SERIE Nordstadt-Geschichte(n): Der Friedhof für die Nordstadt lag nicht einmal auf Dortmunder Stadtgebiet

Gründung eines Förderkreises zur Erhaltung historischer Grabmale auf dem Nordfriedhof durch Gerda Horitzky
Das Grabmal der Familie Oberwinter steht/stand unter Denkmalschutz – die Figur wurde jedoch mittlerweile von Metalldieben gestohlen. Archivbild: Klaus Hartmann

Von Klaus Winter

Wann der erste Bewohner der „Nordstadt“ gestorben ist, dürfte heute wohl kaum noch zu ermitteln sein. Wo er seine letzte Ruhestätte gefunden hat, ist dagegen auch ohne das Wissen um das Sterbedatum eine leicht zu beantwortende Frage. Denn der einzige aktive Friedhof in den 1850er und bis Mitte der 1870er Jahre war der Westentodtenhof, der heute als Westpark bekannt ist. Als die Auslastung dieses Friedhofs an seine Grenzen stieß, wurde der Ostfriedhof angelegt, auf dem ab 1876 Bestattungen vorgenommen wurden. Die starke Zunahme der Stadtbevölkerung und der damit einhergehende Anstieg der Todesfälle führten dazu, dass man schon in den 1890er Jahren eine Vergrößerung des Areals des Ostfriedhofs in Erwägung zog.

Die Bewohner des Nordens sollten einen eigenen Friedhof erhalten

Kindergrab aus den frühen Jahren des Friedhofs
Kindergrab aus den frühen Jahren des Friedhofs

Die Bewohner des Dortmunder Nordens mussten, um zu den Gräbern ihrer Verstorbenen auf dem Westen- oder Ostfriedhof zu gelangen, teilweise lange Wege auf sich nehmen.

Auf der anderen Seite war der Bevölkerungszuwachs im Norden sehr stark. So setzte sich im Magistrat und in der Stadtverordnetenversammlung die Einsicht durch, dass für die Bewohner des nördlichen Stadtgebiets ein eigener Friedhof notwendig wäre.

Die ersten konkreten Hinweise auf den späteren Nordfriedhof finden sich zu Beginn der 1890er Jahre. Aus dem städtischen Verwaltungsbericht 1892/93 ist ersichtlich, dass zu der Zeit Verhandlungen über die Anlage eines Kommunalfriedhofs für den nördlichen Stadtbezirk geführt wurden.

Evinger Gutsbesitzer bot der Stadt Dortmund ein Grundstück an

Haupteingang des Nordfriedhofs an der Burgholzstraße
Der Haupteingang des Nordfriedhofs an der Burgholzstraße liegt im Stadtteil Eving.

Bis die Pläne Gestalt annahmen, sollte jedoch einige Zeit vergehen. Erst Ende 1895 gab es konkrete Vorschläge: Die Witwe des Evinger Gutsbesitzers Große-Leege bot der Stadt Dortmund ein Grundstück für die Anlage eines Friedhofs zum Kauf an.

Der Dortmunder Magistrat zeigte sich interessiert. Er ließ eine sanitätspolizeiliche Prüfung vornehmen, die bestätigen sollte, dass das angebotene Grundstück für Friedhofszwecke geeignet wäre.

Die Stadtverordneten-Versammlung wollte dem Vorschlag des Magistrats zum Erwerb des Grundstücks allerdings nicht folgen. Sie äußerte Bedenken wegen seiner Nähe zu einer Eisenbahnlinie und einer Mergelkuhle, die sich auf ihm befand. Deshalb wurde das Vorhaben des Magistrats in der Stadtverordneten-Sitzung vom 30. Dezember 1895 abgelehnt.

Städtische Kommission sollte sich der Friedhofsfrage annehmen

Damit die Angelegenheit nun nicht völlig ins Abseits geriet, wurde am 11. Februar 1896 eine sechsköpfige Kommission gewählt, die sich mit der Friedhofsfrage befassen sollte. Die Kommission befasste sich bereits wenige Tage nach ihrer Wahl mit der Frage, wo der neue Friedhof anzulegen sei.

Das leere Grabmal bleibt zurück.
Das leere Grabmal – ohne Skulptur – der Familie Oberwinter blieb zurück. Archivbild: Alex Völkel

Drei Angebote lagen vor, darunter ein neues Angebot der Erben des Gutsbesitzers Große-Leege. Die boten der Stadt Dortmund nun ein anderes Grundstück zum Kauf an, und das schlug die Kommission am 27. April 1896 dem Magistrat zum Kauf vor. Der stimmte am 28. April zu.

Weil auch die Stadtverordneten keine Einwände hatten (18. Mai 1896), wurde der Kaufvertrag mit den Erben Große-Leege geschlossen. Die Stadt kaufte ein 50 Morgen großes Grundstück, dass durch die Hinzunahme kleinerer Grenzgrundstücke auf 60 Morgen ausgedehnt wurde. Der Kaufpreis pro Morgen betrug 3.000 Mark.

