
Kontroverse Diskussionen und überraschende Mehrheiten: Die Planungen für einen Abriss und Neubau des stark sanierungsbedürftigen Dortmunder Schauspielhauses können nun starten. Darauf hat sich der Rat gegen die Stimmen von CDU und AfD geeinigt. Die FDP/Bürgerliste und die VOLT-Fraktion enthielten sich.
CDU: Planungsbeschluss zum Schauspielhaus „vollkommen aus der Zeit gefallen“
Eine Machbarkeitsstudie hatte 2023 eine Sanierung und einen Neubau geprüft. Der Rat folgte der Empfehlung der Verwaltung, das Schauspiel durch einen Neubau zukunftsfähig zu machen. Jetzt wird das Theater Dortmund ein Planungsbüro beauftragen. Eine Baukommission soll das Verfahren eng begleiten. Begonnen werden könnte mit dem Bau des neuen Schauspielhauses frühestens 2031 – fertig gestellt wäre es frühestens Ende 2035.

In der Ratsdebatte zum geplanten Abriss und Neubau des Dortmunder Schauspielhauses standen sich klare Positionen gegenüber. Dr. Jendrik Suck (CDU) stellte unmissverständlich klar, dass seine Fraktion die Vorlage ablehnen werde.
Angesichts eines städtischen Haushaltsdefizits von über 350 Millionen Euro und enormer Investitionsbedarfe – etwa in Schulen, Kitas und Verkehrsinfrastruktur – sei der Planungsbeschluss zum Schauspielhaus „vollkommen aus der Zeit gefallen“. ___STEADY_PAYWALL___
Suck betonte: „Wir können den Euro, den wir haben, nur einmal ausgeben.“ Zwar sei man nicht gegen Kultur, die CDU habe selbst Projekte wie die Junge Bühne oder das Depotgebäude unterstützt, aber ein weiteres Großprojekt sei derzeit nicht verantwortbar.
SPD: Die jetzige Situation „hat das Schauspielhaus nicht verdient“

Carla Neumann-Lieven (SPD) betonte hingegen die Notwendigkeit eines Neubaus. Sie erinnerte daran, dass das Schauspielhaus ursprünglich als Interimslösung gedacht war und den heutigen Ansprüchen weder für Mitarbeitende noch für das Publikum gerecht werde.
Zwischen zwei neuen hochwertigen Bauten – der Jungen Bühne und dem Depot – eingezwängt, „hat das Schauspielhaus das nicht verdient“. Deshalb sei es wichtig, bereits jetzt planerische Vorarbeit zu leisten und insbesondere auch die Fassadengestaltung im Rahmen eines Wettbewerbs anzugehen, um kein „Stückwerk“ zu hinterlassen.

Katrin Lögering (Grüne) zeigte sich von der Kritik der CDU irritiert und betonte, dass man dem Beschluss „vollkommen“ zustimme. Die Ablehnung der CDU werte sie als ein klares Zeichen gegen das Schauspiel. Sie stellte klar: „Dass wir jetzt die Leistungsphasen 1 und 2 ausschreiben, bedeutet nicht, dass deshalb keine Schule gebaut wird.“
Sie verwies darauf, dass der politische Wille zum Neubau schon vor zwei Jahren bekundet wurde und jetzt ein richtiger Zeitpunkt sei, um das Projekt verbindlich weiterzuentwickeln. Den Antrag der Linken lehnte sie ab, da wesentliche Punkte bereits Bestandteil der aktuellen Vorlage seien oder sachlich unzutreffend formuliert wurden.
Kritik an Übergangslösung: „Wenn man das macht, muss es seriös laufen“

Utz Kowalewski (Die Linke) hingegen sprach sich kritisch gegenüber der Vorgehensweise aus. Er verglich die Lage mit einem Hausabriss ohne zu wissen, wo man anschließend wohnt. Für ihn sei eine gesicherte Interimslösung Grundvoraussetzung für Zustimmung: „Wenn man das macht, muss es seriös laufen.“
Er warnte vor einer langen Übergangsphase von sechs bis zehn Jahren ohne klares Konzept, was fatale Folgen für das Ensemble haben könne. Ein Zelt als Übergangslösung sei „nicht zumutbar“. Stattdessen forderte Kowalewski modulare, solide Gebäude, die auch weiterverwendet werden könnten.

