Kein schöner Strand am Kanal: Was Spaziergänger*innen und Badegäste dort hinterlassen, wird immer mehr zum Problem

Bei aller Liebe zu rauem Charme: spätestens hier enden Hohegefühe am Dortmunder Hafen. Fotos: Angelika Steger

Von Angelika Steger

Weiter Blick über das Wasser. Bäume säumen den Weg, der am Ufer entlang führt. Gegenüber eine Wiese, dahinter scheinen Industrieruinen hervor. Nicht richtig gemütlich, eher ein rauer Charme. Hier könnte man es aushalten…, aber ein paar Flecken auf der Wiese stören das angenehme Bild. Plastiktüten und Zigarettenkippen liegen herum. „Wir chillen hier selbst, da ist uns der ganze Müll aufgefallen,“, erzählt Nina. Sie ist eine der Freiwilligen, die hier am Kanal Müll sammeln. In den letzten Jahren haben sich sowohl das West- wie das Ostufer an der Weidenstraße, die über den Kanal führt, zu beliebten Badestränden entwickelt. Mit unschönen Folgen: Die Badegäste lassen ihren Müll einfach am Ufer liegen. Essensverpackungen, Zigarettenkippen, Kronkorken, Glasflaschen, Plastiktüten und Grillreste liegen herum.

Ursache für die Vermüllung der Ufer: Faulheit der Menschen und fehlende Mülleimer

Die beiden Umweltaktivistinnen: Nina und Isabelle.

Einmal hatten sie sogar einen verrotteten Campingstuhl aus dem Wasser gezogen. „Die Stadt macht hier nichts, es gibt auf der anderen Seite einen einzigen Abfalleimer, der immer überfüllt ist“, gibt Isabelle zu bedenken. Der Ärger über die Untätigkeit der Stadtverwaltung ist ihr anzumerken. ___STEADY_PAYWALL___

Eigentlich ist es nicht die Aufgabe der beiden, den Müll anderer hier aufzusammeln. Sehr wohl aber derjenigen, die ihn erzeugen: sie sollten ihren Müll wieder mitnehmen. „Aber dafür sind die Leute wohl zu faul oder denken: ah ich bin mit dem Fahrrad da, da kann ich das nicht mehr nach Hause transportieren“, meint Nina. Der liegen gelassene Müll sei das Problem.

Ein großer, aufgestellter Container, der von der EDG abgeholt wird, könnte schon helfen, damit nicht alles einfach herumliegt, dazu ein Hinweisschild mit dem Standort des Containers. Es fehlt an Abfallsammelstellen, an Mülleimern, wie sie an jeder Bushaltestelle zu finden sind. „Die wenigsten denken daran, sich eine Tüte extra mitzunehmen für ihren Müll“, ist Isabelle überzeugt.

Woher der Müll kommt und warum er überhaupt entsteht

Es ist eben bequem, wenn man sich Essen kauft, ohne es vorher zubereiten zu müssen. Wer sich von zuhause Essen mitnimmt, packt es in Frischhaltedosen, die keine Einwegverpackung sind. Die beiden Aktivistinnen haben auch durchaus Verständnis, dass Menschen hier gerne ihre Freizeit verbringen, aber: „niemand hat was davon, wenn der Müll hier auf der Wiese liegt“, ist Nina überzeugt.

Die Schwierigkeit sieht sie auch woanders: sogenannte Einweg-Grills sind günstig für zehn Euro an der Tanke zu haben. Selbst Pfandflaschen bleiben liegen – am Geld scheint es den „Kanal-Gästen“ nicht zu mangeln. Aufgesammelte Pfandflaschen werden neben Abfalleimern an der Straße gestellt, damit sie andere mitnehmen können.

Gruppe von freiwilligen Müllsammler*innen organisiert diese Aktionen selbst

Wer sind diese Leute, die freiwillig den Dreck unvernünftiger oder gedankenloser Zeitgenossen wegräumen? Nina und Isabelle gehören zur Gruppe UM-SICHT. Dieses Kollektiv möchte nach eigener Aussage das kulturelle Leben in Dortmund, v.a. in der Nordstadt, mitgestalten.

