Aufklärung und Sensibilisierung als Kernaufgaben des Vereins

Ortsgruppe Dortmund des Vereins „SISTERS – für den Ausstieg aus der Prostitution e.V.“ gegründet

Kernaufgaben der neu gegründeten Ortsgruppe sind die Aufklärung über und Sensibilisierung für das gewaltvolle System der Prostitution in Deutschland sowie die Bereitstellung von Informationen über das sogenannte Nordische Modell.
Kernaufgaben der neu gegründeten Ortsgruppe sind die Aufklärung über und Sensibilisierung für das „gewaltvolle System der Prostitution in Deutschland“ sowie die Bereitstellung von Informationen über das sogenannte „Nordische Modell“. Foto: Annabell Brosi für die SISTERS-Ortsgruppe Dortmund

In Dortmund hat sich eine Ortsgruppe des bundesweit agierenden Vereins „SISTERS – für den Ausstieg aus der Prostitution e.V.“ gegründet. Kernaufgaben der neu gegründeten Ortsgruppe ist nach eigener Aussage die „Aufklärung über und Sensibilisierung für das gewaltvolle System der Prostitution in Deutschland“ sowie die Bereitstellung von Informationen über das sogenannte „Nordische Modell“.

Prostitution wird häufig durch physische und psychische Gewalt erzwungen

Hintergrund der Arbeit von SISTERS e.V. ist, dass tausende Frauen aus Osteuropa sowie afrikanischen und asiatischen Ländern aufgrund von Armut, Zwangs- und Notlagen in Deutschland in der Prostitution landen. Doch auch viele in Deutschland geborene und aufgewachsene Frauen gehen in den zahlreichen Bordellen, Laufhäusern, FKK-Häusern, Wohnungsbordellen, Straßenstrichen oder als Escortgirl „anschaffen“. In Dortmund und dem gesamten Ruhrgebiet gibt es zahlreiche dieser Prostitutionsstätten.

Legale Prostitution – Die Bordellstraße Linienstraße in der Nordstadt von Dortmund Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Hauptgrund in die Prostitution einzusteigen ist nach Einschätzung des Vereins bei den meisten Frauen ein Mangel an Alternativen. Viele von ihnen befinden sich in äußerst prekären Lebenssituation und haben häufig im Laufe ihrer Biografie (sexuelle) Gewalt erleben müssen.

Diese Mischung führe in vielen Fällen dazu, dass Prostitution als einzige Möglichkeit betrachtet wird, den Lebensunterhalt zu bestreiten. „Außerdem wird die Mehrheit der Prostituierten von Zuhältern und Menschenhändlern durch physische und psychische Gewalt dazu gezwungen“, betonen die Aktivistinnen.

Typisch sei, dass Frauen aus Osteuropa unter falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt würden. Ebenfalls gängig sei die sogenannte „Loverboy-Methode“. Hier täuschen Männer jungen, oft minderjährigen Frauen bzw. Schülerinnen eine Liebesbeziehung vor und binden diese emotional an sich. Nach einigen Monaten machen sich die so genannten „Loverboys“ diese emotionale Verbindung und Abhängigkeit zunutze, um die Frau in die Prostitution „einzuführen“.

Ziel: Frauen in der Prostitution Unterstützung und Ausstiegshilfen vor Ort anbieten

Sowohl das im Jahr 2001 verabschiedete Prostitutionsgesetz (ProstG) als auch das 2016 erlassene Prostituiertenschutzgesetz konnten die Frauen nach Einschätzung von „SISTERS“ bis dato nicht ausreichend vor Gewalt und Ausbeutung schützen. Das zeigt sich ihrer Einschätzung nach u.a. die Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes und zahlreiche Studien und Berichte von Polizei, Ärzt:innen und Traumatherapeut:innen sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen. Deutschland gelte derweil als das „Bordell Europas“.

