Was teilweise für Verwirrung sorgt, ist von Stadt und Grünflächenamt so gewollt. Um die Biodiversität und Artenvielfalt zu fördern und dem alarmierenden Insektensterben entgegen zu wirken, werden vielerorts Grünflächen in Blühwiesen umgewandelt, deren Pflege einem bestimmten Konzept unterliegt. So werden diese Wiesen nur zweimal im Jahr gemäht, was oft dazu führt, dass Bürger*innen denken, die Flächen würden verwahrlosen und niemand würde sich darum kümmern – doch weit gefehlt. Mit speziellen Saatmischungen wird hier gezielt Umwelt- und Naturschutz betrieben, an dem sich die Bürger*innen gerne beteiligen dürfen und sollen.
Was vielerorts für Verwirrung sorgt, richtet sich nach einem bestimmten Konzept
Um der evtl. Verwirrung der Bürger*innen vorzubeugen, werden von der Stadt gerade Schilder an den betreffenden Orten aufgestellt, die über die Pflanzaktionen informieren. „Wir wollen den Themen Artenvielfalt und Biodiversität in Dortmund gerecht werden. Wir möchten, dass sie in den Köpfen der Menschen einrasten. Insgesamt werden wir in den kommenden Wochen rund 150 Schilder aufstellen“, erklärt der Leiter des Dortmunder Grünflächenamtes, Ulrich Finger. ___STEADY_PAYWALL___
Die Behörde ist zuständig für das Anlegen und die weitere Pflege der Blühwiesen im Stadtgebiet. Bei einem Termin am Borsigplatz, wo auf der Wiese inmitten des Kreisverkehrs eine Blühwiese bereits farbenfroh neue Heimat und Nahrungsreservoir für viele unterschiedliche Insektenarten geworden ist, erläutern er, sein Kollege und Fachbereichsleiter Jürgen Hundorf und der Dortmunder Baudezernent Arnulf Rybicki, was hinter dem Konzept der Blühwiesen steckt.
Rybicki freut sich darüber, den Menschen eine durchweg „positive Geschichte“ präsentieren zu können. Neben den umwelttechnischen Aspekten würden die Wiesen auch etwas für das Auge bieten. Es ginge nun darum, Aufmerksamkeit zu erzeugen und kommunikativ aufzuklären. Daher sollen die Schilder dazu dienen, den Menschen das zu erklären, was sie sehen. Zusätzlich soll in den kommenden Wochen ein Informationsflyer erstellt und gedruckt werden.
Um „Florenverfälschung“ zu verhindern wird regionales Saatgut verwendet
In der leichten Brise, die an diesem Morgen durch die circa anderthalb Meter hohe Blühwiese mitten im Verkehr des Borsigplatzes weht, schwirren schon jetzt Schmetterlinge, Heuschrecken und, besonders erfreulich, Bienen durch die Luft. Nicht nur öffentlich sondern auch im privaten Bereich lägen Wildblumen gerade voll im Trend, weiss Fachmann Jürgen Hundorf zu berichten.
„Wir legen besonderen Wert darauf, in Dortmund regionales Saatgut für die Blühwiesen zu benutzen“, so Hundorf. Denn handelsübliches Saatgut würde Mischungen aus asiatischen und nordamerikanischen Pflanzen beinhalten, die für unsere Gefilde nicht wirklich geeignet seien. Ihr Einsatz könnte zu einer nachhaltigen Veränderung des Pflanzenvorkommens, der sogenannten „Florenverfälschung“ führen, was man auf jeden Fall vermeiden möchte.
