Im Gespräch mit der Dortmunder Schauspielintendantin Julia Wissert

SERIE Schwarze Ästhetik: Über mehrere Tage Programm aus Schwarzer Perspektive

Julia Wissert ist die Intendantin am Schauspiel in Dortmund. Im Gespräch mit nordstadtblogger.de, Chimène Goudjinou Klaus Hartmann für nordstadtblogger.de

Im Mai 2024 geht das „Dortmund Goes Black“ Festival in die dritte Runde. Über einen Zeitraum von drei Tagen werden an verschiedenen Spielstätten des Schauspiel Dortmunds Darbietungen aus den Bereichen Tanz, Theater, Performance, bildender Kunst und Konzerte  angeboten – alles aus afrikanischer, afrodiasporischer und Schwarzer Perspektive. Wir haben mit der Dortmunder Schauspielintendantin Julia Wissert gesprochen.

„Dortmund Goes Black“ geht schon in die dritte Runde. Was war zu Anfang überhaupt eure Motivation für das Festival?

Vor drei Jahren hat es angefangen. Da haben die Kolleg:innen der Stadtdramaturgie und ich überlegt: „Was machen wir eigentlich zum Black History Month?“ Meine Kollegin Bernice Lysania Ekoula Akouala meinte damals: „Eigentlich ist es total schade, nur einen Monat zu machen. Können wir nicht ein anderes Format finden?“

Vor drei Jahren hat das „Dortmund Goes Black“ Festival mit der Idee ein Jahr lang immer wieder Schwarze Perspektiven im Spielplan auftauchen zu lassen angefangen. Klaus Hartmann für nordstadtblogger.de

Dann haben wir überlegt, ob wir es schaffen, über ein Jahr lang immer wieder Schwarze Perspektiven im Spielplan auftauchen zu lassen. Wir haben uns dann mit dem Frauenfilmfestival, dem Dietrich-Keuning-Haus (DKH) und dem Kunstverein zusammengetan und dieses Netzwerk gegründet, um das „Dortmund Goes Black“ Festival zu hosten.

Für ein deutschsprachiges Stadttheater war das eine echte Innovation: über mehrere Tage Programm aus Schwarzer Perspektive anzubieten. Das geht weit über die Planungen für ein klassisches Stadttheater hinaus.

Deshalb glaube ich sehr an dieses Festival, weil es Sichtbarkeit für Kunst aus Schwarzer Perspektive, afro-diasporischer und afrikanischer Perspektive schafft. Und das an einem Ort, der sich vielleicht nicht sofort damit beschäftigen würde oder möchte.

Was wir jetzt auch merken bei der Kuration dieses Festivals: Daraus hat sich ein Netzwerk von Künstler:innen gebildet, die inzwischen auch außerhalb des Festivals miteinander arbeiten, miteinander kommunizieren oder sich gegenseitig besuchen. Deswegen würde ich sagen, dass das Festival so wichtig für Empowerment ist, Sichtbarkeit zu schaffen und Kunst aus Schwarzer Perspektive zu zelebrieren.

Was sagst du zu der Kritik: „Es herrscht keine Diversität, weil weiße Perspektiven nicht abgebildet werden“

Ich bin künstlerische Leiterin eines Schauspiels und sehe, dass wir über 270 Tage Programm im Jahr machen, welches vor allem auch weiße Perspektiven abbildet und repräsentiert. Ich kann es sehr gut vertreten, an drei dieser 270 Tage zu sagen:

Es gibt eine Einladung an ein Publikum, das sich vielleicht weiß positioniert, jetzt an drei Tagen einmal einen Perspektivwechsel vorzunehmen und Raum zu geben für Schwarze afro-diasporische afrikanische Perspektiven. Ich finde, das kann man vertreten. Es soll niemanden ausschließen, nur das Publikum und die Perspektiven erweitern.

Was ist das Besondere am „Dortmund Goes Black“ Festival?

Die Künstler:innen, die das kuratieren, machen das „Dortmund Goes Black“ Festival besonders. Die Künstler:innen, die teilweise ihre Zeit, ihre Abende, ihre Kinder mit in die Jurysitzung, Kurationsitzung und zu den Runden Tischen mit einbringen. Die dann selbst auch noch andere Künstler:innen darauf aufmerksam machen, dass es ein Festival gibt, einladen und sagen:

Am „Dortmund Goes Black“ Festival findet Julia Wissert den Umgang miteinander besonders schön. Klaus Hartmann für nordstadtblogger.de

„Hey komm vorbei“. Die vor allen Dingen über ihre künstlerische Arbeit hinaus am Festival beteiligt sind und dafür sorgen, dass das Festival und die Atmosphäre des Festivals so werden, dass man sich hoffentlich willkommen fühlt und Lust hat, Zeit dort zu verbringen. Ich habe aber auch das Gefühl, dass alle Verantwortung übernehmen.

Ich hatte beim Festival immer das Gefühl, dass es schnell ein gutes Netzwerken gibt. Zudem kümmern die Teilnehmer:innen sich um einander, sodass alle sich wohl fühlen.

Das Programm ist ja immer von den Bewerber:innen abhängig. Was erwartet uns dieses Jahr?

Es wird auf jeden Fall ein spoken Word geben, Performances, Partys, Filmscreenings und Ausstellungen. Die Formate sind total offen. Die Künstler:innen bewerben sich mit etwas Fertigem und es kann aber auch passieren, dass sich durch die gemeinsamen Gespräche und Planungen etwas Neues entwickelt, das beim Festival gezeigt werden soll.

