„Ungehorsams-Arrest“ für Jugendliche im Amtsgericht Dortmund: Alles was Spaß macht, bleibt draußen!

Jörg Breuer vor den Zellen für den „Ungehorsams-Arrest“ im Amtsgericht Dortmund.
Jörg Breuer vor den Zellen für den „Ungehorsams-Arrest“ im Amtsgericht Dortmund. Fotos: Alex Völkel

Von Alexander Völkel

Endstation Knast. Zumindest für 46 Stunden. Das sieht der „Ungehorsams-Arrest“ vor – eine Strafe, die es (wie der Name erahnen lässt) seit Jahrzehnten in der Jugendgerichtsbarkeit gibt. Er soll erziehen, abschrecken und bestrafen.

Jugendliche zwischen 16 und 19 Jahren fahren für ein Wochenende ein

Jugendrichter Dr. Gerhard Breuer
Jugendrichter Dr. Gerhard Breuer kann solche Arreststrafen oder auch Meldeauflagen verhängen.

Diese Form des Arrests wird dann verhängt, wenn die Jugendlichen ihre Sozialstunden nicht abgeleistet haben, berichtet Jugendrichter Dr. Gerhard Breuer. Diese haben sie zum Beispiel wegen wiederholten Schwarzfahrens oder wegen Ladendiebstahls kassiert.

Dann fahren die männlichen Jugendlichen – die meisten sind zwischen 16 und 19 Jahren alt – für ein Wochenende ein. Allerdings nicht im „Lübecker Hof“, wie die Dortmunder Justizvollzugsanstalt im Volksmund genannt wird. Für diese Form von Arrest gibt es zehn Zellen im benachbarten Amtsgericht. Für Mädchen gibt es eine Einrichtung in Wetter.

Von Samstag 8 Uhr bis Montag 6 Uhr können die Jugendlichen dann im Amtsgericht einsitzen. Es gibt eine Einzelzelle, Essen aus der JVA und viel Zeit zum Nachdenken. Jörg Breuer – weder verwandt noch verschwägert mit dem Jugendrichter – ist Leiter der Wachtmeisterei und einer von zwei Kollegen, die sich den Dienst teilen.

Wobei „teilen“ so nicht stimmt – sie machen abwechselnd die Wochenend-Schichten – immer zwei Tage und zwei Nächte am Stück. Kein leichter Job: „Das schlaucht“, sagt Jörg Breuer. Man ist alleine hier, aber immer per Notruftaste und Funkverbindung mit der benachbarten JVA verbunden.

Die Höchststrafe für sie: Keine Zigaretten, kein Handy, keine Playstation

Vor den Zellen für den Warnschuss-Arrest im Amtsgericht gibt es eine Büchersammlung.
Vor den Zellen für den „Ungehorsams-Arrest“ im Amtsgericht gibt es eine Büchersammlung.

Viele Arrestanten kommen mit falschen Vorstellungen: Ohne Zahnbürste und Handtuch, dafür aber mit einer Playstation unter dem Arm. Doch die Jugendlichen sollen in Einzelhaft darüber nachdenken,warum sie hier sind.

Sie können sich Lektüre mitbringen. Einige kommen mit Fahrschulunterlagen  – sehr selten bringen sie Schulmaterialien mit. „Manche lernen gerade schreiben“, weiß Jörg Breuer.

Die Höchststrafe für sie: Keine Zigaretten, kein Handy, keine Playstation. Alles was Spaß macht, bleibt draußen. Sie dürfen allerdings in die Bücherkiste greifen. Die meisten nehmen nur Comics. Bücher wie Tom Sawyer werden nur selten angefasst.

Es gibt zwei Gruppen: „Hier seht ihr mich nie wieder“ sagen die einen – und halten Wort. Oder die zweite Gruppe, die Strafe wegwischen. Die meisten machen sich aber Gedanken.

Manche machen zu Beginn auf dicke Hose und behaupten, dass sie das auf einer Arschbacke absäßen. „Das sind die, die nach drei Stunden auf den Notrufknopf drücken und zur Mama wollen. Das ist schon oft dagewesen“ berichtet der Justizwachtmeister. Die Panik bei den Jugendlichen kommt, wenn die Tür zugeht und sie merken, dass sie nicht mehr alleine rauskommen.“

Meldeauflagen können die deutlich effektivere Strafe sein

Diese Form der Strafe hinterlässt sehr unterschiedliche Wirkung: „Es gibt 60 bis 70 Prozent Rückfallquote – wie beim Jugendgefängnis auch“, weiß Jugendrichter Gerhard Breuer. Häufig seien dies Leute mit ziemlichen Drogenproblemen – sehr häufig Cannabis-Abhängige. „Da fällt es schwer, 20 Sozialstunden zu machen und pünktlich zu erscheinen.“

Justizwachtmeister Jörg Breuer vor einer Zelle für den Warnschuss-Arrest im Amtsgericht.
Justizwachtmeister Jörg Breuer vor einer Zelle für den „Ungehorsams-Arrest“ im Amtsgericht.

Häufig werden sie wegen Schwarzfahren verurteilt, weil sie das Geld für Drogen oder Alkohol brauchen. Nicht wenige Jugendliche fangen auch selbst an zu Dealen oder Ladendiebstähle zu begehen.

Wegen der Erfahrungen verhängt der Jugendrichter lieber eine andere Strafe: Meldeauflagen – für bis zu sechs Monate. Sechs Mal am Wochenende müssen sich die Jugendlichen dann nüchtern bei der Polizei melden: freitags um 20 und 22 Uhr samstags um 7, 20 und 22 Uhr sowie sonntags um 7 Uhr.

„Bei Alkohol- und Gewaltproblemen halte ich davon mehr als von Sozialstunden“, berichtet Dr. Gerhard Breuer. Dann seien sie sie zumindest zeitweise nicht auf der Piste. Diese Strafe schreckt ab: „Einer hat sogar Berufung eingelegt, weil er sich nicht das jedes Wochenende versauen lassen will.“

Hintergrund: „Warnschussarrest“ ist eine andere Strafe

  • Der „Ungehorsamsarrest“ ist nicht zu Verwechseln mit dem „Warnschussarrest“. Diese Form der Strafe gibt es erst 2014.
  • Beim „Warnschussarrest“ geht es darum, jugendliche Straftäter trotz einer verhängten Bewährungsstrafe zumindest einige Wochen hinter Gittern zu schicken, damit sie dafür ein Gefühl für die Strafe bekommen.
  • Diese kann tageweise bzw. bis zu vier Wochen in Arrestanstalten verbüßt werden. Solche Dies ist aber nicht im Dortmunder Amtsgericht, sondern in besonderen Einrichtungen in Lünen und Bottrop möglich.
  • Dort gibt es auch ein pädagogisches Konzept. Diese Art von Strafe wird bisher nicht sehr oft verhängt.

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