Gewerkschaft NGG fordert gleichen Lohn für gleiche Arbeit

In Dortmund verdienen Frauen mit einer Vollzeitstelle zehn Prozent weniger als Männer

Kellnerin im Café: In Branchen wie der Gastronomie arbeiten viele Frauen zu geringen Löhnen und häufig für wenige Wochenstunden. Die Gewerkschaft NGG fordert Unternehmen und Politik auf, mehr für die Gleichberechtigung am Arbeitsmarkt zu tun.
Kellnerin im Café: In Branchen wie der Gastronomie arbeiten viele Frauen zu geringen Löhnen und häufig für wenige Wochenstunden. Die Gewerkschaft NGG fordert Unternehmen und Politik auf, mehr für die Gleichberechtigung am Arbeitsmarkt zu tun. Foto: Alireza Khalili für die NGG

Frauen beim Lohn weiterhin im Nachteil: Zum Internationalen Frauentag an diesem Dienstag, 8. März 2022, weist die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) auf große Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern in Dortmund hin. Frauen, die eine Vollzeitstelle haben, verdienen in der Stadt aktuell zehn Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Während der mittlere Vollzeit-Verdienst von Männern bei 3.680 Euro pro Monat liegt, kommen Frauen lediglich auf 3.329 Euro, so die NGG-Region Dortmund unter Berufung auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. „Es kann nicht sein, dass Frauen in puncto Bezahlung trotz gleicher Arbeitszeit systematisch den Kürzeren ziehen“, kritisiert Gewerkschafter Torsten Gebehart. Die IG Metall weist auf die wichtige Funktion von Betriebsräten im Kampf um die Rechte von Frauen am Arbeitsplatz hin. Sie befürchtet mehr geringfügige Beschäftigungsverhältnisse durch die von der Bundesregierung geplante Anhebung der Verdienstgrenze bei Minijobs. Daher fordert die Gewerkschaft eine Sozialversicherungspflicht ab dem ersten Euro.

Viele Minijobberinnen von pandemiebedingtem Stellenabbau betroffen

Bäckereifachverkäuferinnen in NRW verdienen in Vollzeit rund 400 Euro weniger als Bäcker. Foto: NGG

Die Corona-Pandemie habe die Situation teils verschärft – und alte Rollenbilder verfestigt. „In Zeiten von Lockdowns und Schulschließungen waren es in vielen Familien gerade die Frauen, die beruflich zurückstecken und sich um Kinder und Haushalt kümmern mussten“, sagt Gebehart.

In Branchen wie dem Gastgewerbe habe die Krise Frauen zudem besonders stark getroffen – etwa weil sie überdurchschnittlich oft in Minijobs arbeiteten. Diese Stellen seien nach zwei Jahren Pandemie in großem Stil abgebaut worden. Die Betroffenen stünden nach dem Job-Verlust ohne Arbeitslosenversicherung da und hätten auch keinen Anspruch auf das Kurzarbeitergeld.

Neben prekären Arbeitsverhältnissen gebe es aber in vielen Betrieben nach wie vor einen großen „Gender Pay Gap“, also eine erhebliche Lohnlücke zwischen den Geschlechtern. „So verdienen Bäckereifachverkäuferinnen in Nordrhein-Westfalen bei Vollzeit rund 400 Euro weniger als Bäcker. Dabei haben beide eine dreijährige Ausbildung hinter sich und es im Arbeitsalltag mit genauso hohen Anforderungen zu tun“, betont Gebehart.

Im Zuge des Fachkräftemangels gilt es, die vorhandenen Potentiale zu nutzen

Chefin übers eigene Portemonnaie: Kellnerinnen und Köche entscheiden selbst, was mit dem Trinkgeld passiert – nicht aber der Chef. Foto: NGG
Die NGG fordert gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Foto: NGG

Der NGG-Geschäftsführer ruft die Unternehmen in der Region dazu auf, die Ungleichbehandlung zu beenden und „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ zu zahlen. Gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel im Lebensmittel- und Gastgewerbe sollten die Firmen alles daransetzen, durch attraktive Arbeitsbedingungen Frauen zu gewinnen. „Hier schlummert ein enormes Potential für den heimischen Arbeitsmarkt“, so Gebehart.

Allerdings stehe auch die Politik in der Pflicht, mehr für die Gleichberechtigung zu tun. Die NGG kritisiert insbesondere das Ehegattensplitting. „Das Steuersystem bietet Frauen, deren Partner ein gutes Einkommen haben, kaum Anreize, selbst beruflich durchzustarten. Durch hohe Abzüge in der Steuerklasse V bleiben viele von ihnen doch zuhause oder machen nur einen Minijob. Hier muss die Bundesregierung eine Reform anpacken“, fordert Gebehart.

Die Gewerkschaft verweist zugleich auf Fortschritte. Nach einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung haben Frauen Männer bei den Bildungsabschlüssen in den letzten Jahren überholt. Hatten im Jahr 2005 bundesweit lediglich 26 Prozent aller Frauen die Hochschulreife, waren es im Jahr 2019 gut 40 Prozent (Männer: 29 bzw. 39 Prozent).

