
Weit entfernt vom „Kopenhagen Westfalens“ ist Dortmund derzeit in Sachen Radverkehr: Die Westfalen-Metropole landet beim aktuellen Fahrradklima-Test des ADFC auf Platz 13 von 15 unter den Städten mit mehr als 500.000 Einwohner:innen. Mit der Bewertung 4,30 hat sich die Note gegenüber der Auswertung von 2022 (4,27) minimal verschlechtert.
Kommentare zeichnen ein besorgniserregendes Bild der aktuellen Situation
Am besten bewertet wird mit 2,7 die Öffnung der Einbahnstraßen für den Radverkehr in Gegenrichtung sowie das Angebot öffentlicher Fahrräder. Dieses Kriterium erzielte als einziges eine minimale Verbesserung um 0,1 Punkte gegenüber der letzten Befragung 2022.

Die schlechtesten Bewertungen erhielten die Breite der Radwege mit 5,2, die Führung bei Baustellen mit 5,0 und die Oberfläche der Wege für Radfahrende mit 4,9. Das Fahren im Mischverkehr zusammen mit Kfz sowie das Fahren auf Radwegen und Radfahrstreifen wurden jeweils mit 4,8 bewertet.
Im Ranking der Zusatzfragen zum „Miteinander im Verkehr“ belegt Dortmund Platz 12. Mit 3,0 wurde am besten bewertet, dass es selten Konflikte zwischen Radfahrenden gibt. Die schlechteste Bewertung in diesem Bereich erhielt das Überholen mit ausreichendem Sicherheitsabstand – hier lag die Note bei 4,9.

674 individuelle Anmerkungen gingen von den Teilnehmenden zur Fahrradsituation in Dortmund ein. Die Kommentare zeichnen nach Ansicht des ADFC ein besorgniserregendes Bild der aktuellen Situation für Radfahrende.
Trotz einiger Fortschritte in den vergangenen Jahren bleibt die Infrastruktur aus Sicht vieler Teilnehmender unzureichend und gefährlich. Die häufigsten Themen, die in den Kommentaren genannt wurden, betreffen die Sicherheit, die Ausbaugeschwindigkeit von Radwegen und den Zustand der bestehenden Radwege.
Sicherheit der Radfahrenden als das drängendste Problem
Die Sicherheit der Radfahrenden wird als das drängendste Problem beschrieben. Viele Kommentare berichten von gefährlichen Situationen, insbesondere an Kreuzungen und Einmündungen, wo Radwege abrupt enden oder nicht ausreichend gekennzeichnet sind. Die häufige Missachtung des vorgeschriebenen Sicherheitsabstands von 1,5 Metern beim Überholen durch Autofahrende sowie das Parken auf Radwegen erhöhen das Risiko für Radfahrende erheblich.

Auch die langsame Umsetzung geplanter Radwege, insbesondere des Radschnellwegs RS1, wird von vielen als frustrierend empfunden. Gefordert werden eine schnellere Realisierung und eine bessere Anbindung der Vororte an die Innenstadt.
Der Zustand der bestehenden Radwege wird vielfach als unzureichend beschrieben. Unebene Oberflächen und mangelnde Wartung machen das Radfahren oft unangenehm und gefährlich. Zudem sind viele Radwege nicht baulich von der Fahrbahn getrennt, was das Risiko von Unfällen erhöht.
Radfahrende wünschen sich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Herausforderungen

