Druck von der Straße – die „bodo“ im Juli 2020

250 Fahrräder für die Radwende, eine Stadtschreiberin als Rückkehrerin, der „Rektor“ einer Wildnisschule, ein Symphonieorchester nach Coronaregeln, eine Gleichstellungsbeauftragte zu Rollenmustern in der Pandemie, Corona-Bußgelder für Obdachlose, vier Positionen zu Rassismus: Das Straßenmagazin im Juli.

Die Radwende: In keiner Großstadt gibt es mehr Autos pro Kopf als in Bochum. Ein Fahrradverkehrskonzept blieb über Jahre Absichtserklärung, selbst Hauptstrecken in der Innenstadt sind für Radfahrer lebensgefährlich. Doch inzwischen entsteht Bewegung, durch Druck von der Straße.

Die Schriftstellerin, Choreografin und Regisseurin Judith Kuckart lebt in Berlin und Zürich. Im August tritt sie ihr Stipendium als erste Dortmunder Stadtschreiberin an. In der Stadt, die sie aus ihrer Kindheit und Jugend kennt, will sie „die Grenzstellen, das Niemandsland zwischen dem Neuen und dem Alten“ suchen.

Desinfektionsspender am Notenpult, stetig wechselnde Abstandsregeln für Blechbläser, Personenhöchstgrenzen auf und hinter der Bühne und die Angst, zu husten: bodo hat die Vorbereitung der Bochumer Symphoniker auf ihr erstes Konzert in Corona-Zeiten begleitet.

Im Interview spricht Maresa Feldmann, Gleichstellungsbeauftrage der Stadt Dortmund, über die Bedeutung von Sprache und die Kunst des Debattierens sowie über den Rückfall in alte Rollenmuster als Folge der Corona-Krise.

Zwischen Hattingen und der Elfringhauser Schweiz betreibt Martin Maschka eine Wildnisschule. Statt Tafel, Pausenglocke oder Noten gibt es Gelbbauchunken, Zauneidechsen und ein Loblied auf die Brennnessel.

Der Anschlag am 19. Februar in Hanau führte zu einem erneuten Verstummen in vielen migrantischen Communities. Nach dem Tod von George Floyd in Minneapolis folgte eine hitzige Debatte über (institutionellen) Rassismus und Polizeigewalt. Wie hängt beides zusammen und was bedeutet es für die, die gemeint sind? Vier Positionen.

Außerdem: 10 Jahre Projektraum Fotografie, Home Office und Mietrecht, Eichen-Prozessionsspinner, Ausflugstipps, Corona-Bußgelder für Obdachlose, Verkäufergeschichten und der kommentierte Veranstaltungskalender.


HINTERGRUND

  • Seit 1994 unterstützt bodo e.V. Menschen in sozialen Notlagen. Der Verein betreibt in Bochum und Dortmund Anlaufstellen für Wohnungslose und unterhält stationäre und aufsuchende Versorgungs- und Beratungsangebote.
  • Das monatliche soziale Straßenmagazin ermöglicht Menschen in Wohnungslosigkeit und Armut einen Zuverdienst.
  • Weitere Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekte unterstützen ehemals wohnungs- oder langzeitarbeitslose Menschen bei der (Re-)Integration in den ersten Arbeitsmarkt.
  • bodo e.V. sieht sich als Lobby für Wohnungslose. Er ist Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband und im internationalen Netzwerk der Straßenzeitungen INSP.
  • Mehr: www.bodoev.de
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Reaktionen

  1. FRAKTION LINKE & PIRATEN entsetzt: Neue Repressalien gegen Obdachlose (PM)

    FRAKTION LINKE & PIRATEN entsetzt: Neue Repressalien gegen Obdachlose

    Hohe Bußgelder – um die 200 Euro – gegen Dortmunder Obdachlose, weil sie gegen Corona-Regeln verstoßen haben sollen. Dieses Thema hat die Öffentlichkeit in den vergangenen Tagen ziemlich aufgewühlt; es gab emotionale Demos und zahlreiche Medienanfragen. „Aber die Spitze es Eisbergs ist noch gar nicht erreicht“, sagt Utz Kowalewski, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE & PIRATEN. Ihn erreichten jetzt Informationen, dass in Dortmund in dieser Woche weitere Bußgelder an obdachlose Menschen persönlich überreicht wurden. „Einmal soll es fünf Bußgeldbescheide auf einmal gegeben haben“, sagt Kowalewski. Und es soll sogar Fälle geben, in denen der Endbetrag über 1000 Euro betragen soll.

    „Das ist doch ein Witz“, sagt Kowalewski. „Welcher von diesen Menschen, die auf der Straße leben, soll das denn bezahlen? Das ist doch unnötige und am Ende wirklich teure Bürokratie. Denn all die Mahnungen und Einsätze von Gerichten oder gar Gerichtsvollziehern werden am Ende erfolglos sein und müssen dann vom Steuerzahler bezahlt werden.“

    Das Thema „Bußgelder gegen Obdachlose“ war erst im Juni knapp eine Stunde lang im Rat hitzig diskutiert worden. Linke & Piraten hatten gefordert, die bereits verhängten Corona-Bußgelder zurückzunehmen und auf solche künftig generell zu verzichten. Die Grünen unterstützten die Forderung der Linken & Piraten, die CDU enthielt sich. SPD, AfD und FDP lehnten ab. Und auch die Stadtspitze mauerte mit den Argumenten des Gesundheitsschutzes und der Pandemielage. Im persönlichen Gespräch wurde Kowalewski jedoch zumindest eine Reduzierung der Bußgelder in Aussicht gestellt. Doch in der Realität passiert jetzt das Gegenteil.

    Kowalewski ist verärgert: „Hier wird mit Kanonen auf Spatzen – nämlich auf die Ärmsten der Armen geschossen. Und warum? Gab es etwa Corona-Partys von Obdachlosen auf dem Alten Markt? Der Grund ist doch ein ganz anderer: Stadt und Polizei fahren eine unnötig harte Linie gegen Menschen, die ihrer Ansicht nach schlecht für das Image Dortmunds sind.“

    Statt die Armen für ihre Armut zu bestrafen, müsse man vielmehr die Ursachen von Arbeitslosigkeit, Armut und Obdachlosigkeit bekämpfen. Und die Stadt Dortmund müsse den Betroffenen nach finnischem Vorbild Wohnraum zur Verfügung zu stellen und sie dann dort – falls nötig – betreuen und ihre Wohnfähigkeit wieder herstellen, fordert Kowalewski. „Wohnraum ist schließlich ein Grundrecht. Und der Wohnungsmarkt ist dazu da, um Menschen mit Wohnraum zu versorgen, und nicht, um die Vermieter reich zu machen.“

    Kowalewski: „Nicht die Obdachlosen sind das Problem, sondern das System, das Obdachlosigkeit, Armut und Arbeitslosigkeit überhaupt erst produziert.“

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