Autokäufer:innen sollten sich nicht verunsichern lassen

Keine Angst vor dem Verbrenner-Aus: Kraftfahrzeug-Innung sieht sich gerüstet

Rückstau am Borsigplatz. Die Messwerte an der Brackeler Straße liegen seit Jahren über den zulässigen Grenzwerten. Trotz eines Lkw-Fahrverbots und Umweltzone hat sich daran kaum etwas geändert. Archivfoto: Klaus Hartmann
Auch wenn das Aus für Neufahrzeuge mit Verbrennermotor in Europa  im Jahr 2035 kommen sollte, werden Verbrenner noch bis Mitte des Jahrhunderts auf Dortmunds Straßen rollen. Foto: Klaus Hartmann für Nordstadtblogger.de

Lohnt es sich jetzt noch einen Neuwagen mit Verbrennungsmotor zu kaufen oder sollte ich schon jetzt auf ein vergleichsweise teures E-Auto umsteigen? Ist der Wertverlust des Verbrenners in den nächsten Jahren nicht zu hoch? Wird es dann noch genug Ersatzteile geben? Viele Fragen gehen Autofahrer:innen derzeit durch den Kopf, wenn er die hitzigen Diskussionen im Vorfeld der möglichen EU-Entscheidung zum Verbrenner-Aus verfolgt. In den Autohäusern und Fachwerkstätten in Dortmund sieht man der Entscheidung gelassener entgegen.

Änderungen in der Branche laufen bereits

„Verbraucher und Politiker sollten jetzt einen kühlen Kopf bewahren”, rät Christoph Haumann, Obermeister der Kraftfahrzeug-Innung Dortmund und Lünen. „Wir reden von einer Übergangszeit von 12 Jahren bis zum Wechsel 2035 und sicher über weitere 10 Jahre nach dem Wechsel, in denen Verbrenner noch im Verkehr sind.”

Christoph Haumann ist Obermeister der Kraftfahrzeug-Innung Dortmund und Lünen.
Christoph Haumann ist Obermeister der Kraftfahrzeug-Innung Dortmund und Lünen. Foto: Stefan Mueller für die Innung

Die Fachbetriebe der Innung, die das Verbrenner-Ende am deutlichsten treffen wird, bereiten sich nach seiner Aussage bereits seit rund fünf Jahren darauf vor. Die Ausbildung Kfz-Mechatroniker:in wurde um einen großen Anteil Elektromobilität erweitert und auch die Schulung der Fachkräfte in den Autohäusern läuft.

Die Kfz-Innung unterstützt die Betriebe u.a. mit dem Angebot der Hochvoltschulung durch Schulungsleiter Reimund Peter im eigenen Schulungszentrum. „Noch ist der Anteil der Elektrofahrzeuge in unseren Werkstätten relativ gering, aber die Nachfrage nach E-Neuwagen zieht an und damit auch die sukzessive Umstellung der Branche”, erklärt Haumann.

Die Innung sieht sich für den notwendigen Wandel gerüstet

„Wir erwarten in unseren Betrieben einen langsamen Wandel in den nächsten zehn Jahren, der stark abhängig sein wird von den tatsächlichen Zulassungszahlen und auch von der individuellen Entwicklung der Auto-Marken“, so Haumann.

Stromtanken statt Sprit – auch Tankstellen stellen sich auf die Veränderungen ein. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Und weiter: „Klar ist aber, dass die E-Mobilität einen deutlich größeren Marktanteil bekommen wird. Viel größer, als wir ihn noch vor fünf Jahren erwartet haben. Wir werden uns alle Stück für Stück auf geänderte Werkstatt-Kapazitäten, andere Wartungsarbeiten und größere Service-Intervalle für Elektrofahrzeuge einstellen müssen.”

Auch die Zulieferer:innen müssten sich umstellen, so der Obermeister. Engpässe in der Ersatzteil-Versorgung von Dieseln und Benzinern seien aber in Zukunft nicht zu erwarten. „Der Klimawandel geht uns alle an. Das Kfz-Gewerbe ist untrennbar mit dem Automobilverkehr und dessen deutlich zu langsamer CO2-Reduktion verbunden“, so der Obermeister.