Olaf Schlösser (Die Partei) übte satirisch-kritische Fundamentalkritik an den Plänen. Mit ironischen Seitenhieben verglich er das geplante Vorhaben mit „spätrömischer Dekadenz“ und forderte stattdessen ein „Kolosseum“, das 4000 Jahre überdauere – als kostengünstigere und klimafreundlichere Alternative.
Schulen verfielen, Freibäder würden geschlossen und Klimaschutz werde vernachlässigt, während ein funktionierendes Gebäude „aus Liebgewonnenheit“ abgerissen werden solle. „Ein vollkommen absurdes Vorhaben“, schloss er.
Votum für Neubau mit „Strahlkraft“ nach außen und guten Arbeitsbedingungen

Silva Ixkes-Henkemeier (SPD) konterte solche Argumente mit dem Hinweis auf den maroden Zustand des Schauspielhauses, das den heutigen Ansprüchen nicht mehr genüge.
Sie plädierte klar für einen Neubau mit „Strahlkraft“ nach außen und guten Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden. Auch sie sprach sich dafür aus, die Diskussion über eine Interimslösung separat zu führen. „Wir stehen zu 100 Prozent an der Seite des Dortmunder Schauspiels“, betonte sie.

Heiner Garbe (AfD) wiederum nutzte seine Rede, um SPD, Linken und Grünen die „finanzpolitische Inkompetenz“ vorzuwerfen. Der geplante Neubau sei angesichts eines Schuldenstandes von 3,4 Milliarden Euro nicht zu rechtfertigen.
Auch durch Migration bedingte Schulneubauten hätten Vorrang. „Wir brauchen keine Denkmäler für Bürgermeister oder Kulturtempel“, meinte Garbe. Stattdessen müsse man „an die Leute denken“ und den „Unsinn“ stoppen.

Ingrid Reuter (Grüne) stellte klar, dass es heute nicht um Baukosten gehe, sondern um die Einleitung eines geregelten Planungsverfahrens.
Diese Kosten würden ohnehin erst in den 2030er-Jahren anfallen. Zum jetzigen Zeitpunkt gehe es darum, Strukturen für ein qualitätsvolles Projekt zu schaffen – etwa über das Wettbewerbsverfahren.
Für die Frage der Interimslösung sei noch Zeit, sie müsse aber unter enger Beteiligung der Betroffenen entwickelt werden. Die Grünen-Politikerin unterstrich: „Heute setzen wir einen vernünftigen Prozess in Gang“, so Reuter.
Die aktuelle Finanzlage lässt keinen Spielraum für zusätzliche Belastungen

Uwe Waßmann (CDU) widersprach der Darstellung, es habe bereits 2024 einen verbindlichen Ratsbeschluss für das Projekt gegeben. Die aktuelle Finanzlage – insbesondere auch das belastete Sondervermögen – lasse keinen Spielraum für zusätzliche Belastungen.
„Wer da die Augen verschließt, macht einen strategisch großen Fehler“, so Waßmann. Für ihn gehe es nicht um ein Ja oder Nein zur Kultur, sondern um eine verantwortliche Prioritätensetzung angesichts knapper Mittel, betonte der CDU-Planungssprecher.

Fatma Karacakurtoglu (Linke+) machte deutlich, dass der Neubau des Schauspielhauses notwendig sei – allein schon wegen gravierender Mängel wie undichten Dächern und fehlender Barrierefreiheit.
Doch auch sie machte deutlich: „Ein Neubau ohne gesicherte Interimslösung wird es mit uns nicht geben“, so Karacakurtoglu. Die Linken-Politikerin warnte davor, Personal und Programm zu gefährden, wenn Übergangsphasen nicht sauber geregelt würden.
Schauspiel-Ensemble sucht vorerst „nur“ für 1,5 Jahre ein Ausweichquartier
Zum Schluss präzisierte Kulturdezernent Jörg Stüdemann (SPD) die technische Situation: Bereits ab März/April nächsten Jahres müsse das Schauspiel-Ensemble das Gebäude wegen der Bauarbeiten an der Jungen Bühne für ca. 1,5 Jahre verlassen.

Eine Baugrube von bis zu 17 Metern Tiefe müsse dort ausgehoben werden, was die Gebäudesicherheit am Schauspielbeeinträchtigen könne. Daher könne das Gebäude nicht genutzt werden – ganz abgesehen von der Lärmbelastung. Lediglich das Studio könne weiter bespielt werden.
Verwaltung, Technik und künstlerische Leitung ziehen aus. Für die große Bühne wird noch Übergangslösungen gearbeitet – aber nur für 1,5 Jahre, versicherte Stüdemann. Eine Dauer-Übergangslösung, die nahtlos vom Auszug wegen der Jungen Bühne in einen Auszug wegen eines Neubau des Schauspiels übergehe, werde es nicht geben.
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