Niemanden störte es, dass der Friedhof für die Nordstadt in Eving lag

Als nachteilig wurde empfunden, dass über das neue Friedhofsgelände ein Weg führte, der nun um das Grundstück herumgeführt werden musste.

Dagegen störte es anscheinend niemanden, dass das neue Friedhofsgelände komplett in Eving lag, welches zu der Zeit noch nicht zu Dortmund, sondern zum Amt Lünen gehörte.

Obwohl man sich schnell handelseinig war, wurde das Friedhofsgelände, dessen südliche Begrenzung direkt an das Burgholz auf Dortmunder Seite stieß, erst 1897 aufgelassen und erst Ende Januar 1897 wurde die Bau-Kasse angewiesen, den Kaufpreis 164.064,33 Mark an Frau Witwe Große-Leege zu zahlen.

Hohe Anforderungen an einen Friedhof: Die Umwandlung des Geländes machte viel Arbeit

Kindergrab, 1904
Kindergrab, 1904

Der Kreisphysikus, Geheimer Sanitätsrat Dr. Hagemann, untersuchte das Grundstück am 20. Mai 1897 nochmals um festzustellen, ob es den gesetzlichen Anforderungen an einen Friedhof genügte. Das war der Fall.

Doch der Kreisphysikus sah die Notwendigkeit einer Entwässerungsanlage. Denn der Grundwasserspiegel lag an einigen Stellen, an denen man Bohrungen vorgenommen hatte, um den Boden zu analysieren, nur zwei Meter unter der Erdoberfläche.

Nach Vorliegen des Gutachtens des Kreisphysikus erteilte die Polizeiverwaltung des Amtes Lünen die polizeiliche Genehmigung zur Anlage eines Friedhofs auf dem ehemaligen Grundstück des Gutsbesitzers Große-Leege durch die Stadt Dortmund.

Außer der Umlegung des Weges und der Anlage einer Drainage wurde auf dem Grundstück auch ein deutliches Nord-Süd-Gefälle beseitigt. Dazu wurde Boden im Norden /Nordosten abgetragen und im Süden /Südwesten aufgetragen. Auch eine Bodenvertiefung im westlichen Bereich wurde zugeworfen.

Der neue Friedhof für die Nordstadt wurde im November 1897 geweiht

Einladung zur Weihe des Nordfriedhofs (Stadtarchiv Dortmund, Bestand 3, lfd. Nr. 2551)
Einladung zur Weihe des Nordfriedhofs (Stadtarchiv Dortmund, Bestand 3, lfd. Nr. 2551)

Die Arbeiten gingen zügig voran. So konnte die Weihe des Friedhofs am 24. November 1897 erfolgen. An diesem Mittwoch setzte sich ein Festzug von der Johanneskirche aus in Bewegung zum Nordfriedhof.

Trauermusik begleitete Schulkinder der evangelischen Schulen des Nordens, die Pfarrer der evangelischen Johannes- und der Paulus-Gemeinde, den altkatholischen Pfarrer Moog, Kirchenrepräsentanten und Gemeindemitglieder auf den Weg zum neuen Friedhof.

Vor zwei offenen, geschmückten Gräbern hielt Pfarrer Jucho die Eröffnungsrede. Pfarrer Goldberg sprach das Weihegebet. Der altkatholische Pfarrer sprach ebenfalls ein Gebet, denn auch Mitglieder seiner Gemeinde sollten hier beigesetzt werden können.

Katholiken und Stadtvertreter fehlten bei Weihe

Ein katholischer Geistlicher hatte an dem feierlichen Weiheakt nicht teilgenommen, obwohl eine entsprechende Einladung ergangen war. Da der neue Friedhof keine rein katholische Angelegenheit war, sah man keine Notwendigkeit, eine katholische Weihe vorzunehmen.

Auch Mitglieder des Magistrats, nicht einmal solche der Friedhofskommission waren bei der Weihe des Friedhofs anwesend. In der Presse wurde gemutmaßt, dass sie darüber vielleicht gar nicht informiert gewesen waren.

Nach der ersten Bestattung gingen die Ausbau-Arbeiten am Friedhof weiter

Grabmal August Vockerodt, Detail, aktueller Zustand
Grabmal August Vockerodt, Detail, aktueller Zustand

Die erste Beisetzung auf dem Nordfriedhof fand am Tag nach der Einweihung statt. Bei dem Verstorbenen handelte es sich um August Vockerodt, der am 20. Mai 1861 geboren war und am 22. November 1897 starb.

Die Grabstelle hat sich bis heute erhalten. Der Evinger Geschichts- und Kulturverein e. V. hat sie besonders gekennzeichnet.

Fertiggestellt war der Nordfriedhof Ende 1897 noch nicht. Die Stadtverordneten genehmigten am 13. Juni 1898 Mittel für Wege- und Entwässerungsarbeiten, ein Wohnhaus für den Aufseher, ein Gewächshaus, einen Geräteschuppen, die Abortanlage, das Eingangstor, gärtnerische Arbeiten und die Bauleitung. Insgesamt die stolze Summe von 65.000 Mark.