„Wir sind uns dessen bewusst und deshalb seit langem Treiber in Sachen Umweltschutz. Die Kfz-Werkstätten haben zum Beispiel die ersten Kats nachgerüstet und sorgen seit Jahrzehnten mit der Abgasuntersuchung als verlängertem Arm des Gesetzgebers für die Einhaltung der Emissions-Grenzwerte.“

Der Neuwagenkauf sollte schon jetzt gut überlegt sein

Was den Neu- und Gebrauchtwagenkauf angeht, rät Christoph Haumann Käufer:innen dazu, sich nicht verunsichern zu lassen, sondern auf individuelle Lösungen zu setzen.  „Jeder, der sich einen Neuwagen anschaffen will, sollte genau überlegen, wo er das Fahrzeug einsetzt. Wer täglich nur Kurzstrecken von bis zu 50 Kilometern im Umkreis zurücklegt und zu Hause die Möglichkeit für eine Wallbox hat, sollte schon jetzt den Sprung in die Elektromobilität erwägen”, so der Obermeister.

Wer täglich nur Kurzstrecken von bis zu 50 Kilometern im Umkreis zurücklegt und Zugang zu einer Wallbox hat, sollte schon jetzt den Sprung in die Elektromobilität erwägen. Foto: Alexander Völkel für die nordstadtblogger.de

„Wer lange Strecken pendelt, keine Ladepunkte zur Verfügung hat oder in ländlichen Gebieten ohne vernünftigen ÖPNV wohnt, für den gibt es noch keine echte Alternative zum Verbrenner.”

Interessant für Verbraucher:innen wird auch der Gebrauchtwagenmarkt, auf dem in Zukunft mehr Elektrofahrzeuge zu finden sein werden. „Momentan fehlen uns noch die Erfahrungswerte rund um die Haltbarkeit der Akkus, aber die Elektromotoren an sich sind sehr haltbar und zuverlässig”, so Haumann, der selbst Geschäftsführer eines Autohauses in Lünen-Brambauer ist.

Das tatsächliche Aus für Diesel und Benziner auf dem Gebrauchtmarkt dürfte jedoch in der Praxis noch lange dauern, denn Autos können je nach Marke mehr als 20 Jahre alt werden. Nach Zahlen des TÜV liegt das Durchschnittsalter von Autos auf deutschen Straßen aktuell bei 9,8 Jahren (2021). „Wenn der letzte Verbrenner 2035 vom Band läuft, fährt er möglicherweise noch bis 2055”, schätzt Haumann.

E-Fuels können beim Übergang helfen

Vor diesem Hintergrund sieht der Obermeister – unabhängig von der politisch geführten Auseinandersetzung um die Vorschläge von Verkehrsminister Wissing und Finanzminister Lindner – große Chancen für E-Fuels.

E-Fuels können eine Übergangslösung sein – und zum Schluss vielleicht nur noch für Oldtimer und Spezialfahrzeuge benötigt werden. Foto: Susanne Hildebrandt

„Ja, E-Fuels sind auf absehbare Zeit noch teuer und aufwändig in der Herstellung, aber in einigen Jahren könnten sie weiterentwickelt sein und als klimaneutrale und volkswirtschaftlich sinnvolle Übergangslösung bei den dann verbliebenen restlichen Verbrenner-Fahrzeugen eingesetzt werden”, prognostiziert er.

„Der Einsatz wird zunächst Verbrauchern zugutekommen, die sich kein neues E-Fahrzeug leisten können, später dann immer weniger werden und zum Schluss möglicherweise nur noch eine geringe Zahl von Rettungsfahrzeugen und Oldtimern betreffen.” Der Nutzen von E-Fuels in diesem Zusammenhang sei unbestritten, wenn auch – da relativ teuer – keine Dauerlösung für große Mengen an Fahrzeugen und letztendlich auch keine Alternative zu Elektrofahrzeugen.

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