Die eine tupft mit Fingern die Farbe auf die Wand. Ein anderer pinselt fleißig. Ein dritter sprüht sein Bild mit der Spraydose. Peter Krüger aus Gütersloh aber überträgt seinen Entwurf maßstabsgetreu mit Wasserwaage, Metermaß, Lineal und Stift auf die Mauer an der Weißenburger Straße. Diese Arbeitsweise entspricht dem technischen Charakter seines Motiv. Das heißt Großstadtgetriebe und besteht aus Zahnrädern und anderen Maschinenteilen.
An zwei Wochenenden gestalten 52 Kreative Entree zur Nordstadt
Aus Gütersloh ist er heute angereist um mit vielen anderen die monotone 250 Meter lange Kraftwerksmauer künstlerisch zu gestalten.
Gleich nach der Mauer hinter der Eisenbahnbrücke beginnt die Nordstadt. Das Entree zum Stadtbezirk soll statt Tristesse nun Lebensfreude vermitteln. Dafür sorgen an zwei Wochenenden 52 Künstlerinnen und Künstler zwischen zwölf und achtundsechzig, wie Peter Krüger.
Der Rentner hat während des Kulturhauptstadtjahr 2010, im Rahmen des Projekts 2-3-Straßen von Jochen Gerz, für ein Jahr mit seiner Frau in der Dreherstraße am Borsigplatz gewohnt.
„Seitdem ist der Kontakt in die Nordstadt nie wieder abgebrochen, dadurch hab ich von dieser Aktion gehört,“, erklärt er, wie er als Gütersloher von der Kunstaktion erfahren hat.
Sponsoren unterstützen die Aktion der Kulturmeile Nordstadt
Eine bunte Truppe aus Künstlerinnen und Künstlern aus der Nordstadt und dem Rest von Dortmund, hat sich in der Straße versammelt.
Alle bringen ihre eigenen Farben und ihr Werkzeug mit. Dafür bekommen sie eine Aufwandsentschädigung von 150 Euro. Die Kosten für das ganze Projekt belaufen sich auf 26.500 Euro.
Das Geld hat die Kulturmeile Nordstadt bei verschiedenen Sponsoren aufgetrieben. „Es wurden keine städtischen Fördermittel beantragt“, berichtet Annette Kritzler.
Zusammen mit Almut Rybasch-Tarry organisieren und betreuen sie das Projekt seit Oktober 2013 ehrenamtlich. Mit dabei ist Lydia Albers vom Quartiersmanagement Nordstadt.
Spontane Spende einer Fußgängerin, weil sie die Aktion gut findet
Die Schülerinnen und Schüler der Kielhornschule sind auch dabei wenn es darum geht ihrer Nordstadt ein fröhliches einladendes Entree zu verschaffen.
Auf einem der insgesamt 66 Mauerabschnitte malen Desseree, Murat und Tina neben dem Namen der Schule, ein Regenbogen, Wolken und viel Sonne auf die Wand. Das Projekt bietet die Möglichkeit der Partizipation für die Bewohner des Quartiers. Das schafft Identität.
Die Resonanz der Anwohner, Fußgänger und Autofahrer auf der vielbefahrenen Straße ist durchweg positiv, weiß Annette Kritzler zu berichten. „Eine Fußgängerin hat spontan 10 € gespendet, weil sie die Aktion gut findet.“
Energie, Natur und Umwelt, Verkehr und Großstadtdschungel sind die Themen der Mauer Galerie
Sandra Steinfort aus dem Klinikviertel malt ein Hippie-Girl auf den Putz. Das passt auf den ersten Blick nicht zu den vorgegebenen Themen, Energie, Natur und Umwelt, Verkehr und Großstadtdschungel, ist aber irgendwie allem zugehörig. Die Kunst ist frei!
„Und vor der gibt es im Norden sowieso am meisten“, wie sie feststellen konnte. Vor knapp zwei Jahren ist sie vom Rhein in die Westfalenmetropole umgezogen.