Schon bei der Saat der Wiesen gilt es, Besonderheiten zu beachten. So kann das Gut nicht einfach wie Rasensamen aus der Hand verteilt und untergeharkt werden, da es sich bei den winzigen Samen um Lichtkeimer handelt, die das Sonnenlicht benötigen. Die Erde muss mit Sand oder anderen Füllstoffen angereichert werden. Dabei ist nicht garantiert, dass auch jede Pflanze der Saatgutmischung aufgehen wird. „Die Natur wählt in diesem Falle selber aus. Es bleibt letztlich übrig, was dorthin gehört“, freut sich Jürgen Hundorf. Beispielsweise der Riesensalbei oder die Schafgarbe hätten hier gute Chancen.
Grünflächenamt setzt auf die Beteiligung der Bürger*innen
Wie bereits erwähnt, werden die Wiesen nur zweimal im Jahr gemäht, im Normalfall einmal im Juni/Juli und ein zweites Mal im September oder Oktober. Wird nur einmal im Jahr gemäht oder bleiben die Flächen über Jahre brach liegen, nimmt der Anteil der Gräser zu und der Blütenreichtum geht deutlich zurück. Auch beim Beschnitt wird anders vorgegangen als bei einer normalen Rasenfläche. „Hierfür haben wir sogar extra unseren Fuhrpark umgestellt“, so Hundorf.
Die Wiesenflächen werden nach Möglichkeit mit dem Balkenmäher geschnitten. Doch während vielerorts der Beschnitt nun liegen bleibt, um als Dünger für den Rasen zu dienen, muss die Blühwiesenfläche im Gegensatz zur „Fettwiese“ „ausgemagert“ werden. Um den Rasenschnitt vernünftig abtransportieren zu können, verfügt das Grünflächenamt neuerdings auch über eine eigene Ballenpresse. Während die Wiesen an sich nur zweimal im Jahr geschnitten werden, werden die Ränder regelmäßig gepflegt, um zu zeigen dass, sie nicht vergessen wurden, sondern mit Absicht ausgespart.
Insgesamt sind im Dortmunder Stadtgebiet bereits rund 200 Hektar Grünflächen in farbenfrohe Grüninseln umgewandelt worden (z.B der Pocket-Park auf der Bornstraße) und es sollen noch mehr werden. Hierfür setzen die Verantwortlichen der Stadt auch auf die Beteiligung der Bürger*innen. Langfristiges Ziel ist es, ein Mosaik aus verschiedenen Wiesentypen über das gesamte Stadtgebiet zu entwickeln und zu vernetzen.
Wer sich mit Ideen und Vorschlägen zu geeigneten Flächen oder zu besonderen Wildblumenmischungen einbringen möchte, meldet sich telefonisch oder per Mail beim Grünflächenamt Dortmund (Kontaktdaten im Anhang des Artikels). Auch Grundstücksbesitzer*innen können sich mit ihren eigenen Flächen am Projekt beteiligen. Die Mitarbeiter*innen des Grünflächenamtes unterstützen und beraten sie gerne.
Weitere Informationen:
Grünflächenamt der Stadt Dortmund
Tel.: 0231/50 27 888
E-Mail: gruenflaechenamt@dortmund.de
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Tierschutzpartei Dortmund fordert Konsequenzen aus Studie: Private Gärten sind in Städten wichtigste Nahrungsquelle für Insekten
Tierschutzpartei Dortmund fordert Konsequenzen aus Studie:
Private Gärten sind in Städten wichtigste Nahrungsquelle für Insekten
In einer aktuellen britischen Studie im „Journal of Ecology“ belegt der Wissenschaftler Nicholas Tew und sein Team der University of Bristol, dass private Gärten im urbanen Raum die wichtigste Futterquelle für Insekten darstellen. In der Studie vergleicht er dabei unter anderem Schrebergärten und landwirtschaftliche Nutzflächen mit Naturschutzgebieten und eben auch dem heimischen (Zier-)Garten, dabei betont er ausdrücklich die überlebenswichtige Funktion von Privatgärten als Oase für Bestäuber. Leider stellen immer noch zahlreiche Gärten in Deutschland genau das Gegenteil dar.
