„Dieser See geht uns alle etwas an“: World Press Photo-Preisträger Maximilian Mann aus Dortmund im Interview

Foto vom austrocknenden Urmia-See aus der Fotoserie "Flaming Flamingos" von Maximilian Mann.
Die Fotoserie „Flaming Flamingos“ zeigt den austrocknenden Urmia-See im Iran. Foto: Maximilian Mann.

Maximilian Mann ist einer der zwei Dortmunder Fotografen, die in diesem Jahr von der World Press Photo Foundation ausgezeichnet wurden. Leonie Krzistetzko hat mit ihm über seine Fotoserie und Dokumentarfotografie in Zeiten von Corona gesprochen.

Nordstadtblogger: Maximilian, Du wurdest in diesem Jahr von der World Press Photo Foundation in der Kategorie Umwelt für eine Fotoserie über den austrocknenden Urmia-See im Iran ausgezeichnet. Wie bist Du auf dieses Thema gestoßen?

Maximilian Mann: Die Fotoserie war mein Bachelorarbeitsprojekt und ich habe lange danach gesucht, wie ich ein Projekt umsetzen kann, das etwas mit Umwelt zu tun hat. Dann bin ich darauf gekommen, dass es einige Seen auf der Welt gibt, die austrocknen. Der See im Iran ist ein Beispiel dafür. Ich war überrascht, dass ich von diesem See noch nie etwas vorher gehört habe, obwohl er einer der größten Salzseen der Welt ist: ungefähr zehnmal so groß wie der Bodensee. 

Die World Press Photo Foundation kürt Fotografien, die weltweit auf Interesse stoßen. Wieso ist der Urmia-See von internationaler Bedeutung?

Porträt Maximilian Mann
Maximilian Mann wurde für seine Fotoserie „Flaming Flamingos“ von der World Press Photo Foundation ausgezeichnet. Bild: Arne Piepke.

Mann: Dieser See geht uns alle etwas an. Der Klimawandel oder dieser See sind nicht nur ein Problem vor Ort, sondern von uns allen. Und wir sind auch mit dafür verantwortlich, vor allem im Westen. Deswegen sollte uns das auch auf jeden Fall etwas angehen. 

Du hast Deine Fotoserie „Fading Flamingos“ genannt. Was bedeutet der Titel?

Mann: Der Urmia-See war früher für seine Flamingos bekannt. Die Flamingos kommen aber nicht mehr zu dem See, weil sie eigentlich die dort lebenden Krebse essen. Die Krebse werden aber durch die höhere Salzkonzentration im See immer weniger. Und dadurch finden die Flamingos keine Nahrung mehr. Darum ist der Flamingo für mich ein Symbol des Sees und des Verschwinden des Sees. 

Wie lange warst Du im Iran, um den Verfall des Sees zu dokumentieren?

Mann: Ich war dreimal vor Ort, im Sommer, im Herbst und im Winter zwischen September 2018 und Januar 2019 – für insgesamt acht Wochen. Ich wollte möglichst viele verschiedene Jahreszeiten visuell festhalten.  

Gab es in dieser Zeit Situationen, die sich besonders bei Dir eingeprägt haben?

Mann: Da gab es unglaublich viele. Was mich vor allem beeindruckt und persönlich mit dem Ort verbindet, sind die Gespräche mit den Menschen. Da gibt es eine Dame, die ich als unglaublich starke Frau wahrgenommen habe. Die war von einer NGO, die sich darum kümmert, dass Frauen in dieser Region alternative Formen der Arbeit abseits der Landwirtschaft finden. Und mit der habe ich mich lange unterhalten. Das war total interessant: Sie sagt das Problem dieses Sees ist kein Problem vom Iran alleine, sondern von der ganzen Welt.  Grundsätzlich sind die Leute im Iran unfassbar gastfreundlich und man kommt leicht in ein Gespräch rein. Man wird oft zum Tee eingeladen, bekommt Wassermelonen im Sommer und ist ununterbrochen am Reden, das ist total schön.

Wenn man sich deine Fotos ansieht, wirken sie – obwohl sie eine Katastrophe zeigen – sehr harmonisch, die Farbgebung ist beispielsweise sanft. Wie wichtig war es Dir, in Deiner Arbeit mit Ästhetik zu spielen?

