Umfangreiches Programm aus Workshops, Meditation und Party

Zwischen Ruhepol und Aktivismus: Drei Tage „Dortmund Goes Black“ am Schauspiel

Festivalplakat „Dortmund Goes Black“ – das Programm startet an diesem Wochenende im Schauspielhaus. Bild: Schauspiel Dortmund

Nach dem Startschuss in 2022 findet ab kommenden Freitag (3. Februar 2023) zum zweiten Mal das Festivalformat „Dortmund goes Black“ statt. Sieben neue Künstler:innen sind dabei und Festivalort ist in diesem Jahr ausschließlich das Schauspiel, das zu einer Art „Kraft-Oase“ werden soll. Wir sprachen mit Rohilat Kalmaz und Mara Henni Klimek vom Festivalteam über das Konzept.

Frage: Das Motto des Festivals ist „Warum ruhen wir uns aus?“ Müssen wir angesichts drängender Fragen nicht eher runter vom Sofa?

Mit Spaß dabei: Mara Henni Klimek (l.) und Rohilat Kalmaz vom Festivalteam. Bild: Schauspiel Dortmund

Mara Henni Klimek: Zu Beginn der Planung der zweiten Runde des Festivals war das Motto „Irritating Masculinity“ angedacht. Diese Idee kam Megha Kono-Patel – der künstlerischen Leitung des Festivals – vor allem, nachdem ein 16-jähriger schwarzer Junge in Dortmund erschossen worden war.

In Gesprächen mit den Künstler:innen von „Dortmund Goes Black“ kam aber schnell heraus, dass es auch mal einen Raum braucht, der empowernd ist. Also die Frage „Wann ruhen wir uns aus?“. Wo gibt es die Momente, zur Ruhe zu kommen, sich sicher zu fühlen und neue Kraft zu schöpfen? 

Das Festival will einen Raum des Zusammenkommens, des sich Wohlfühlens und Ausruhens bieten. Wieso sind „Selflove, Selfcare und Communitybuilding“ Praktiken des Widerstands?

Collage mit den neuen Künstler:innen des Festivals 2023 Collage: Zijah Jusufovic

Rohilat Kalmaz: Als marginalisierte Person kann allein schon der „einfache“ Alltag sehr anstrengend und Kräfte zehrend sein. Hinzu kommen dann meist noch Arbeit, Uni oder eine Ausbildung und auch ein soziales Leben. All dies kann für sich schon überfordernd sein und wenn man dann noch die Ebene Diskriminierungen, die einem begegnen, mitdenkt, wird ziemlich schnell klar, dass es einen Raum braucht, der sich dem Ausruhen widmet.

Mara Henni Klimek: Sich die Zeit zu nehmen, für sich selbst da zu sein, ist also wichtig, um weitermachen zu können. Aber natürlich ist es auch immer ein Widerstand, sich bewusst aus Strukturen rauszuziehen, sich dem Druck, der auf einen ausgeübt wird, zu widersetzen und einen Ort zu finden, in dem man selbst sein kann, ohne sich positionieren, kämpfen oder durchhalten zu müssen. 

Was habe ich mir denn konkret unter einem „Selfcare Workshop“ oder dem „Healing Circle“ vorzustellen? 

Rohilat Kalmaz: Während des Festivals wird es zwei Workshops für BiPoc im Safer Space geben*. Einmal am Samstag den „Healing Circle“, der unter dem Motto „Remember who we are“ stehen wird und einen Raum für Erinnerungen und das Besinnen auf sich selbst und die eigenen Kraftquellen schaffen soll. Auch der „Community Chor“-Workshop am Sonntag wird im Safer Space stattfinden, ein Workshop, in dem die eigene Stimme gestärkt werden soll und für den keine Vorkenntnisse gebraucht werden. 

Mara Henni Klimek: Außerdem findet am Sonntag noch das Storytelling mit anschließendem Tonworkshop statt, dieser Workshop richtet sich an alle und beschäftigt sich mit Raubkunst. Und wir haben noch viele weitere interessante Formate wie Performances, Fotoausstellungen, Gesprächsrunden und DJ-Sets, zu denen alle herzlich eingeladen sind. 

Das Festival will vernetzen und begann 2022 selbst als Kooperation von vier Dortmunder Kulturinstitutionen – wie drückt sich das 2023 aus? Wie kommt es zum Programm? 

Mara Henni Klimek und Rohilat Kalmaz verstehen Kuratieren als Gemeinschaftsaufgabe. Bild: Schauspiel Dortmund

Mara Henni Klimek: Das Festival ist Plattform für die verschiedensten Kunstformen und das Schauspiel Dortmund bietet an diesem Wochenende einen Ort, an dem diese zusammenkommen und bewundert werden können. Wichtig ist hierbei, dass nicht wir oder die Kooperationspartner:innen etwas vorgegeben haben. Die Künstler:innen haben sich auf die Open Calls beworben und wir haben lediglich das, was sowieso schon da war, sei es eine Performance, Wissen, ein Workshop, Kunstwerke, ans Haus geholt. So entstand die Praxis des gemeinschaftlichen Kuratierens und die Künstler:innen sind ein aktiver Teil davon, wie das Festival am Ende aussehen soll und letztendlich dann auch aussieht. 

Was sollte ich aus Eurer Sicht nicht verpassen? Wie gerate ich bei der kreativen Fülle des Angebots nicht in Stress?

Rohilat Kalmaz: Das Festival hat tatsächlich über die drei Tage viele großartige Formate, das kann auf den ersten Blick bestimmt ein wenig überfordernd wirken. Das Tolle an dem Festival ist aber, dass es vor allem durch die Atmosphäre vor Ort zu etwas besonderem wird. Sollte man also eine Veranstaltung nicht besuchen können oder eine Pause brauchen, dann kann man sich im Foyer aufhalten, sich auf dem Vorplatz bei Kaffee mit Menschen unterhalten oder die Fotoausstellung „We in Progress“ im Rangfoyer auf sich wirken lassen. Man kann sich an diesem Wochenende spontan seinen individuellen Festivalplan erstellen, ganz ambitionierte können sogar mit 20€ alle Programmpunkte sehen. 

*Anmerkung der Redaktion: Die Abkürzung BiPoc steht für englisch Black, Indigenous, People of Color. Mit dem Begriff sollen explizit Schwarze und indigene Identitäten sichtbar gemacht werden, um Antischwarzem Rassismus und der Unsichtbarkeit indigener Gemeinschaften entgegenzuwirken. Unter (englisch) „Safer Space“ ist ein Schutzraum oder auch geschützter Raum zu verstehen, in dem Menschen frei von Diskriminierung sein sollen. Er soll die Auseinandersetzung mit den eigenen Diskriminierungserfahrungen ermöglichen.

Mehr Informationen:

  • Dortmund Goes Black vom3. bis 5. Februar 2023
  • Alles zum Programm gibt es hier: Schauspiel Dortmund
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  1. Wo ist meine Identität? Jugendamt lädt Kinder und Jugendliche im Black History Month zum Workshop ins FHH (PM)

    Der Februar ist Black History Day Month! Aus diesem Anlass lädt das Jugendamt Dortmund am Samstag, 11. Februar zu einem besonderen Workshop ins Fritz-Henßler-Haus (Geschwister-Scholl-Straße 33–37): Unter dem Titel „Aufwachsen in zwei Gesellschaften. Wo liegt meine Identität?“ sind Kinder und Jugendliche zwischen 6 bis 18 Jahren angesprochen, sich mit der eigenen Identität zu beschäftigen.

    Viele junge Menschen wachsen mit zwei Identitäten auf. Sie müssen die traditionellen Werte ihrer Eltern mit der gelebten Realität in Deutschland vereinen. In dem Workshop am 11. Februar, 12 bis 18.30 Uhr gibt es in einer Podiumsdiskussionen, in Vorträgen sowie einem Theaterworkshop zum Thema „True Storytelling“ die Möglichkeit, mehr über die Geschichte und die Traditionen der schwarzen Bevölkerung zu erfahren und sich darüber auszutauschen.

    Das Angebot richtet sich in erster Linie an Kinder und Jugendliche afrikanischer Herkunft im Alter von 6 bis 18 Jahren. Aber auch junge Menschen anderer Nationalitäten sind eingeladen, um einen interkulturellen Black History Day zu erleben.

    Die Teilnahme ist kostenlos, Info/Anmeldung bei Patience Atanga Ngwecalar, (0231) 50-2 45 32 oder pngwecalar@stadtdo.de sowie Amira Bahkit, Telefon: (0231) 50-23 472 oder abakhit@stadtdo.de

    Veranstalter ist die Koordinierungsstelle „Kinder und Jugendliche aus dem afrikanischem Kulturbereich“ der Kinder- und Jugendförderung des Jugendamts Dortmund.

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