In bzw. aus Dortmund nahmen 1.690 Menschen an der Befragung teil. Aus den Rückmeldungen ergeben sich folgende Forderungen, um die Situation für Radfahrende in Dortmund zu verbessern:
- Schnellere Umsetzung von Radwegen: Der Ausbau des Radschnellwegs RS1 und anderer geplanter Radwege soll beschleunigt werden.
- Verbesserung der Sicherheit: Klare Kennzeichnungen, bauliche Trennungen zwischen Rad-, Auto- und Fußverkehr sowie eine bessere Ampelschaltung werden gefordert.
- Regelmäßige Wartung der Radwege: Die Stadt soll sicherstellen, dass die Radwege in gutem Zustand sind und regelmäßig gereinigt werden.
- Falschparken konsequent ahnden: Verstärkte Kontrollen und Ahndungen von Falschparken auf Radwegen werden verlangt.
- Mehr Abstellmöglichkeiten: Es wird der Aufbau sicherer und überdachter Fahrradabstellplätze in der Innenstadt und an wichtigen Verkehrsknotenpunkten gefordert.
Die Radfahrenden in Dortmund wünschen sich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Herausforderungen, die sie täglich erleben. Die Stadtverwaltung und die Politik sind aus Sicht vieler Teilnehmender gefordert, die Bedürfnisse der Radfahrenden ernst zu nehmen und konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um Dortmund fahrradfreundlicher zu gestalten.
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Reaktionen
Dortmund wird Fahrradstadt? Fortschritte sichtbar, aber echte Verkehrswende braucht mehr Mut (PM)
Unter dem Motto „Dortmund wird Fahrradstadt – wenn…“ diskutierte die GRÜNE Ratsfraktion gemeinsam mit rund 40 Vertreter*innen aus Stadtgesellschaft, Verwaltung und Politik über Chancen und Hürden auf dem Weg zur echten Radverkehrswende in Dortmund. Auf dem Podium: Heide Kröger-Brenner (ADFC Dortmund/Unna), Stefan Kuczera (Beigeordneter für Planung, RVR), Arnulf Rybicki (Dortmunder Beigeordneter für Bauen und Infrastruktur) und Thomas Eltner (GRÜNES Mitglied im Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Stadtgestaltung und Wohnen).
„Radfahren darf keine Mutprobe mehr sein – sondern muss für alle sicher und selbstverständlich werden“, forderte Thomas Eltner von der GRÜNEN Ratsfraktion in seinem Impulsvortrag zum Thema. Baulich getrennte Radwege, sichere Kreuzungen und klare Markierungen seien längst Standard in anderen europäischen Städten – und das nicht nur in den Niederlanden. Selbst Paris oder Mailand, vormals autogerechte Metropolen, machten es vor und trauten sich, vorhandene Verkehrsflächen neu aufzuteilen. Das führte am Ende zur Erkenntnis des Abends: Die Verkehrswende beginnt dort, wo politischer Wille konkret wird – mit Platzverteilung, mit Investitionen und mit dem nötigen Tempo.
„Wir brauchen nicht die perfekte Lösung von morgen“, so GRÜNEN-Fraktionssprecher Dr. Christoph Neumann, der die Veranstaltung moderierte. In den letzten Jahren sei schon viel passiert, auch durch den stetigen GRÜNEN Einsatz für das Thema klimaneutrale Mobilität. Dennoch könnten gerade kleine Maßnahmen an vielen Stellen für schnell spürbare Verbesserungen sorgen. “Es ist gut, dass große Verkehrswendeprojekte, wie der RS1, der Hoesch-Hafenbahn-Radweg oder auch die Velorouten auf den Weg gebracht wurden”, so Neumann. Doch die GRÜNE Ratsfraktion setze sich auch für schnelle Zwischenlösungen ein – und spricht sich dafür aus, dass kurzfristige Lückenschlüsse mit wenigen Mitteln angegangen werden.
Schon viel passiert – aber zu wenig koordiniert
Die Bilanz der letzten Jahre zeigt deutliche Fortschritte:
– Neun Velorouten für ganz Dortmund sind in Planung und Umsetzung
– Der Radwall nimmt Gestalt an – mit klaren Qualitätsstandards
– Der Ausbau von Fahrradstraßen und Fahrradparken ist auf den Weg gebracht
– Die Grüne Welle für Radfahrende funktioniert bereits an 28 Ampeln
– Der Radverkehrsbericht dokumentiert messbar mehr Platz für Radfahrende.
Trotzdem bleibt vieles stückwerkhaft – oft blockieren langwierige Abstimmungen mit der Bahn, z.B. beim RS1, Grundstücksfragen beim Gartenstadtradweg oder Zielkonflikte im Straßenraum den schnellen Umbau. „Wir nutzen jede Gelegenheit, um Radwege zu schaffen oder zu verbessern”, so Arnulf Rybicki. “Viele Teilstücke sind fertig oder starten bald – aber die Mosaiksteine wachsen erst im Laufe der Zeit zusammen“, bestätigt der Dortmunder Baudezernent. Und weist zugleich daraufhin, dass man den Erwartungen immer nur hinterher bauen könne, da sich Prioritäten immer wieder änderten.
Jetzt braucht es mehr Tempo
Der ADFC unterstrich, dass besonders Gefahrenstellen vorrangig gelöst werden müssten – etwa durch die Ausweisung von Fahrradzonen, verbesserte Markierungen oder Tempodrosselung. Sicherheit für Kinder müsse dabei oberste Priorität haben. „Fahrradpolitik darf sich nicht in Freizeitprojekten verlieren – es geht um Alltagswege, Sicherheit und eine echte Alternative zum Auto“, betonte Heide Kröger-Brenner vom ADFC. Die Verkehrswende gelinge nur dann, wenn die Menschen in der Stadt genügend gute Angebote vorfinden, um auf das Rad oder auch die Bahn umzusteigen.
Dazu herrschte auch Einigkeit im Publikum: Wenn Dortmund Fahrradstadt werden will, muss der Ausbau von Radwegen schneller gehen – und das bestehende Angebot sichtbarer werden. Wichtig waren den Teilnehmer*innen: Lückenschlüsse an Gefahrenstellen, mehr durchgängige Fahrradstraßen und temporäre Sperrungen für sichere Schulwege.
Nicht mehr Auto als Standard, sondern Rad, Fuß & ÖPNV geben den Takt vor
Neben Herausforderungen wie die Klärung von Grundstücksfragen, Abstimmungen mit der Bahn oder die Lösung von Parkraumkonflikten sei vor allem der politische Mut gefragt, betonte Stefan Kuczera vom RVR. „Wir brauchen eine diskriminierungsfreie Verkehrspolitik”. Wer vom schwächsten Verkehrsteilnehmer aus denke, komme am Ende automatisch zu stadtverträglichen Lösungen.
„Es braucht klare Entscheidungen: Wen schützen wir zuerst? Wem gehört der Platz?“, betonte Thomas Eltner abschließend. Gleichzeitig warnte Stefan Kuczera (RVR) in seinem Fazit vor einer zu polarisierenden Debatte: „Verkehrswende braucht Überzeugung, nicht Schaum vorm Mund. Aber eben auch den politischen Willen, Platz neu zu verteilen.“
Bilanz des Abends: Dortmund ist auf dem Weg – aber es braucht Prioritäten, Personal und politische Konsequenz. „Wir wollen, dass sich alle Menschen – von jung bis alt – angstfrei aufs Rad setzen können”, so Christoph Neumann abschließend. “Dafür arbeiten wir. Jeden Tag.“ Die GRÜNEN kündigten an, auch in Zukunft den Druck hochzuhalten: „Verkehrswende ist ein Kulturwandel. Und sie beginnt mit dem Mut zur Umverteilung.“