Die britische Studie belegt dabei, dass die Privatgärten in den untersuchten urbanen Räumen durchschnittlich 85 Prozent des verfügbaren Nektars liefern würden. Heruntergerechnet liefern drei Gärten pro Tag etwa einen Teelöffel Nektar. Was sich auf den ersten Blick sehr wenig anhört, entspricht aber laut den Biologen umgerechnet einer Tonne pro Erwachsenem Menschen. Dieses Nahrungsangebot reiche für mehrere tausend Bienen, Hummeln und andere Bestäuber. Die Berechnung der Wissenschaftler basiert dabei auf der Nektarmenge, welche im Rahmen der Studie aus 3000 Blüten von 200 Arten gewonnen haben. Die Bedeutung von privaten Gärten für die Artenvielfalt und den Erhalt der Insekten ist in Städten schon aus dem Grund so hoch, dass etwa ein Drittel der untersuchten städtischen Grünflächen darauf entfallen, was einem deutlich höheren Anteil als dem der Schrebergärten oder gar städtischen Parks entspricht.
Die britischen Forschenden mahnen dabei sowohl bei Stadtplaner*innen, als auch bei Gartenbesitzer*innen an, sich dieser Bedeutung bewusst zu werden, was sich als Konsequenz sowohl in einem vollständigen Verzicht auf Pestizide, als auch in einer vielfältigen Bepflanzung von Frühjahr bis zum Herbst ausdrücken muss. Denn nur dadurch sei gewährleistet, dass die Insekten ausreichend Nahrung finden und das so private Gärten nicht nur eine Oase, sondern sogar eine Arche in einer betonierten und versiegelten Umgebung werden können.
Für die Partei Mensch Umwelt Tierschutz (Tierschutzpartei) in Dortmund stellt dabei vor allem die Aufklärung der Bürger*innen über die Abkehr der vor allem in Neubaugebiete beliebten Schottergärten einen besonders wichtigen Aspekt dar: „Naturnahe Gärten bilden in der Stadt wichtige Refugien für eine Vielzahl von Wildtieren. Dies sind neben Singvögeln auch Insekten wie Schmetterlinge, Bienen und Hummeln“ so Sebastian Everding aus dem Team der Tierschutzpartei, der sich in seiner Freizeit stark für den Schutz von Wildbienen einsetzt. „Schotter und Steine können dabei weder Unterschlupf noch Nahrungsgrundlage oder eine Kinderstube für den Nachwuchs bieten, einzig Kellerasseln und Spinnen fühlen sich dort noch wohl“ und appelliert an Hausbesitzer*innen, freiwillig etwas in ihren Gärten zu ändern, denn sonst würde man ein Grundstück besitzen, welches ökologisch so tot ist, wie ein Stück Autobahn.
Gerade Bienen spielen eine entscheidende Rolle in unseren Ökosystemen, denn 80 % der heimischen Kultur- und Wildpflanzen sind abhängig von Bestäubung durch Bienen. Michael Badura, Ratsmitglied der Tierschutzpartei weist zudem auf die besondere Gefährdungssituation von Wildbienen hin: „Während Honigbienen eine recht große Lobby haben, stehen rund 300 von 560 heimischen Wildbienenarten auf der Roten Liste. Wildbienen sind meist alleinlebend und haben sehr spezifische Ansprüche an ihren Lebensraum; also an Nistplatz und Nahrungspflanzen“.
SPD-Ratsfraktion will Biodiversität im Dortmunder Stadtgebiet erhöhen (PM)
SPD-Ratsfraktion will Biodiversität im Dortmunder Stadtgebiet erhöhen
„Bislang erfährt die Biodiversität in vielen öffentlichen städtischen Parkanlagen eine nicht angemessene Berücksichtigung. Es besteht daher Optimierungs- und Handlungsbedarf, auch in Dortmund. Wir wollen daher die Biodiversität im Dortmunder Stadtgebiet erhöhen“, erklärt der Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion, Hendrik Berndsen.
