Handwerk und Design auf höchstem Niveau: Der NRW-Staatspreis für das Kunsthandwerk „MANUFACTUM 21“

Die Gewinner*innen: oben v.l. Maria Pohlkemper Kategorie „Objekt und Skulptur“, Jan Göller Kategorie „Bild und Druckmedien“, Theresa Wedemeyer Kategorie „Sonderpreis Bild- und Druckmedien“; unten v.l. Carola Kosche Kategorie „Schmuck“, Oliver Trepper Kategorie „Möbel“, Sharokina Golpashin Kategorie „Kleidung und Textil“. Fotos: Andrea Borowski

Die Auszeichnungen für den „Staatspreis Kunsthandwerk NRW“ wurden am Samstag, den 24. April 2021, durch die Landesministerin für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung, Ina Schnarrenbach, im Auftrag des Ministerpräsidenten des Landes Nordrheinwestfalen und Schirmherrn des Wettbewerbes, Armin Laschet, im Dortmunder Konzerthaus verliehen. Die sechs Gewinner*innen und ihre Kategorien sind: Oliver Trepper aus Münster in der Kategorie „Möbel“, Maria Pohlkemper aus Billerbeck in der Kategorie „Objekt und Skulptur“, Carola Kosche aus Lüdenscheid in der Kategorie „Schmuck“, Jan Göller aus Kerken in der Kategorie „Bild und Druckmedien“, Sharokina Golpashin aus Düsseldorf in der Kategorie „Kleidung und Textil“ und Theresa Wedemeyer aus Münster in der Kategorie „Sonderpreis Bild- und Druckmedien“.

MKK-Ausstellung kann derzeit nicht besucht werden – Virtueller Rundgang soll demnächst möglich werden

v.l. Beate Amrehn (Akademie für Handwerksdesign – Gut Rosenberg), MKK-Direktor Dr. Jens Stöcker und Birgit Müller (Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie). Foto: Roland Gorecki

Die den Wettbewerb begleitende Ausstellung im Museum für Kunst und Kulturgeschichte (MKK) in Dortmund kann aufgrund des Pandemiegeschehens derzeit leider nicht besucht werden. Sie läuft noch bis zum 27. Juni. Von insgesamt 375 eingereichten Arbeiten sind hier 121 von der Jury ausgewählte Exponate zu sehen. ___STEADY_PAYWALL___

Sobald das Museum wieder öffnet, haben Besucher*innen Gelegenheit, vor Ort im Museum über ihr Lieblingsstück und damit über den Publikumspreis abzustimmen. Ein Designpräsent winkt als Gewinn.

Bis dahin soll ein Video auf diversen Social-Media-Kanälen einen virtuellen Rundgang durch die Ausstellung ermöglichen. Es soll in den nächsten Tagen online gehen.

Der mit insgesamt 60.000 Euro dotierte „Staatspreis Kunsthandwerk NRW“, der Handwerker- sowie Künstler*innen und ihre Kunstwerke auszeichnet, wird seit 1963 alle zwei Jahre vergeben und das abwechselnd in Köln und Dortmund. Die Sieger*innen der jeweiligen Kategorie gewinnen 10.000 Euro.

Preisverleihung im Konzerthaus Dortmund durch Landesministerin Ina Scharrenbach

Landesministerin Ina Scharrenbach ehrte die Sieger*innen im Konzerthaus Dortmund. Foto: Lina Nikelowski

Das Museum für Kunst und Kulturgeschichte, das wieder als Location der zum Wettbewerb gehörenden Ausstellung zur Verfügung steht, hat es dem Organisationsteam um Beate Amrehn sehr leicht gemacht, so die Formgebungsberaterin, die federführend für Wettbewerb und Ausstellung ist.

MKK-Direktor und Jury-Mitglied Jens Stöcker wurde in höchsten Tönen gelobt. Das Museum sei unter anderem ein perfekter Austragungsort, da sich die Exponate nahtlos in die bestehenden Ausstellungsstücke einreihen würden.

Und obwohl die Hürde für einen Museumsbesuch „maximal hoch“ gewesen sei, würden die Interessent*innen der Austellung bisher trotzdem ihren Weg ins MKK finden, so der Direktor.

Jury zeichnete Unikate von herausragender kunsthandwerklicher Qualität aus – die Begründungen

Kategorie „Objekt und Skulptur“: In der Zusammenschau der beiden ähnlichen, aber unterschiedlichen Arbeiten „WISP – WHAT IS PERFECT“ stehen sich die Ruhe und Eindeutigkeit des zweiten Objektes sowie die fließende Dynamik und Brüchigkeit des ersten Objektes gegenüber, sie fügen sich zu einem Ensemble zusammen.

