Das 39. Bürgerforum stellt Projekte zur Bekämpfung von Einsamkeit und Isolation vor

Initiativen schaffen Begegnungsräume und fördern Teilhabe in Dortmund

Im 39. Bürgerforum „Nord trifft Süd“ ging es um das Thema Einsamkeit. Foto: Planerladen gGmbH

Soziale Isolation betrifft viele Menschen, bleibt aber oft ein Tabuthema. Genau hier setzte das 39. Bürgerforum „Nord trifft Süd“ in der Auslandsgesellschaft an und widmete sich dem Thema Einsamkeit. Bei der Veranstaltung, mit dem Thema „Allein – Einsam – Gemeinsam “ stellten sich verschiedenen Projekte vor, die das Ziel verfolgen Begegnungen zu fördern, Menschen aus Komfortzonen zu holen und das Thema zu enttabuisieren. Von generationenübergreifenden Konzepten bis zu sportlicher Inklusion – der Austausch zeigte vielfältige Ansätze im Kampf gegen die Einsamkeit.

Projekt „GirlsDOgether“: Begegnung von Frauen für Frauen

Bei der Veranstaltung berichteten Vertreter:innen verschiedener Projekte von ihren Erfahrungen. So auch Renata und Nuria, die wie viele Neuzugezogene die Erfahrung machten wie schwer es ist in einer neuen Umgebung anzukommen und Freund:innenschaften zu schließen. Daraus entstand die Idee, einen Raum von und für Frauen zu schaffen, der die Möglichkeit bietet sich kennenzulernen. So entstand im November 2024 das Projekt „GirlsDOgether“. Es richtet sich an Frauen, die von Einsamkeit betroffen sind oder einfach neue Menschen kennenlernen möchten.

Das Projekt „GirlsDOgether“ richtet sich an Frauen, die von Einsamkeit betroffen sind oder einfach neue Menschen kennenlernen möchten. Foto: Planerladen gGmbH

Was klein mit bis zu zehn Teilnehmerinnen begann hat sich schnell zu einem beliebten Projekt entwickelt. Zwei bis drei Dutzend Teilnehmerinnen besuchen die mittlerweile ein- bis zweimal die Woche stattfindenden Events wie gemeinsamen Spaziergängen, Cafébesuchen oder Workshops.

Dadurch, dass jede alleine kommt sei die Hemmschwelle zur Teilnahme besonders niedrig, was dafür sorgt, dass das Projekt so erfolgreich ist. Damit das so bleibt haben die beiden Gründerinnen ein Konzept entwickelt, mit dem sie die Teilnehmerinnen matchen und mischen.

Abschließend wünscht sich Renata einen offeneren Umgang mit dem Thema Einsamkeit, denn ihr Eindruck ist, dass dieses weiterhin schambehaftet ist und mit Schwäche in Verbindung gebracht wird.

„Kulsa“ und „Café Via“ – Angebote für Senior:innen mit Migrationserfahrung

Gürsel Çapanoglu vom VMDO e.V. stellte anschließend die beiden Projekte „Kulsa“ – Kultursensible Seniorenarbeit und „Café Via“ – Café Vielfalt im Alter vor. Zielgruppe dieser Projekte sind ältere Migrant:innen der ersten Zuwanderungsgeneration. Altersarmut, Sprachbarrieren und fehlende interkulturelle Begegnungsorte sorgen mit dafür, dass gerade diese Bevölkerungsgruppe vermehrt von Einsamkeit und sozialer Isolation betroffen ist.

Beide Projekte reagieren hierauf und organisieren Senior:innentreffs sowie verschiedene, niedrigschwellige Aktivitäten in den Muttersprachen der Teilnehmer:innen, welche sehr gut angenommen werden. Tanzen, Yoga oder kleinere Ausflüge helfen dabei, die soziale Integration zu fördern. Das Konzept soll aber auch den Austausch zwischen Senior:innen mit und ohne Migrationshintergrund fördern und Begegnungsorte schaffen, wie zum Beispiel durch Leseabende im Wilhelm-Hansmann-Haus.

Gürsel Çapanoglu sieht zwar Erfolge und findet, dass die Problematik der Einsamkeit im Alter mittlerweile vermehrt bei Entscheidungsträger:innen angekommen ist, aber appelliert an die Stadt, dass mehr in diesem Bereich geschehen muss. Dass weiterhin Mangel herrscht zeigt sich in ihren Projekten konkret daran, dass sich die Suche nach Räumlichkeiten als schwierig gestaltet und die Stadt hierbei helfen könnte. Kritik übt sie jedoch auch an Migrantenselbstorganisationen, deren Angebote sich vermehrt an Jugendliche und weniger an Senior:innen richten.