Legale Prostitution – Die Bordellstraße Linienstraße in der Nordstadt von Dortmund Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Eine Alternative zur aktuellen Gesetzeslage ist für den Verein das „Nordische Modell“, für das sich SISTERS e.V. stark macht. Das Modell sieht vor, die Nachfrageseite durch gezielte gesellschaftliche Aufklärung und die Bestrafung der Freier einzudämmen und gleichzeitig Frauen in der Prostitution zu entkriminalisieren, wobei ein breites Netz an Beratungs- und Ausstiegshilfen aufgebaut wird.

Die SISTERS e.V. Ortsgruppe Dortmund widmet sich dieser Problematik nun auch in ihrem lokalen Umfeld und möchte auf die Missstände, Menschenrechtsverletzungen und alternative Gesetzgebungsmöglichkeiten aufmerksam machen. Mit Bildungs- und Aufklärungsarbeiten sowie regelmäßigen Aktionen soll dies gelingen. Perspektivisch will die Ortsgruppe Dortmund Frauen in der Prostitution Unterstützung und Ausstiegshilfen vor Ort anbieten.

Mehr Informationen:

  • www.sisters-ev.de
  • ortsgruppe-dortmund@sisters-ev.de
Print Friendly, PDF & Email

Reaktionen

  1. Mechthild Eickel

    In Dortmund sind drei sehr kompetente Organisationen, die Sexarbeiter*innen wertschätzend beraten: die Dortmunder Mitternachtsmission, die Beratungsstelle KOBER und das Projekt „neonlicht“ der Aidshilfe. Sie erschließen auch Wege zur beruflichen Umorientierung, wenn das gewollt und gewünscht ist. Die Dortmunder Mitternachtsmission berät und betreut zudem seit langen Jahren Opfer von Menschenhandel und war maßgebend daran beteiligt, ein Netz solcher Beratungsstellen in NRW aufzubauen. Etwas seltsam, dass „Sisters“ meint, hier so dringend gebraucht zu werden. Bin sehr gespannt, ob über die Propaganda für das „Nordische Modell“ hinaus von ihnen was zu bemerken sein wird.

  2. Bebbi

    Naja, Mitternachtsmission und Kober haben ihe Wurzeln in der christlichen Gefallenführsorge der Mittelschicht und sind keine Gegner der Prostitution,. Wenn die betroffenen Frauen nun das System in Frage stellen, ist das zu begrüßen und wird natürlich Beißreflexe der beiden Organisationen auslösen, die sich eingerichtet haben und deren Existenz gefährdet wäre, gäbe es Prostitution nicht nehr. Ein bekanntes Phänomen von Hilfsorganisationen.

  3. Annabell Brosi

    Die Ortsgruppe von Sisters stellt die bereits vorhandenen Organisationen in Dortmund doch nicht infrage, oder habe ich etwas überlesen? Außerdem ist doch gerade die Pluralität der Zivilgesellschaft bzw. zivilgesellschaftlichen Organisationen eines der wertvollsten Güter unserer Demokratie.

  4. PM anlässlich des Europäischen Tags gegen Menschenhandel am 18. Oktober 2022: Die Verschärfung der Menschenhandelsparagraphen ist wirkungslos (PM)

    Seit 2002 mit Erlassung des Prostitutionsgesetzes hat sich Deutschland für einen besonders liberalen Weg im Umgang mit Prostitution entschieden. Diese Gesetzgebung hat dazu geführt, dass Deutschland zum Zielland für Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung geworden ist. Besonders Frauen aus armen Regionen in Südosteuropa werden nach Deutschland in die Prostitution gehandelt, um in Deutschlands Sexindustrie in legalen Bordellen, in Appartements und auf den Straßenstrichs deutscher Städte sexuell ausgebeutet zu werden. Länder innerhalb der EU mit liberaler Prostitutionsgesetzgebung handeln also mit Frauen ärmerer EU-Länder, beuten diese aus und haben schließlich finanziellen Profit, beispielsweise durch Steuereinnahmen.