Claudia Müller und Anette Göke vom Projekt „Wo geht Kunst“ gestalten ein Mauekarree zusammen mit Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren. Das Projekt will den jungen Menschen einen ersten Zugang zu Kunst und Kultur ermöglichen.
Klar, dass die Arbeit den Beteiligten an so exponierter Stelle wie der Kraftwerksmauer, Spaß macht. Vielleicht gewinnen sie ja auch noch einen Preis mit ihrem Werk oder die Sprayerszene, die an anderer Stelle mit entsprechender Musik-Beschallung, sprüht.
Die ersten drei Sieger bekommen Geldpreise am 07. Mai
Eine Jury befindet abschließend über die Umsetzung und kürt den 1. (500 Euro), 2. (200 Euro) und 3. (100 Euro) Sieger.
Die Prämierung der besten Arbeiten mit Schirmherr Ullrich Sierau, findet am 07. Mai statt. Gesponsert wird die Aktion von RWE, Stiftung Soziale Stadt, Stiftung „Leuchte auf“, Sparkasse Dortmund, den Firmen Prange, Cieslik, Murtfeldt und Brillux.
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Reaktionen
Thomas Zweier für Linke & Piraten
Schönheitswettbewerb der anderen (Street) Art
„Es gibt leider immer noch zu viele trostlose Fassaden, hässliche Gebäude oder nichtssagende Brücken in Dortmund. Warum suchen wir nicht ein städtisches Objekt aus, das besonders dringend eine Verschönerung nötig hat und bewerben uns damit bei dem Wettbewerb ‚West ART goes Street ART’ des WDR?“
Thomas Zweier, Ratsmitglied der Fraktion DIE LINKE & PIRATEN und Mitglied des Kulturausschusses, ist Feuer und Flamme für Street Art. „Damit ist die Kunst im öffentlichen Raum gemeint, etwa auf Gebäuden oder öffentlichen Plätzen. Ich rede nicht von 08/15-Graffitis oder gar dilettantischem Geschmiere.“
Street Art findet mittlerweile immer mehr Anhänger. Immer mehr Street Art Künstler machen sich einen Namen, und in Köln gibt es mittlerweile sogar ein eigenes Street Art Festival. Und der in Köln ansässige WDR ist ebenfalls infiziert. Er verlost im Mai zehn Verschönerungsaktionen mit namhaften Künstlern. Quasi ein alternativer Schönheitswettbewerb. Jeder Interessierte kann sich mit einer tristen Immobilie melden. „Auch Städte und Gemeinden dürfen sich bewerben“, sagt Thomas Zweier begeistert. Seine Fraktion bittet deshalb den Ausschuss für Bauen, Verkehr und Grün (21. April), doch über eine Kandidatur der Stadt Dortmund nachzudenken.
„Es gibt doch genügend Schulen, Kitas, Sportanlagen oder Verwaltungsgebäude, von denen zumindest eine Fassade auf diesem Weg kostenlos, Aufsehend erregend und künstlerisch wertvoll – und natürlich auch völlig legal – aufgewertet werden könnte“, meint Zweier.
Die Dortmunder Politiker sollten unbedingt die Gelegenheit nutzen, zumindest einer nicht so schönen Ecke mehr Glanz zu verleihen, sagt Zweier. „Es würde uns nichts kosten, aber sicherlich viel Aufmerksamkeit einbringen. Gönnen wir uns allen doch mal eine ganz andere Kunstaktion – eine zum Staunen, zum Lachen oder zum Nachdenken.“
Der WDR würde die Materialkosten übernehmen und bei Interesse Kontakte zu Künstlern herstellen, die auch in Dortmund mit einer eigenen Street Art-Szene vertreten sind und immer auf der Suche nach legalen Flächen zur künstlerischen Gestaltung sind. Folgekosten würden der Stadt Dortmund nicht entstehen.
Viel Zeit zum Nachdenken hat der Ausschuss nicht: Bewerbungsende ist bereits am 30. April.