Das „Experiment Heimat“ in Dortmund: Ein Berliner Duo recherchiert auf den Spuren der Fußballkultur

Helene Bukowski und Jörg Brüggemann am LWL-Industriemuseum Zeche Zollern. Foto: Hartmut Salmen/ Literaturhaus.Dortmund
Helene Bukowski und Jörg Brüggemann am LWL-Industriemuseum Zeche Zollern. Foto: Hartmut Salmen/ Literaturhaus

Dortmund ist Fußball ist Heimat – was bedeutet das, wenn der Fußball plötzlich fehlt? Noch bis zum 31. Mai recherchieren die Berliner Autorin Helene Bukowski und der Fotograf Jörg Brüggemann dazu in Dortmund. In dem Literatur- und Fotografie-Projekt „Experiment Heimat“ erkunden sie das Fehlen des Fußballs und damit der Heimat – in der Kreisliga C und im Fußballmuseum, auf Bolzplätzen und in Parks, in Gegenwart und Geschichte, bei Kindern und Erwachsenen.

20 Literat*innen und Fotograf*innen arbeiten in rund zehn Städten zum Thema Heimat

Helene Bukowski und Jörg Brüggemann sind zwei von rund 20 Literat*innen und Fotograf*innen, die derzeit in rund zehn Städten in Westfalen zu ganz unterschiedlichen Aspekten zum Thema Heimat arbeiten.

Konzipiert und organisiert wurde „Experiment HEIMAT“ vom Westfälischen Literaturbüro in Unna e.V.. Eine Wanderausstellung mit den künstlerischen Ergebnissen wird im kommenden Jahr auch auf Zeche Zollern in Dortmund zu sehen sein; außerdem erscheint ein Text-Foto-Band.

Schon in den nächsten Tagen kann man die Künstler*innen online erleben: Am Samstag, 29. Mai liest Helene Bukowskisie aus ihrem Debütroman „Milchzähne“ und gibt im Gespräch mit Moderatorin Frederike Jacob Eindrücke in ihr schriftstellerisches Schaffen. Die Lesung wird im Youtube-Kanal des Westfälischen Literaturbüros übertragen. Am Montag, 31. Mai, 19 Uhr gibt Jörg Brüggemann in einem Fotovortrag Einblick in sein Arbeiten und sein Werk.

Wie gehen die Menschen damit um, dass sie nicht mehr ins Stadion kommen? Was macht es mit den Fußballfeldern, wenn sie seit Monaten kein Stollenschuh mehr betritt? Und wie steht es um den Zusammenhalt der Nachbarschaft, wenn sich keiner mehr in der Eckkneipe über Fußball unterhalten kann und keine Gespräche in der Umkleide nach dem Training mehr stattfinden? Findet der Fußball dadurch vielleicht sogar zurück zu seiner alten Heimat – auf die Straße? Diesen und weiteren Fragen wollen Helene Bukowski und Jörg Brüggemann in diesen Tagen in Dortmund nachspüren.

Das Duo wirft auch einen Blick auf die Dortmunder Fußball-Historie seit 1890

Der DSC 95 in den großen 1960er Jahren als Dortmunds Nr. 2 im Stadion Rote Erde. Foto: Archiv Kolbe/ AgGmbH
Der DSC 95 in den großen 1960er Jahren als Dortmunds Nr. 2 im Stadion Rote Erde. Foto: Archiv Kolbe/ AgGmbH

Dabei haben sie auch die Historie des Fußballs in Dortmund im Blick, der 1890 aus England nach Dortmund kam.

Die aus bürgerlichen Familien stammenden Schüler des Realgymnasiums und des Tremonia-Gymnasiums waren die ersten Spieler in dieser Stadt. 1895 gründeten sie zusammen mit Absolventen der Königlichen Maschinenbauschule in der Sonnenstraße den ersten Dortmunder Fußball-Club.

Erst langsam entstanden auch Clubs in den Arbeiterkreisen, zum Beispiel der TuS Bövinghausen, der 1904 von Arbeitern der Zeche Zollern gegründet wurde. Für die vielen Einwanderer boten solche Zechenmannschaften die Möglichkeit, soziale Kontakte zu knüpfen und anzukommen, Heimat zu finden.

