50. Politische Woche: Großes Interesse an der Zukunft der SPD – Saskia Esken und Kevin Kühnert zu Gast in Huckarde

Sehr gut besucht war die 50. Politische Woche der SPD in Huckarde. Fotos: Alex Völkel
Sehr gut besucht war die 50. Politische Woche der SPD in Huckarde. Fotos: Alex Völkel

Der Wettkampf um den Bundesvorsitz der SPD ist in der heißen Phase – die Abstimmung in der Stichwahl zwischen den beiden Führungsduos hat begonnen. Während KritikerInnen das langwierige Procedere als Beschäftigung der GenossInnen mit sich selbst bezeichnen, sehen BefürworterInnen dies als längst überfällige programmatische und personelle Auseinandersetzung mit der Agenda-Politik der vergangenen 20 Jahre. Das wurde auch bei der 50. Politischen Woche deutlich, zu der der SPD-Stadtbezirk Huckarde eingeladen hatte. Das Interesse daran war groß. Ein Grund: Der JUSO-Bundesvorsitzende Kevin Kühnert sowie Saskia Esken, Bewerberin um den Parteivorsitz, waren bei Manfred Stankewitz in der „Alten Schmiede“ zu Gast.

„Mehr Demokratie wagen – Willy hätte gewollt, dass ihr abstimmt“

Saskia Esken bewirbt sich gemeinsam mit Norbert Walter-Borjans um den SPD-Vorsitz auf Bundesebene.
Saskia Esken bewirbt sich gemeinsam mit Norbert Walter-Borjans um den SPD-Vorsitz auf Bundesebene.

Im Schatten der Zeche Hansa  – eines der Sinnbilder für den Strukturwandel in der viel beschworenen „Herzkammer der Sozialdemokratie“ – wurde Klartext gesprochen. „Mehr Demokratie wagen – Willy hätte gewollt, dass ihr abstimmt“, stimmte Saskia Esken zumindest die Parteimitglieder unter den zahlreichen ZuhörerInnen ein.

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Am Tag zuvor hatten sie und ihr Duo-Partner  – dem früheren NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans – sich dem finalen Duell mit dem zweiten Duo – Vizekanzler Olaf Scholz und Klara Geywitz  – gestellt. 

Esken räumte ein, dass die 23 Regionalkonferenzen mit allen BewerberInnen lange gedauert hätten. Doch diese hätten wenig mit internen SPD-Debatten, sondern vor allem mit inhaltlichen Themen zu tun gehabt. Die Entscheidung für eines der beiden verbliebenen Teams falle jetzt jedoch deutlich leichter – „die beiden verbliebenen Duos polarisierten stärker und spitzten zu“.

„Jetzt müssen wir die Unterschiede nicht mehr mit der Lupe suchen“, bestätigte Kevin Kühnert. „Es geht um Glaubhaftigkeit und Standhaftigkeit, den Klimawandel, den Umgang mit der „Schwarzen Null“, die Förderung der Rüstungswirtschaft oder einen Beitrag für den Frieden“, nannte er Beispiele. Ganz abgesehen vom Umgang mit der „GroKo“.

„Wir hier in NRW und in Dortmund haben eine große Sehnsucht nach Orientierung“

„Es geht um Zukunft der SPD und auch um die Zukunft des Landes und dessen Wohlergehen. Stellen sie sich vor, es gäbe die Sozialdemokratie nicht. In welchem Land würden wir leben“, fragte Esken. „Unsere 14 Prozent in den derzeitigen Umfragen werden dem nicht gerecht. Daran müssen wir dringend etwas ändern und zeigen, wofür wir stehen.“

Nadja Lüders wurde Ende Juni als neuen Generalsekretärin der NRW-SPD gewählt.
Nadja Lüders wurde im Juni 2018 als neue Generalsekretärin der NRW-SPD gewählt.