„Sparringforyou“ – Inklusion durch Sport und Begegnung

Anahita Lotfi und Pourya Solizadeh stellten gemeinsam den Sportverein „Sparringforyou“ und dessen Projekt „Du bist nicht alleine“ vor. Sport dient dem Verein als Anknüpfungspunkt, um Inklusion, Gemeinschaft und Begegnungenzwischen Menschen mit und ohne Behinderung, Jung und Alt zu fördern. Auf diese Art werden nicht nur Vorurteile abgebaut, sondern auch Möglichkeiten geschaffen, aus einer Einsamkeit auszubrechen.

Der Verein Sparringforyou e.V. hat den ersten inklusiven Wettkampf im Kampfsport ins Leben gerufen. Foto: Darya Moalim für Nordstadtblogger.de

Förderlich hierfür ist, dass der Verein sich nicht als reiner Kampfsportverein versteht, sondern auch weitere Aktivitäten organisiert. Kinoabende, Ausflüge, gemeinsames kochen und backen – im Mittelpunkt steht die Gemeinschaft und nicht der Boxring. Einen herkömmlichen Boxring besitzt der Verein ohnehin nicht. Für das Projekt ließ er sich einen eigenen, der auch Rollstuhlnutzer:innen die Teilnahme ermöglicht, anfertigen.

Regelmäßig trainieren über 50 Menschen gemeinsam in der kleinen Turnhalle der Lessinggrundschule. Zuletzt organisierte der Verein sogar eine inklusive NRW-Meisterschaft mit annähernd 4.000 Besucher:innen. Trotz dieser Erfolge betont Anahita Lotfi, dass sie keine Musterlösung hat, um Einsamkeit zu besiegen, denn das Rausholen aus der Einsamkeit ist ein langwieriger Prozess der viel Zeit benötigt.

„Eulen und Lerchen“ – Betreuung gegen Vereinsamung

Das Mütterzentrum Dortmund, vertreten durch Nicole Siegmann, geht mit dem Projekt „Eulen und Lerchen“ das Problem der Einsamkeit an. Das Projekt besteht seit dem Beginn der Corona-Pandemie 2020 und wurde durch zwei Dortmunder Krankenhäuser angestoßen, als es zu Schwierigkeiten bei der Gestaltung der Dienstpläne kam. Sie gingen auf das Mütterzentrum zu, das nun in diesem Projekt Ehrenamtliche, zumeist Senior:innen, ausbildet, um die Betreuung von Kindern Alleinerziehender zu übernehmen. Auf diese Art erfüllt das Projekt mehrere Funktionen: Eltern wird so die berufliche Teilhabe ermöglicht und die Ehrenamtlichen erfahren Anerkennung und Wertschätzung, so Nicole Siegmann.

Nicole Siegmann vom Mütterzentrum stellte das Projekt „Eulen und Lerchen“ vor. Foto: Planerladen gGmbH

Die Diskussionen und Projektvorstellungen des Bürgerforums zeigten, dass Einsamkeit kein Randphänomen ist. Die Gruppen mit ihren Projekten, die Wortbeiträge aus dem Publikum sowie die lebhafte Diskussion zeigten, dass sich die Gesellschaft stärker dem Problem Einsamkeit bewusst wird. Veränderungen wie Förderung von Begegnungen in barrierearmen, inklusiven und kultursensiblen Orten mit attraktiven Angeboten muss weiter erfolgen, um Menschen aus ihrer Komfortzone zu holen, statt sie zu vergessen.

Das „Bürgerforum Nord trifft Süd“ ist eine Veranstaltungsreihe des Projekts „Inkludo 2.0“ (Inklusion von Drittstaatsangehörigen in Dortmund) der Planerladen gGmbH in Zusammenarbeit mit der Auslandsgesellschaft und mit Unterstützung von MIA-DO Kommunales Integrationszentrum Dortmund. Das Projekt „Inkludo 2.0“ wird aus Mitteln des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der EU kofinanziert.

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Reaktionen

  1. Thomas Haagen

    Ein „Quatschraum“ in jedem Vorort, zum Quatschen und Quatsch machen, ist die naheliegende Lösung gegen Einsamkeit. Realisiert werden könnten Quatschräume sofort durch mobile „Festzelte“ an jedem zentralen Marktplatz oder die Nutzung einer leerstehenden Immobilie an urbaner Stelle.

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