„Bisher sind mir ca. 30 Leute“, sagt Nina. Über WhatsApp organisieren sie ihre Müllsammel-Aktionen, wer Zeit hat, macht mit; meist sind es bei einer Aktion 10 bis 15 Leute. Mit dem NOLA, dem freien Lastenrad für die Nordstadt, transportieren sie den Müll ab.

Bei der EDG ist ihr Kollektiv UM-SICHT als Abfallpate eingetragen. Bei dieser freiwilligen, nicht vergüteten Tätigkeit verpflichtet sich eine Gruppe oder Einzelperson, ein bestimmtes Gebiet wie z. B. die Kanalufer an der Weidenstraße regelmäßig, in einem frei gewählten Turnus zu reinigen. Die EDG stellt dafür Material in Form von Greifzangen, Müllsäcke, Handschuhe sowie einem Ausweis.

Der gesammelte Müll kann dann kostenlos im Recyclinghof abgegeben werden. Paradox: dieser ist keine zwei Kilometer vom Sammelgebiet entfernt. Dennoch wird der Müll hier liegen gelassen, anstatt mitgenommen und abgegeben zu werden. „Die EDG würde den Abfall auch abholen, aber noch geht es mit dem Rad“ erläutert Isabelle. Sie hätten allerdings schon mehrere Male fahren müssen, denn bei der Sammelaktion am 30. Mai waren es 12 Säcke voll gewesen. Nach zwei Wochen, als ein Mitglied des Kollektivs zufällig vorbei kam, war es an dem Platz wieder voll.

Thema Solidarität in der Coronakrise ist auch für die Müllsammelaktion ein Thema

Die beiden Studentinnen wirken beim Interview aber überhaupt nicht gebieterisch, als ob sie jemanden ihre Meinung aufzwingen wollten. „Es geht darum, achtsam mit der eigenen Umwelt umzugehen“, macht Nina klar. Und Isabelle ergänzt: „In solchen Zeiten wie der Coronakrise ist Solidarität wieder ein Thema, also solidarisch mit Natur und Mitmenschen zu sein.“ Eine Solidarität, die angesichts der Menge an Müll bei einigen Zeitgenoss*innen nicht vorhanden zu sein scheint.

Es bleibt nicht beim Müll der Freizeitgäste am Ufer: Müllkippe an Industriebrache entdeckt

Weiter auf der Wiese, führt der Weg ins Gebüsch, zu einem verlassenen Gebäude, das wie eine Lagerhalle wirkt. „Hier haben wir eine Müllhalde entdeckt und das auch schon der EDG gemeldet. Ein Kaninchen hüpft über einen der Müllhaufen ins Gebüsch. „Auch Tiere können sich verletzen, deshalb muss das hier dringend weg. Wir haben auch geschaut, wem das Gebäude gehören könnte… auf googleMaps findet sich nur einige hundert Meter weiter eine Logistik-Firma.“

Die zurückgelassenen LKW-Anhänger erwecken den Eindruck, dass hier jemand seinen Müll einfach abgeladen hat: nicht vom Baden und Chillen, sondern Industrieabfälle, auch Bauschutt, Bretter, ein Starkstromkabel haben die Aktivist*innen schon gefunden. Ein Problem, das vor der Abfuhr dringend angegangen werden muss: wer ist der Verursacher/die Verursacherin? Hier ist die Stadtverwaltung dringend zum Handeln aufgefordert. „Wir hoffen, dass die Stadt bald aktiv wird“, sagt Nina zum Schluss. Damit es für alle ein schöner Sommer am Kanal werden kann.

Am Samstag, den 13. Juni 2020, wollen die Aktivist*innen von UM-SICHT wieder Müll am Kanal sammeln und freuen sich über Mitstreiter. Kontakt findet sich über ihre Facebook-Seite und per Mail an info@umsich-t.de

Weitere Informationen:

  • Informationen zur Abfallpatenschaft der EDG hier.
  • Seite der Hafenverwaltung: hier.

 

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