichen Rückkehr in den Alltag schafft. Sie fordern einen harten – aber zugleich solidarischen – europäischen Shutdown, der nicht nur Menschen privat trifft, sondern nahezu alle Wirtschaftsbetriebe. So sollen die Fallzahlen auf null sinken und die Aufhebung von Maßnahmen möglich werden.

Der solidarische Shutdown soll auch die Wirtschaft weitestgehend betreffen. Fotos (2): Leopold Achilles

Die „ZeroCovid“-Strategie wurde im Januar in Großbritannien ins Leben gerufen. Kurze Zeit später gründete sich auch ein deutscher Ableger. Seitdem wird diskutiert, ob die Strategie umsetzbar ist. Kritiker*innen argumentieren oft, dass Europa keine Insel sei. Befürworter*innen sehen die Lösung zum Beispiel in Test und Quarantäne für Einreisende.

Eine Petition, die den solidarischen europäischen Shutdown fordert, hat bislang über 100.000 Unterschriften gesammelt (Link am Ende des Artikels). Und nun ist die Initiative also auch in Dortmund vertreten.

Rund 100 Menschen kamen am Ostersamstag in die Dortmunder Innenstadt, um für die Forderungen zu demonstrieren. Ihr wichtigstes Anliegen dabei: Dieser Shutdown soll solidarisch sein. Menschen, die durch die Corona-Krise Probleme bekommen, sollen unterstützt werden.

Dafür sollen bestehenden Hilfsprogramme ausgeweitet und neue, für die von Arbeitsplatzverlust und Kurzarbeit betroffenen Menschen aufgelegt werden. Um das zu finanzieren, fordert die Initiative einen Corona-Solidaritätsbeitrag. Krisengewinner*innen und und besonders hohe Einzelvermögen sollen so Krisenverlierer*innen unterstützen.

„Es ist wirklich die Hölle für viele Menschen“: Viele Menschen ohne Einkommen und Unterstützung

„Mensch vor Profit“ forderten auch die Redner*innen. Fotos (3): Leopold Achilles

Wie viele schon jetzt unter dem seit über einem Jahr anhaltenden On-off-on-Lockdown leiden, wurde auf der Kundgebung in Reden thematisiert. So schilderte eine Sprecherin der Initiative „Face2Face“, wie schwierig die Lage für Wohnungslose ist. Die bisherigen Hilfsangebote sein nicht ausreichend. Im ersten Lockdown gab es wochenlang keine Möglichkeit für die Menschen, sich zu waschen, erinnert sie. Eine Förderung, unter anderem: „Öffnet die Hotels!“. Und das solle nicht nur im kleinen Rahmen und spendenbasiert passieren.

„Überall wo man hinhört, hört man nur Zahlen. Da frage ich mich, wo sind die Menschen, um die es geht“ kritisiert ein Sprecher der „Black Community Foundation Dortmund“. Er kenne viele Menschen, für die „die Situation die Hölle“ sei: „Da sind Menschen in den Communities, die nicht wissen, wie sie ihre Kinder am nächsten Tag ernähren sollen“, sagt er. Ein Problem seien auch die vielen, die ihre Jobs verloren, aber keinen Anspruch auf staatliche Unterstützung hätten. So hätten Studierende aus dem Ausland keine Möglichkeit, BAföG zu bekommen. Ein Problem, wenn Jobs – zum Beispiel in der Gatsronomie – weggefallen sind.

Zwei weitere Redebeiträge wurden stellvertretend vorgelesen für die Verfasser*innen, die anonym bleiben wollten. Der erste war von einer Lehrkraft, die für die Corona-Umsetzung in ihrer Schule zuständig ist. Sie kritisiert unter anderem die Kommunikation mit Stadt und Land. Teilweise kämen schon Nachfragen von Eltern, die etwas aus der Presse erfuhreb, bevor überhaupt die Dienstanweisungen angekommen seien. Außerdem gäbe es Probleme mit Familien, die die Corona-Maßnahmen ablehnten und ihre Kinder mit Attesten in die Schule schickten. Die Situation in den Schulen sei schwierig und „der stetige Wechsel der Reglungen und dass sie uns kurzfristig mitgeteilt werden, trägt nicht zur Verbesserung bei“, sagt sie.

Fahrraddemo: Mit Abstand und Maske statt ohne Maske und Desinformation

Auf Fahrrädern ging es als Demozug durch die Innenstadt.

Der Bericht einer Person, die auf einer Corona-Intensivstation arbeitet, beschreibt die Arbeit dort und die Heilungsversuche von Corona-Patent*innen, aber auch die psychischen Belastungen, Menschen nicht retten zu können.

Nicht die Flut der Patient*innen sei das große Problem für sie, sondern vor allem auch, wie viele von ihnen sterben würden. „Und dann gehst du aus der Tür und hörst, dass in Berlin tausende Menschen diese Erkrankung leugnen“, bedauert sie.

Im Anschluss an die Redebeiträge war eine Fahrraddemo geplant. Dessen Start verzögerte sich allerdings, weil der Polizei kurz vor Start auffiel, dass die Lautsprecher auf dem Wagen nicht ausreichend gesichert seien. Es folgte eine halbe Stunde Umbaupause, die bei der Demo-Organisator*innen für Unmut sorgte. Das hätte die Polizei auch schon während der Kundgebung sagen können, kritisierten sie.

Ähnlich hatte die Polizei allerdings auch bei Autokorsos von „Querdenken“ gehandelt. Auch dort mussten spontan Aufbauten abgebaut werden. Nach der Zwangspause ging es dann aber mit den Fahrrädern auf die Straße. Die Strecke um den Wall und auf der Ruhrallee ähnelte der des „Querdenken“-Autokorsos – passend für eine Initiative, die viele als Gegenbewegung zu den „Corona-Relativierer*innen“ sehen. 

Für den 10. April plant „ZeroCovid“ bundesweit eine Onlinedemo und lokale Kundgebungen. Für Dortmund wird allerdings noch keine lokale Aktion beworben.

Link zur Petition: https://weact.campact.de/petitions/zerocovid-fur-einen-solidarischen-europaischen-shutdown

 

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Reaktionen

  1. E.B.

    Würden dann erneut Kitas und Schulen 2 Monate komplett dicht gemacht?
    Kitakinder zeigen Entwicklungsrückschritte. Kinder und Jugendliche haben bereits psychische und körperliche massnahmenbedingte Schäden erlitten (u.a. laut des Chefarztes der Kinderklinik in Dortmund). Essstörungen, Depressionen, Mediensucht u.a. bei Kindern (!!)
    Welche Konzepte für den Kinderschutz hat ZeroCovid entwickelt?
    Ich habe den Eindruck, Kinder und Jugendliche zahlen mit ihrer Gesundheit für Lockdowns und das wird toleriert. Mich erschreckt das.

  2. Karl Radek

    ZeroCovid ist der einzige politische strategische Vorschlag, der die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im Zentrum ihrer Überlegungen hat.

    1. Hätte man in einer der Runden des Versagens seitens der Politik zum Beispiel im August/September 2020 oder Anfang Januar auf die ZeroCovid Strategie gesetzt, wäre der inzwischen über 4 Monate andauernde und für Kinder und Jugendliche sehr belastende Jo-JO-Lockdown der Freizeit-Welt längst beendet und Schulen, Kitas und Freizeiteinrichtungen wären längst wieder mit einer konsequenten Test und Kontaktnachverfolgung offen.

    2. Ohne ZeroCovid endet das Schuljahr 2021/2022 wieder im Chaos. Auch 2022 wird es keine Impfungen für Kinder und Jugendliche geben, die Infektionszahlen werden wieder gegen Herbst 2021 gerade unter Kinder und Jugendlichen anziehen. Die Politik ist nicht ehrlich, wenn sie ihr Ziel einer mittel bis langfristigen „Durchseuchung“ von Kindern und Jugendlichen nicht klar kommuniziert. Sie tut dies nicht, weil sich sehr unbequeme Fragen anschließen würden: a. Welche langfristigen potentiellen Risiken bzw. Schäden (Long-Covid) sind bei Kinder und Jugendlichen mit einer Durchseuchungsstrategie verbunden. Insbesondere scheinen auch psychische Schäden darunter zu fallen. b. Wie kann im kommenden Schuljahr eine „normale“ Lern-Leistungsüberprüfung stattfinden, wenn immer wieder Quarantäne und Infektionen zu Unterrichtsausfall führen werden. c. Werden Kinder und Jugendlich auch 2022 auf Freizeit und Sportmöglichkeiten verzichten müssen?

    Insofern war, ist und wird ZeroCovid die einzige politisch tragbare Strategie sein, die im Zentrum nicht den Exportanteil deutscher Automobile hat, sondern das physische und psychische Wohlbefinden der Bevölkerung.

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