Das ist ein Knackpunkt für viele Menschen: Ziel sei es, dass sowohl Mitglieder als auch WählerInnen die Frage, wofür die SPD steht, „wieder leicht und stolz beantworten können“, so Esken.

Dass sowohl der JUSO-Bundesvorstand als auch der SPD-Unterbezirksvorstand klare Präferenzen haben, mit denen die Partei in die Zukunft ziehen sollen, daraus machten weder Kevin Kühnert noch Nadja Lüders, Vorsitzende der Dortmunder SPD und Generalsekretärin der Landespartei, einen Hehl. 

„Wir hier in NRW und in Dortmund haben eine große Sehnsucht nach Orientierung, nicht nur für die Partei, auch für das Land“, betonte Lüders. Dafür stünden der ehemalige NRW-Finanzminister und die Digital-Politikerin aus Baden-Württemberg am Glaubhaftesten. Der Unterbezirksvorstand hat daher eine entsprechende Wahlempfehlung ausgesprochen. „Aber jedes Mitglied ist natürlich selbst Herr oder Frau der Sinne und seiner Wahlentscheidung“, so Lüders und richtete ihren Appell an alle Mitglieder: „Beteiligt euch verdammt noch mal an der Abstimmung.“

Soziale Gerechtigkeit, gleichwertige Lebensverhältnisse und faire Bildungschancen

JUSO-Chef Kevin Kühnert spricht vielen GenossInnen aus der Seele.
JUSO-Chef Kevin Kühnert spricht vielen GenossInnen aus der Seele.

Sowohl im Vorgespräch als auch in der vom Huckarder Partei-Vize Veith Leimen moderierten Podiumsdiskussion waren die Themen dieselben: Soziale Gerechtigkeit, anständige Einkommen, faire Regelungen für ArbeitnehmerInnen, gleichwertige und gerechte Lebensverhältnisse sowie faire Bildungschancen  – unabhängig davon, ob Kinder aus armen oder reichen Familien oder Städten kämen. 

„Einen armen Staat kann sich nur der reiche Bürger leisten“, erinnerte Esken in Anlehnung an den sozialdemokratischen Vor- und Querdenker Erhard Eppler. Daher plädierten die beiden Gäste für mehr Investitionen in klassische Daseinsvorsorge und Infrastruktur – eine deutliche Breitseite gegen den Bundesfinanzminister und SPD-Vizekanzler Olaf Scholz.

Es gehe nicht um einen „Schuldenfetisch, aber dem Gemeinwesen müssen die Finanzen zur Verfügung stehen“, ergänzte Kühnert. Denn die Kommunen und weite Teile der nationalen Infrastruktur seien über Jahrzehnte durch eine „neoliberalere Politik“ kaputt gespart worden – zu Lasten der nächsten Generation.

Scharfe Kritik: „Der ,Schlanke Staat’ hat die Kommunen handlungsunfähig gespart“

Marode Spielgeräte im Park. Foto: Karsten Wickern

Nadja Lüders erneuerte daher ihre Kritik an der zögerlichen Haltung der schwarz-gelben Landesregierung, einen Altschuldentilgungsfonds aufzulegen, mit denen vor allem die Ruhrgebietsstädte – neben massiven Investitionsprogrammen – wieder zukunftsfähig gemacht werden könnten.  

Bereits jetzt habe sich die GroKo darauf verständigt, 3,6 Milliarden zusätzlich in die Hand zu nehmen für Schulsanierung. „Aber wir haben einen Sanierungsstau von über 40 Milliarden nur bei den Schulen“, so Esken. Doch vor allem die kaputtgesparten Kommunen hätten kein Planungspersonal mehr, um überhaupt solche Programme zu schultern – von der Bauwirtschaft ganz abgesehen. 

Daher brauche es langfristige Investitionsprogramme, so dass Kommunen und Bauwirtschaft Stellen schaffen würden.  „Der ,Schlanke Staat’ hat die Kommunen handlungsunfähig gespart. Das war einer der Mythen der Jahrtausendwende – man ist einer fehlgeleiteten Ideologie gefolgt“, kritisierten die Gäste aus Berlin.

Die GroKo-Maßnahmen ergeben kein ganzes Bild, sondern sind Stückwerk und Reparaturbetrieb

Gemeinsam – da waren sich die GenossInnen einig, müsse die SPD wieder auf einen anderen Kurs gebracht werden – zurück auf einen, der zum Markenkern der SPD passe. Viele ehemalige WählerInnen und Mitglieder würden mit der SPD regelrecht mitleiden. „Es gibt zwei Modelle von Stimmentzug: Das Prinzip ,FDP 2013’ – sie vom Hof jagen. Und das Modell ,Enttäuschte Liebe’ bei der SPD“, betont der JUSO-Chef. 

Die Enttäuschung über den Kurs der SPD sei mit Händen greifbar. „Nicht SPD wählen fühlt sich für viele wie ein Ausnahmezustand an – und das teils seit 20 Jahren. Das ist zwar enttäuschend, aber zeigt, dass sie nicht vergessen haben, wo sie herkommen“, kann Kühnert zumindest etwas Positives aus den desolaten Wahlergebnissen ziehen. 

Das Festhalten an der „GroKo“ mache das nicht besser. „Die Halbzeitbilanz zeigt, dass viele Maßnahmen abgearbeitet sind. Aber es fehlt der Überbau, die Vision, wo man hin will“, betonte die Dortmunder Vorsitzende Nadja Lüders.

„Die einzelnen Maßnahmen ergeben noch kein ganzes Bild, sondern sind Stückwerk und Reparaturbetrieb. In einer GroKo würde ich mir erwarten, dass viel mehr Wille da ist, Grundlegendes zu verändern“, machte die Landtagsabgeordnete aus ihrer Ablehnung keinen Hehl. 

Vermögenssteuer, länger Arbeitslosengeld und keine Anrechnung von Schülerjobs

Insofern sei die Abstimmung über die Führungsduos auch ein Signal, ob die „GroKo“ noch zwei Jahre weiterlaufen soll. Allerdings müsse ein Sieg des Duos Esken/Walter-Borjans auch keinen sofortigen Ausstieg bedeuten.

Denn der SPD-Bundesparteitag soll im Dezember eine Vielzahl von inhaltlichen Beschlüssen fassen. Damit müsse die neue Parteiführung dann zum Koalitionspartner CDU/ CSU gehen – dann zeige sich, ob die GroKo noch eine Zukunft haben könne.

Die Stoßrichtung ist klar: Die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer nach 32 Jahren, ein verändertes Sozialstaatskonzept mit der längeren Zahlung des Arbeitslosengeldes I, einem Rechtsanspruch auf Fortbildung und auch damit, dass Schülerjobs nicht mehr auf die Bedarfsgemeinschaften im Hartz IV-Bezug angerechnet werden dürften. „Die Kinder dürfen nicht die Gelackmeierten sein“, so Esken. 

„Ich erwarte, dass die Beschlüsse auch in der Koalition diskutiert werden. Beschlüsse an die Fraktion dürfen keine Beerdigung zweiter Klasse mehr sein – erledigt durch Regierungshandeln. Das macht viel mit der Glaubwürdigkeit innerparteilich“, so die Bundestagsabgeordnete. Auch das Thema Windkraft – hier die vergrößerten Abstandsgebote – sowie die CO2-Bepreisung könnten dann wieder auf die Agenda kommen. Es bleibt spannend um die Zukunft der nicht mehr sonderlich großen Koalition.

So viel Einigkeit in Huckarde – bliebe leise anzumerken, dass es den ein oder anderen Bürger oder Genossen vielleicht doch gefreut hätte, wenn die Organisatoren der Huckarder Politischen Woche in dieser entscheidenden Abstimmungsrunde auch einen Vertreter oder Anhänger des konkurrierenden Duos Scholz/Geywitz eingeladen hätten…

 

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