„Es wird auf jeden Fall ein spoken Word geben, Performances und Partys“, verrät Julia Wissert. Klaus Hartmann für nordstadtblogger.de

Sagen wir zum Beispiel, jemand hätte eine Talkshow. Anstatt das externe Gäste eingeladen werden, würden wir dann nachfragen: „Könntest du dir auch vorstellen, Künstler:innen aus dem Festival einzuladen?“ Dann würden wir praktisch eine Verbindung zwischen deinem Format und den Künstler:innen des Festivals schaffen.

Insgesamt gab es in diesem Jahr so viele Bewerbungen wie noch nie, worüber wir wahnsinnig glücklich sind. Es zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

„Dortmund Goes Black“ hat ja das Ziel, Schwarze Künstler:innen sichtbarer zu machen. Gibt es Geschichten von Menschen, die nach dem Festival ihren Durchbruch hatten?

Anys Reimann zum Beispiel war eigentlich der Anhang von Theresa Weber im Kunstverein. Dann hatten wir sie eingeladen, beim „Dortmund Goes Black“ Festival auch noch dabei zu sein. Zu zweit haben sie Seidendrucke gemacht.

Eine Sache ist Julia Wissert aufgefallen: „Insgesamt gab es in diesem Jahr so viele Bewerbungen wie noch nie“. Klaus Hartmann für nordstadtblogger.de

Letztens habe ich sie wieder getroffen in Düsseldorf beim Kunstpreis, nachdem sie den Kunstpreis Düsseldorf gewonnen hat. Sie ist mittlerweile fünfstellig und ausgebucht. Die Black Dads Germany zum Beispiel haben hier ein Format weiterentwickelt und gehen mit ihrem Storytelling-Programm auf Tour.

Ihr Feedback an uns war, dass es ihnen sehr geholfen hat, im Rahmen des Festivals alles von uns eingerichtet zu bekommen, zusammenführen und zeigen zu können.


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  1. Vielfalt und Musik beim Dortmund Goes Black Festival (PM)

    Zum dritten Mal lädt das Schauspiel Dortmund zu seinem „Dortmund Goes Black Festival“ ein, das die breite Vielfalt Schwarzer, afrikanischer und afrodiasporischer Kultur und deren musikalische Exzellenz in den Mittelpunkt stellt. Das dreitägige Kulturfestival findet in diesem Jahr vom 16. bis zum 18. Mai statt und bietet eine Plattform, um herausragende Künstler*innen zu feiern und deren Einfluss auf die Kunstszene zu würdigen.

    Mit seiner außergewöhnlichen Mischung aus Musik, Tanz, Theater, Ausstellungen und Partys bietet das „Dortmund Goes Black Festival“ auch 2024 ein einzigartiges Erlebnis. Das Festival wird nicht nur eine Gelegenheit sein, die Kunst und Kultur der Schwarzen Gemeinschaft zu feiern, sondern auch Raum für Dialog und Austausch schaffen. Durch Workshops, Panels und interaktive Formate wird das Publikum dazu ermutigt, aktiv am kulturellen Diskurs teilzunehmen und neue Perspektiven zu entdecken. Nachdem es am Donnerstag, 16. Mai, mit einem Soft Opening ab 18 Uhr einen kleinen gemeinsamen Start ins Festival gibt, zu dem ein Spoken Word, die Performance „Nothin‘ but a shadow“ von Akasha Daley und ein Pop/Hip-Hop-Konzert mit TRUTH zählen, wird das Festival offiziell am Freitag, 17. Mai, um 17 Uhr mit einem Konzert von Ornella Mikwasa, die ihren Musikstil als Afro-Soul und Afro-Pop beschreibt, und einer Begrüßung durch Julia Wissert, Intendantin des Schauspiel Dortmund, und der Bundestagsabgeordneten und Schirmherrin des Festivals Awet Tesfaiesus, im Institut des Schauspiel Dortmund eröffnet. Dort ist auch die Ausstellung „Her Hair“ von Janinka Okoye, ein Zusammenspiel aus Druckgrafik, Zeichnung mit Kohle, Pigment-Stift und Rötel als eine Art Identitätssuche, bereits ab 16 Uhr während des ganzen Festivals eingerichtet. Ein besonderes Erlebnis ist die Performance „Haba na Haba“ mit Paul Damiano um 20.30 Uhr im Studio, die das Publikum inspiriert und auf eine Reise in die Vergangenheit einlädt, sich an ausschlaggebende Momente der eigenen Lebensgeschichte zu erinnern. „Haba na Haba“ ist ein Wohlfühlstück über Paul Damianos ganz persönliche Lebensgeschichte, seine Kindheit in Kenia, Erinnerungen und die spielerische Reise des Erwachsenwerdens. Im Anschluss gibt es ein Konzert mit NNADI & Joe Nimi im Institut, deren Musikstil im Bereich des Pop und Hip-Hop liegt. Neben diesen beispielhaften Programmpunkten vervollständigen viele weitere Veranstaltungen das Festival, darunter auch zahlreiche kostenlose Angebote. Weitere Informationen zum gesamten Programm finden sich unter https://www.theaterdo.de/schauspiel/festivals/. Tickets für die Veranstaltungen sind ab 24. April im Vorverkauf und erhältlich im Kundencenter (Platz der Alten Synagoge), unter 0231/50-27222 oder http://www.theaterdo.de. Zu den Workshops, unter anderem eine Schreibwerkstatt mit der Autorin Phyllis Quartey und ein Ausstellungs-Workshop mit Clarisse Akouala, können sich Interessierte unter schauspiel@theaterdo.de anmelden.

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