    „Wir missachten die Werte der EU massiv, wenn wir die Ausbeutung ausländischer Frauen, die den Großteil der Frauen in der Prostitution ausmachen, weiter einfach hinnehmen“, so Sandra Cornelius vom BündnisNRW pro Nordisches Modell. Die erfolgte Reform der Straftatbestände zu Menschenhandel führte zudem zu keinerlei Verbesserung der Situation, so stellte jüngst auch das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. fest.

    Das Forschungsinstitut führte in der Zeit vom 01.11.2020 bis 24.09.2021 eine Evaluation der im Jahr 2016 reformierten strafrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung des Menschenhandels durch. Der vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz erteilte Auftrag beinhaltete die Durchführung einer retrospektiven Gesetzesfolgenabschätzung.

    Die Bestandsanalyse zeigte, dass die Geschädigten der sexuellen Ausbeutung fast vollständig weiblich (95 %) waren, jede fünfte geschädigte Frau sogar minderjährig war und die Mehrzahl der Betroffenen aus osteuropäischen Ländern wie Rumänien und Bulgarien kamen. Bei 41 % der Geschädigten wurden ZeugInnen anscheinend eingeschüchtert, zumeist durch die beschuldigten Menschenhändler. In der Hälfte der Fälle konnten Hinweise auf die Organisierte Kriminalität gefunden werden.

    Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. verwies auf den wissenschaftlichen Konsens, demzufolge das Dunkelfeld im Bereich des Menschenhandels groß sein dürfte und davon auszugehen ist, dass mindestens 90 % aller Menschenhandelsdelikte im Dunkelfeld verbleiben.

    Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass eine Verbesserung der Strafverfolgung durch eine Neufassung der strafrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung des Menschenhandels nicht erreicht worden ist. Laut ausgewerteter Statistiken erfolgte keine Erhöhung der Fallzahlen, Strafverfahren oder Verurteilungsquoten. Von einer Verbesserung der Strafverfolgungspraxis beim Menschenhandel ist somit nicht auszugehen.

    Abschließend verweist das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. darauf, dass die Regelungen über den Menschenhandel im Strafgesetzbuch in der Praxis wenig praktikabel zu sein scheinen. Es wird auf das Fehlen von Spezialkräften, die über die entsprechenden Kenntnisse verfügen, hingewiesen; breitflächige Schulungsmaßnahmen und Spezialisierungen scheinen nicht stattgefunden zu haben.

    Entscheidend ist, dass die Maßnahmen, die der Gesetzgeber im Rahmen der Reform der Menschenhandelsparagraphen zur Unterstützung der betroffenen Opfer ausgearbeitet hat, in der Praxis keine Wirkung zeigen. Da es sich um besonders vulnerable Menschen handelt, müssen weitergehende Unterstützungsangebote ausgearbeitet werden.

    Auf Grundlage der Evaluation kommt das Bündnis NRW pro Nordisches Modell zu dem Schluss, dass ein weiterer Versuch, im Rahmen einer legalen Prostitutionsgesetzgebung dem Menschenhandel entgegenzutreten, gescheitert ist. „Es wird wieder mal deutlich, dass Deutschland endlich den Empfehlungen des Europäischen Parlaments nachkommen muss, das seine Mitgliedstaaten längst zur Eindämmung der Nachfrage nach Prostitution aufgefordert hat“ so Annabell Brosi der Ortsgruppe Dortmund des bundesweit agierenden Vereins SISTERS – für den Ausstieg aus der Prostitution! e.V.

    Doch dafür müssen die Profiteure wie Freier, Zuhälter und Menschenhändler zur Verantwortung gezogen werden – und die erfahren in Deutschland derzeit weiterhin den meisten Schutz. Um auf die Missstände Aufmerksam zu machen, nahm die Ortsgruppe Dortmund von SISTERS e.V. am 15. Oktober 2022 am „Walk for Freedom“ in Düsseldorf teil. Der Schweigemarsch wird europaweit in unterschiedlichen Städten entweder vor oder nach dem 18. Oktober (Europäischer Tag gegen Menschenhandel) begangen.

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert