10. MO_Kunstpreis für Performance-Künstler:in caner teker

Zärtliche oder toxische Männlichkeit? Ein Ringkampf zwischen Gewalt und Intimität

caner tekers Performance KIRKPINAR (2020/2023) setzt sich mit der über 750 Jahre alten Tradition des türkischen Öl-Ringkampfes Yağlı Güreş auseinander. © spyros rennt

Der 10. MO_Kunstpreis geht an den/die deutsch-türkische Performancekünstler:in caner teker. Der Preis wird am Sonntag, 19. November, 11 Uhr durch die Freunde des Museums Ostwall verliehen. Besucher:innen haben dann die Chance, die prämierte Performance KIRKPINAR im Schaufenster des MO zu erleben.

Spiel mit der Tradition des türkischen Öl-Ringkampfes Yağlı Güreş

caner teker (geb. 1994) studierte an der Kunstakademie Düsseldorf und anschließend an der School for New Dance Development, Amsterdam. Er/sie ist Choreograf:in und Künstler:in und schafft eindrucksvolle Bilder, die persönliche Erfahrungen von Queerness und postmigrantischer Identität beinhalten und über sie hinaus gehen.

Die Performance wurde für den Preis ausgewählt, da sie aus Sicht der Jury an die feministische Body Art der 1960er-Jahre anknüpft. Arbeiten zu diesem Thema sind in der MO_Sammlung bereits vertreten und caner teker erweitert die in den 1960er-Jahren aufgeworfenen Fragen um zeitgenössische Perspektiven.___STEADY_PAYWALL___

Ausschnitt aus caner tekers Performance KIRKPINAR (2020/2023) © spyros rennt

KIRKPINAR ist eine 30-minütige Live-Performance die sich mit der über 750 Jahre alten Tradition des türkischen Öl-Ringkampfes Yağlı Güreş auseinandersetzt. Das erste Kırkpınar-Turnier wurde 1361 im damaligen Osmanischen Reich ausgetragen und das gleichnamige Festival ist seit 2010 Bestandteil des immateriellen UNESCO-Kulturerbes der Menschheit.

Bei teker betreten zwei Performer:innen den Ring, bandagieren sich die Hände, legen einen Mundschutz an und reiben ihre Körper mit Öl ein. Doch dann verändert sich die Szenerie und verlässt das Erwartbare.

teker inszeniert alles wie in Zeitlupe. Das Aufeinandertreffen der Körper, ihre Kraft und Energie werden verlangsamt und wirken auf einmal intim und beinahe zärtlich. Mit diesem Vorgehen hinterfragt teker tradierte Vorstellungen von Männlichkeit.

Die Überwältigung und das Besiegen des Gegenübers erscheinen auf einmal wie ein Miteinander, ein gegenseitiges Stützen und Ausbalancieren. Und auch der Blick auf den männlichen Körper wandelt sich. Der muskulöse, durchtrainierte Körper, in der europäischen Kunstgeschichte seit Jahrhunderten als Ideal von Männlichkeit verehrt, erscheint bei teker uneindeutig.

Wie sammelt man eine Performance – und wie stellt man sie aus?

Der MO_Kunstpreis wurde 2014 von den Freunden des Museums Ostwall ins Leben gerufen und wird seit dem einmal jährlich verliehen. Es ist von Seiten des Freundeskreises mit 10.000 Euro dotiert – die Stadt Dortmund fördert den Ankauf der preisgekrönten Arbeit mit weiteren 10.000 Euro, um die Sammlung des MO lebendig zu halten.

Der Box-Ring im Schaufenster des Museum Ostwall im Dortmunder U. © Katrin Pinetzki / Stadt Dortmund

Mit der Auszeichnung caner tekers und dem Ankauf der Performance betritt das Museum neues Terrain. Denn: Wie sammelt man eine Kunstform, die erst durch ihre Aufführung lebendig wird? Wie stellt man sie aus? Mit dieser Frage werden sich Expert:innen des Museums im Rahmen des Begleitprogramms am 12. Januar 2024 beschäftigen.

Im MO entschied man sich zunächst den Raum der Performance auch nach der Aufführung noch bis zum 11. Februar 2024 stehen zu lassen. Ein vier mal vier Meter großer Box-Ring, Sporthosen, Boxhandschuhe und Handtücher werden das Werk dann aber nur noch erahnen lassen. Die Gelegenheit den eigenwilligen Kampf live zu erleben, sollten Besucher:innen also unbedingt nutzen.

Wer caner teker später noch einmal im Gespräch erleben möchte, hat dazu am 8. Februar 2024, ab 19 Uhr die Möglichkeit. Teker spricht dann mit Schauspiel-Intendantin Julia Wissert und Nicole Grothe, Leiterin der MO_Sammlung.

Weitere Informationen: dortmunder-u.de/event/mo_schaufenster-35-caner-teker/


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Reaktionen

  1. „Performance sammeln?“ – Talkrunde im Museum Ostwall untersucht die Herausforderungen und Perspektiven (PM)

    Das Museum Ostwall (MO) hat im Jahr 2023 zum ersten Mal in seiner Geschichte eine Performance für seine Sammlung erworben. Anlass dafür war die Vergabe des MO_Kunstpreises im November 2023 an an caner teker. Seine Performance „KIRKPINAR“ wurde einmalig nach der Preisverleihung in Museum inszeniert, die Überreste, Objekte und der Raum, sind noch bis zum 12. Februar im MO_Schaufenster zu sehen.

    Talkrunde: „Performance sammeln?“

    Am Freitag, 12. Januar, findet von 18 bis 20 Uhr eine Talkrunde unter dem Titel „Performance sammeln?“ im Flux Inn statt (Eingang über Ebene 5). Dabei werden verschiedene Fragen aufgeworfen: Wie kann eine Performance, die nur während ihrer Aufführung sichtbar ist und keine greifbaren Überreste hinterlässt, Teil einer Museumssammlung sein? Welche Elemente werden archiviert, wenn ein Museum eine Performance erwirbt? Wie kann ein immaterielles und flüchtiges Kunstwerk für kommende Generationen erhalten und gepflegt werden?

    Diskussion mit Expert*innen

    An der Diskussion teilnehmen werden Nicole Grothe, Leiterin der MO_Sammlung, Geraldine Rokker, Registrarin am MO, sowie Lisa Schiller, Restauratorin am MO. Die Freund*innen des Museum Ostwall e.V., die auch die Stifter des MO_Kunstpreises sind, sowie das Publikum sind eingeladen, sich an dem Gespräch über den ersten Erwerb einer Performance in der Geschichte des MO und die damit verbundenen Herausforderungen zu beteiligen.

  2. Queerness und Rassismuskritik – MO_Kunstpreisträger*in caner teker im Gespräch beim „Kleinen Freitag“ im Dortmunder U (PM)

    Beim „Kleinen Freitag“ am Donnerstag, 8. Februar im Dortmunder U ist Künstler*in caner teker zu Gast. Gemeinsam mit Schauspiel-Intendantin Julia Wissert und Dr. Nicole Grothe (Museum Ostwall) diskutiert er über Identitätspolitik und anti-rassistische Arbeit in der Kunst.

    Seit November 2023 gehört die Performance „KIRKPINAR“ von MO_Kunstpreisträger*in caner teker zur Sammlung des Museum Ostwall. In seinen Werken nimmt der Körper als Mittel und Medium einen zentralen Platz ein. Die Veranstaltung im Flux Inn im Dortmunder U (Ebene 4, Eingang über Ebene 5) nimmt tekers Werk in den Fokus und wirft auch Fragen auf, die in aktuellen Kunst-Diskursen von Bedeutung sind.

    Welche Rolle spielen anti-rassistische Arbeit und Identitätspolitiken in der Kunst und in aktuellen performativen Praxen? Welche Position nehmen Kulturinstitutionen wie Museen und Theater innerhalb der aktuellen gesellschaftspolitischen Debatten ein? Um diese und andere Fragen geht es in dem Gespräch. Daneben sprechen Wissert und Grothe mit teker über queere und rassismuskritische Aspekte der Performance „KIRKPINAR“ sowie über die politische Dimension ihrer eigenen Arbeit als Kunst- und Kulturproduzent*innen.

    Der Eintritt ist frei. Bitte per E-Mail anmelden: kleinerfreitag@stadtdo.de.

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