„Denn insbesondere in großen Städten wie Dortmund, geht die Anzahl der Pflanzen-, Insekten-, Vogel- und Tierarten deutlich zurück. Viele Flächen in der Stadt sind bereits versiegelt. Um diesen Entwicklungen entgegen zu wirken, ist es erforderlich, die Biodiversität zu fördern“, erklärt die umweltpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Veronika Rudolf.
„Hierbei können insbesondere die öffentlichen Park- und Grünanlagen sowie die landwirtschaftlichen Flächen in städtischer Hand einen wichtigen vorbildhaften Beitrag liefern“, führt die Sprecherin der SPD-Fraktion im für die Dortmunder Grünanlagen zuständigen Ausschuss für Mobilität, Infrastruktur und Grün, Gudrun Heidkamp, weiter aus.
Die SPD-Fraktion hat daher nun im Rat der Stadt einen Antrag gestellt, mit dem die Verwaltung aufgefordert werden soll bis zum Ende des Jahres 2021 ein Konzept für die Förderung der Biodiversität in öffentlichen städtischen Park- und Grünanlagen sowie in Naherholungsgebieten zu erarbeiten. Dieses Konzept soll dabei u.a. einheitliche Regelungen für die Bestandsaufnahme der Biodiversität in öffentlichen städtischen Park- und Grünanlagen sowie zur Förderung und Umsetzung der Biodiversität in öffentlichen städtischen Park- und Grünanlagen sowie den Friedhöfen enthalten. Auch soll die Pflanzenauswahl für die Gestaltung und Bepflanzung von städtischen Grünflächen nur noch aus heimischen standortgerechten Pflanzen bestehen. Auf landwirtschaftlichen Flächen der Stadt Dortmund soll auf Insektizide, Herbizide und Fungizide verzichtet werden. Diese Flächen sollen zudem mit einem mindestens 5 m breiten Wildblumenwiesenstreifen umlaufend eingefasst werden.
Bedacht wurden insbesondere auch Insekten, denn zukünftig sollen bei Wechselbepflanzungen und Beetbepflanzungen, schwerpunktmäßig heimische Wildstauden oder blühende Pflanzen eingesetzt werden, die ihnen als Nahrungsquelle nützlich sind. Zudem sollen in städtischen Grünflächen Flächen vorgesehen werden, die den Insekten Nistmöglichkeiten sowohl über der Erde als auch in der Erde ermöglichen. Auch sollen vermehrt Blühwiesen und Wildhecken eingerichtet werden.“
Kleiner Park in Aplerbeck wird ökologisch sinnvoll umgestaltet / Blühwiesen und einheimische Hecken (PM)
Die kleine Parkfläche an der Ecke Wittbräucker Straße/ Benediktinerstraße in Aplerbeck (zwischen Einmündung Benediktinerstraße und EDG-Recyclinghof) wird derzeit im Auftrag des Grünflächenamts umgestaltet. Der ehemalige Felsengarten war in die Jahre gekommen und nicht mehr mit vertretbarem gärtnerischen Aufwand zu pflegen. Der ökologische Vorteil war außerdem recht gering.
Mitarbeiter*innen von Grünbau, einer gemeinnützigen Gesellschaft, werden den kleinen Park so verändern, dass er für Mensch und Natur deutlich an Attraktivität und Nutzen gewinnt. Der Fokus liegt auf einer extensiven, naturnahen Gestaltung.
Nach Fertigstellung Anfang kommenden Jahres wird die Fläche mit heimischen Gehölzen und Hecken, Totholzhaufen, Nisthilfen für Wildbienen und ab Frühjahr blühenden Wiesen ein beliebter Ort für Insekten sein – und für die Menschen in Aplerbeck, die sich an der naturnahen Gestaltung erfreuen. Wegeausbau, neue Bänke und Papierkörbe sind ebenfalls geplant.