Erst in den 1920er Jahren wurde Fußball zu einem Massenphänomen: Soldaten brachten den Sport aus dem Ersten Weltkrieg mit. Nun wurde überall auf Straßen und Plätzen gebolzt. Der Mythos des Arbeiterfußballs entstand.

Zur Person: Helene Bukowski

Helene Bukowski. Foto: Rabea Edel
Helene Bukowski. Foto: Rabea Edel
  • Helene Bukowski, geboren 1993 in Berlin, lebt heute wieder in ihrer Geburtsstadt. Sie studierte Literarisches Schreiben und Lektorieren in Hildesheim. Sie ist Co-Autorin des Dokumentarfilms „Zehn Wochen Sommer“, der 2015 den Grimme-Sonderpreis Kultur erhalten hat, und war 2016 zur Autorenwerkstatt Prosa des Literarischen Colloquiums Berlin eingeladen.
  • Sie war Mitherausgeberin der „BELLA triste“ und Teil der künstlerischen Leitung des „PROSANOVA 17“. 2019 erschien ihr Debütroman „Milchzähne“, für den sie u.a. für den Mara-Cassens-Preis, den Rauriser Literaturpreis und den Kranichsteiner Literaturförderpreis nominiert war.
  • Darin beschreibt Helene Bukowski eindrücklich ein düsteres Zukunftsszenario, in dem es um Fremde und Zugehörigkeit geht – also (auch) um Heimat. In ihrer Heimatstadt Berlin gründete Helene Bukowski eine Fußball-Nationalmannschaft der Autor*innen.

Zur Person: Jörg Brüggemann

Jörg Brüggemann
Jörg Brüggemann
  • Jörg Brüggemann, geboren 1979 in Herne, lebt heute in Berlin. Er schloss 2008 sein Fotografie-Studium an der Hochschule für Künste in Bremen mit der Diplomarbeit „Same Same But Different“ über Rucksacktourismus in Südasien ab.
  • Seit 2009 ist er Mitglied der Agentur OSTKREUZ in Berlin und dort seit 2019 auch Geschäftsführer. Im selben Jahr wurde er Dozent an der OSTKREUZSCHULE für Fotografie.
  • Der Fotograf arbeitet u.a. für internationale Magazine wie ZEIT Magazin, GEO, Monocle und wurde mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet, u.a. gemeinsam mit seinen OSTKREUZ-Kolleg*innen mit dem Konrad-Wolf-Preis der Akademie der Künste (2013).
  • Für seine erste 2012 erschienene Monografie „Metalheads – The Global Brotherhood“ über die Globalisierung der Heavy-Metal-Kultur reiste er durch die Kontinente. 2020 veröffentlichte Jörg Brüggemann gemeinsam mit Tobias Kruse „Freundschaft“ und die Monografie „Autobahn“. Im September 2020 eröffnete er seine erste Einzelausstellung „wie lange noch“ im Zephyr Mannheim.
HINTERGRUND:

Das „Experiment Heimat“

  • Das „Experiment Heimat“ ist ein Projekt des Westfälischen Literaturbüros in Unna e. V. (WLB) in Kooperation mit Bochum Marketing, dem Literaturbüro OWL, der Stadt Dortmund, der Stadt Enger, den LWL-Industriemuseen Henrichshütte in Hattingen und Schiffshebewerk Henrichenburg in Waltrop, dem Kreis Coesfeld, der Stadt Schmallenberg und der Kreisstadt Unna sowie zahlreichen weiteren Vereinen, Einrichtungen und Initiativen in Westfalen.
  • Das Projekt wird vom Ministerium für Heimat, Kommunales Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert sowie vom Westfälischen Heimatbund e. V. und der Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung begleitet.
  • In Dortmund wird das Projekt von den folgenden Institutionen getragen: Auslandsgesellschaft.de e.V., Deutsches Fußballmuseum, Kulturbüro der Stadt Dortmund, Literaturhaus.dortmund, LWL-Industriemuseum Zeche Zollern
  • www.experimentheimat.de
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