Gewerkschaft hofft, Pandemie stößt ein Umdenken an

Torsten Gebehart ist Geschäftsführer der NGG-Region Dortmund.
Torsten Gebehart ist Geschäftsführer der NGG-Region Dortmund. Foto: Klaus Hartmann für Nordstadtblogger.de

Auch die Zahl der Haushalte, in denen Frauen das Haupteinkommen beisteuerten, ist zuletzt deutlich – auf ein Achtel aller Haushalte – gestiegen. Allerdings sind Führungspositionen nach Angaben des WSI weiterhin überwiegend in männlicher Hand. Einer der Gründe: Frauen haben weitaus häufiger eine Teilzeitstelle als Männer.

Nach Einschätzung der NGG könnte die Pandemie jedoch langfristig zu einem Umdenken beitragen: „Corona kann auch eine Chance für mehr Gleichberechtigung sein. Viele Männer haben in den letzten zwei Jahren erstmals richtig erfahren, welche Arbeit Kinderbetreuung und Haushalt machen – aber auch, wie wichtig ihre Unterstützung zuhause ist“, so Gebehart weiter.

IG Metall setzt auf starke Betriebsräte, die sich für die Rechte von Frauen einsetzen

Der Internationale Frauentag liegt terminlich in diesem Jahr genau eine Woche nach Beginn der Betriebsratswahlen. Und während diese terminliche Nähe ein Zufall ist, so sind doch Mitbestimmung und Gleichstellung eng miteinander verknüpft, meint die IG Metall.

Ulrike Hölter, 1. Bevollmächtigte der IG Metall
Ulrike Hölter ist 1. Bevollmächtigte der IG Metall in Dortmund. Archivfoto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Mitbestimmte Betriebe, also solche, die über einen Betriebsrat verfügen, hätten deutlich häufiger Vereinbarungen für flexible Arbeitszeiten und bessere Entwicklungsmöglichkeiten für Frauen. „Betriebsräte sorgen für bessere Arbeitsbedingungen für Frauen in Betrieben“ betont Ulrike Hölter, 1. Bevollmächtigte der IG Metall Ruhrgebiet Mitte.

Auch deswegen müssten die Rechte von Betriebsräten dringend gestärkt werden, um etwa beim Einsatz von digitalen Arbeitsmitteln oder der Gewährung von Homeoffice auf Augenhöhe mit Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern und im Interesse der Beschäftigten verhandeln zu können.

„Damit es mit der Gleichstellung von Frauen und Männern vorangeht, brauchen wir starke Betriebsrätinnen und Betriebsräte, die sich dafür und für die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen einsetzen“ so Ulrike Hölter weiter.

Mehr geringfügige Beschäftigung durch Anhebung der Minijob-Verdienstgrenze befürchtet

Foto: Web-Screenshot

Von entscheidender Wichtigkeit für die Gleichstellung seien die politischen Rahmenbedingungen. Ein aktuelles Negativbeispiel beobachte die IG Metall bei der geplanten Anhebung der Minijob-Verdienstgrenze.

„Die Folge dessen wäre mehr geringfügige Beschäftigung ohne sozialen Schutz“, befürchtet Ulrike Hölter. Vor allem Frauen wären davon betroffen, da sie überproportional in Minijobs beschäftigt sind. Notwendig sei vielmehr eine Sozialversicherungspflicht ab dem ersten Euro.

„Die Bundesregierung hat ein Jahrzehnt der Gleichstellung angekündigt. Mit ihrem Plan, den Mindestlohn auf 12 Euro zu erhöhen, macht sie dabei einen großen Schritt nach vorn. Aber ihn mit der Anhebung der Verdienstgrenze der Minijobs zu verknüpfen, ist gleichstellungspolitisch ein Schritt zurück“, stellt Ulrike Hölter klar.

Ulrike Hölter: „Bei uns gibt es 365 Frauentage im Jahr!“

Wie es anders gehen kann, zeige sich im Organisationsbereich der IG Metall: Während in der deutschen Wirtschaft die Vollzeitbeschäftigung von Frauen zwischen 2013 und 2020 nur um fünf Prozent wuchs, waren es im (traditionell männlich geprägten) Organisationsbereich der IG Metall acht Prozent.

Das zeigen Daten der Bundesagentur für Arbeit. Die Teilzeit hingegen wuchs in der deutschen Wirtschaft stärker, als im Organisationsbereich der IG Metall. Tarifvereinbarungen, die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverträgen immer Vorrang einräumen, sind hierbei ein wesentlicher Faktor.

„Das bedeutet folglich, dass wir nicht nur am 8. März zum Thema Gleichstellung arbeiten, sondern permanent. Oder anders ausgedrückt: bei uns gibt es 365 Frauentage im Jahr!“ rundet Ulrike Hölter das Thema ab. Genug zu tun gäbe es in dieser Frage allemal.

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Reaktionen

  1. Mad Scientist

    Eine Bäckereifachverkäuferin in nunmal kein Bäcker. Unabhängig von der Ausbildungsdauer und der Arbeitszeit. Sie hätte ja Bäcker lernen können. Hier werden wie immer Äpfel mit Birnen verglichen.

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