Wohnhaus des Friedhofsverwalters am Haupteingang des Friedhofs
Wohnhaus des Friedhofsverwalters am Haupteingang des Friedhofs. Fotos: Sammlung Klaus Winter

Am Friedhofseingang wurde ein Springbrunnen angelegt

Später wurde im Rundbeet am Eingang ein Springbrunnen angelegt. An der Nordseite des Friedhofs pflanzte man Bäume, um die Anlage besser von der benachbarten Zeche Minister Stein abzugrenzen. 1902 folgte eine Erweiterung der Gärtnerei um einen Ergänzungsbau. Die Leichenhalle wurde mangels Auslastung zu einem behelfsmäßigen Predigtraum.

1903 wurde die Drainage verstärkt. Auch die Wegebauarbeiten wurden fortgesetzt, erst in der West-, dann in der Osthälfte des Geländes. Diese Arbeiten waren bis 1906 beendet.

Bergschäden verunstalteten den Friedhof und sein Umfeld

Bergschäden waren die Ursache dafür, dass sich bis 1913 das Friedhofsgelände um etwa 23 cm gesenkt hatte. Die Wege auf dem Friedhof waren nicht mehr begehbar, in das Haus des Verwalters drang Grundwasser ein, die Drainage verschlammte.

Plan des Nordfriedhofs, 1917 (Stadtarchiv Dortmund, Bestand 3, lfd. Nr. 2550)
Plan des Nordfriedhofs, 1917 (Stadtarchiv Dortmund, Bestand 3, lfd. Nr. 2550)

Für alle Schäden musste die Hoesch AG aufkommen. Das war vor allem deshalb eine kostspielige Angelegenheit, weil die Bergsenkungen nicht nur den Nordfriedhof, sondern auch das Burgholz mit einem darin befindlichen Ausflugslokal und die Burgholzstraße in Mitleidenschaft gezogen hatten. Hoesch löste das Problem durch den Bau eines Pumpwerks, das ab 1915 zum Einsatz kam und tatsächlich die Absenkung des Grundwasserspiegels bewirkte.

Eingemeindungen führten zur Vergrößerung des Nordfriedhofs

Gründung eines Förderkreises zur Erhaltung historischer Grabmale auf dem Nordfriedhof durch Gerda Horitzky. In Feld 42 und 48.ruhen nahezu 300 Bombenopfer aus dem 2. Weltkrieg.
In Feld 42 und 48.ruhen nahezu 300 Bombenopfer aus dem 2. Weltkrieg. Foto: Klaus Hartmann

1914 wurden Brechten, Eving, Holthausen und Lindenhorst nach Dortmund eingemeindet. Diese Gemeinden standen alle vor dem Problem, dass ihre lokalen Friedhöfe kaum noch Platz für weitere Bestattungen boten.

Deshalb sollten die Verstorbenen dieser Gemeinden künftig eine Grabstelle auf dem Nordfriedhof erhalten. Dazu musste aber der Nordfriedhof vergrößert werden.

1917 wurde ein Grundstück an der Ostseite, das etwa ein Sechstel der Größe des bisherigen Friedhofsgeländes umfasste, erworben und bis 1919 zu Friedhofszwecken umgestaltet.

Nordstädter wurden ab 1921 auf dem Hauptfriedhof bestattet

Bis 1921 war der „Dortmunder Teil“ des Nordfriedhofs belegt. Wegen des niedrigen Grundwasserspiegels wurden Grabstellen mit abgelaufener Ruhefrist nicht neu belegt. Nordstädter wurde von nun ab auf dem Hauptfriedhof bestattet. Dagegen erwarb man 1923 an der Nordostseite des Friedhofs zusätzliches Gelände für die Verstorbenen der 1914 eingemeindeten Orte. Hier fanden Bestattungen bis 1959 statt. Heute ist der Nordfriedhof, der jahrzehntelang unter der Nachbarschaft der Großzeche Minister Stein gelitten hatte, in erster Linie eine grüne Lunge und ein Ort ruhiger Entspannung.

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Reaktionen

  1. Dieter Gemke

    Ein Ort ruhiger Entspannung ? Haben Sie schon einmal das Gegroele aus der so genannten „Soccerworld“ direkt neben dem Friedhof gehört ? Vom Frühjahr bis zum Herbst.Jeden Tag , incl. Sonn-und Feiertagen.Lärm ! Von 9.00 bis 21.00. Uhr Das Geschrei der Nutzer . Welche Banausen der Stadtverwaltung konnten so etwas nur genehmigen ? Ich als Grabbesucher bin sehr sehr enttäuscht.Von (Toten-) Ruhe keine Spur. Das ist sehr traurig,pietaet-und emphatielos.Danke Stadt Dortmund.

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