Aufnahme aus Maximilian Manns Fotoserie "Flaming Flamingos".
In seiner Arbeit spielt Maximilian Mann mit Ästhetik, um auf das Problem des Verschwinden des Urmia-Sees aufmerksam zu machen. Foto: Maximilian Mann.

Mann: Ich will mit den Bildern die Diskrepanz zeigen: zwischen der Schönheit der Natur und zu dieser Katastrophe. Ich glaube, wir brauchen auch gute, schöne Bilder, damit sich die Leute das Bild angucken und dann den Kontrast zu dieser schrecklichen Katastrophe sehen. Ich glaube, wir brauchen nicht nur diese ganz dramatischen Bilder in schwarz-weiß. Es können auch ruhige, schöne Bilder eine Katastrophe vermitteln, was vielleicht auf subtilere Weise funktioniert. 

Umweltthemen machen einen Großteil deiner dokumentarfotografischen Arbeit aus. Was reizt dich daran besonders?

Mann: Die Umwelt ist eines der zentralen Themen unserer Generation – oder das zentrale Thema. Und viele Jahre wurde darüber zu wenig drüber berichtet. Zum Glück ändert sich das gerade ein bisschen. Aber wir brauchen weiterhin diese Bilder, die das auch zeigen. Klar, es ist auch wichtig, wissenschaftliche Berichte dazu zu haben. Aber der Mensch ist nun einmal auch ein visuelles Wesen. Wir brauchen Bilder von solchen Katastrophen, um im zweiten Schritt zu handeln.

Wenn Du von der visuellen Ebene sprichst: Was hebt Fotografie hier vom Film ab?

Mann: Es gibt auf jeden Fall einen Unterschied. Fotos sind unglaublich schnell wahrnehmbar. In einem Bruchteil einer Sekunde kann man mit einem Foto eine Emotion vermitteln. Und das ist die Stärke von Fotografie, die Film nicht so schafft. In der Geschichte gibt es einige Beispiele von Fotos, die sich in das globale Gedächtnis eingeprägt haben, wie das schreiende Kind in Vietnam (Anmerkung der Redaktion: gemeint ist das mittlerweile ikonische Foto „Terror of War“ von Nick Út). Das sind Bilder, die sich in das kollektive Gedächtnis einprägen und das hätte Film so nicht geschafft, glaube ich. Im besten Fall können Bilder Emotionen so verdichten und das Thema so auf den Punkt bringen und damit in Erinnerung bleiben. Das ist natürlich unglaublich schwierig und bei den wenigsten Bildern der Fall. Aber das kann Fotografie im besten Fall schaffen.

Dokumentarfotografie lebt unter anderem davon, Menschen Orte nahezubringen, an die sie sonst nicht kommen. Wie sehr hat die Corona-Pandemie Deinen Berufsalltag verändert?

Mann: Sehr, weil wir Dokumentarfotografen immer viel unterwegs sind und uns auch mit Leuten treffen wollen. Und das hat Covid alles durcheinandergebracht. Ich wollte zum Beispiel noch einmal in die Mongolei reisen, um da an einem Projekt zu arbeiten und hatte viele Ideen, die jetzt erstmal so nicht möglich sind. Das hat mich erstmal auf jeden Fall in meiner Arbeit eingeschränkt. Gleichzeitig muss man überlegen, wie man mit dieser Situation gut umgehen kann. Und eine Möglichkeit ist natürlich, auch in Deutschland viele Sachen zu machen. Denn auch hier gibt es Themen, die unglaublich interessant und erzählenswert sind. 

Arbeitest Du gerade an einem konkreten Projekt?

Mann: Ja, das Thema Umwelt beschäftigt mich ja weiterhin. Ich bin gerade dabei, zum Klimawandel hier in Deutschland zu arbeiten. Den gibt es natürlich auch hier schon. 

Zur Person: 
  • Maximilian Mann (28) ist freier Dokumentar- und Porträtfotograf.
  • Geboren in Kassel, lebt und arbeitet er zurzeit in Dortmund.
  • Hier hat er Fotografie an der FH Dortmund studiert.
  • Mann ist Gründungsmitglied im dokumentarfotografischen DOCKS-Collective.
  • 2020 hat er sich zum ersten Mal mit einer Fotoserie bei dem Wettbewerb der World Press Photo Foundation beworben.
  • Mehr Informationen zum Künstler und seinem Kollektiv gibt es unter https://maximilian-mann.com und unter https://dockscollective.com. 

Die Fotoserie „Fading Flamingos“ von Maximilian Mann:

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