Maria Pohlkemper, gelernte Keramikerin aus Billerbeck Fotos (6): Lina Nikelowski

Die Jury überzeugte die Präsentation und Gegenüberstellung sowohl des gelungenen Objektes als auch der scheinbar misslungenen Arbeit von Maria Pohlkemper, Keramikerin aus Billerbeck. In beiden ist das zugrundeliegende Arbeitskonzept klar ablesbar.

Die Herstellung der frei aufgebauten Porzellanobjekte aus Bone China Porzellan ist handwerklich sehr aufwendig, mit komplizierten und komplexen Arbeitsschritten verbunden und beeindruckend kunstfertig ausgeführt.

Die Objekte sind in ihrer Struktur angelehnt an Architekturelemente und verweisen gleichzeitig in ihrem Gesamteindruck auf organische Formen. Sie bieten für Betrachter*innen vielfältige Anknüpfungsmöglichkeiten in der Ansicht und der Deutung.

Beeindruckt war die Fachjury über das im Brennprozess verformte Objekt, das die Herstellerin mit ihrem Ergebnis akzeptiert und damit für sich einen neuen Weg beschreiten konnte. Der Schritt, das „unperfekte“ Objekt gerade wegen seiner Brüche und Risse zu akzeptieren, darin eine eigene Schönheit und Lebendigkeit zu entdecken, wurde als ein neuer Aspekt der Wahrnehmung gewertet.

Jan Göller macht mit seiner Kunst auf die Zustände der Gewässer aufmerksam.

Kategorie „Bild- und Druckmedien“: Algen in einem Aquarium fotografiert. Viele Einzelaufnahmen, zusammengesetzt und bearbeitet, machen es möglich, die ca. drei bis fünf Zentimeter kleinen Algen im Großformat auf circa 1,60 m darzustellen.

Jan Göller, Fotograf aus Kerken, macht mit seiner fünfteiligen Arbeit „Verve“ auf den Zustand unserer Gewässer aufmerksam, holt an die Oberfläche und macht deutlich, wie zart und schön die im Wasser lebenden, Photosynthese betreibenden Organismen sind.

Die Präsentation im schaukastigen Rahmen lässt zuerst an Zeichnungen oder Drucke des 18. Jahrhunderts denken. Sie verführt die Betrachter*innen zum genauen Studium dieser Organismen mit ihren filigranen Strukturen. Was daherkommt wie aus alter Zeit, macht uns auf die Fragilität und den heutigen Zustand unserer Gewässer aufmerksam. Ein sanfter Hinweis auf mögliche Katastrophen, vollendet dargestellt.

Carola Kosche mit dreidimensionalem Schmuck.

Kategorie „Schmuck“: Die Arbeit erklärt sich durch eine konsequente Reihung und besticht durch die Reduktion in Form einer fokussierten Auseinandersetzung mit linearen Strukturen. Jedes Collier steht dennoch für sich.

Und auch im getragenen Zustand ergibt sich ein überraschend frisches Tragebild. Das Anlegen animiert zum spielerischen Ausloten der Position. Die Haptik der beweglichen Elemente, die Weichheit der Verbindung und die spürbare Flexibilität kommen überraschend daher.

Nimmt man die „Grid“ in die Hand, lässt sie sich komprimieren und schafft es dennoch, sich anschließend wieder problemlos in ihre Ursprungsform zu begeben. Die Colliers wirken fragil und sind gleichzeitig höchst flexibel. Die Assoziation grafischer Anmutung und architektonischer Wirkung hat die Fachjury im Besonderen fasziniert, überzeugt hat die Einfachheit im Verlauf der Präsentation, die Bewegung und das strukturale Emporwachsen.

Oliver Trepper, experimentierfreudiger Tischler

Kategorie „Möbel“: Der Hocker „Parabola“ von Oliver Trepper aus Münster überzeugte die Jury als erfrischende Neuinterpretation eines eigentlich durchdeklinierten Möbelstücks, welche Funktionalität und Ästhetik gekonnt miteinander vereint.

Eine Sitzgelegenheit, die aufgrund ihrer skulpturalen Anmutung vielleicht erst auf den zweiten Blick als solche zu erkennen ist. Diese anfängliche Ungewissheit erzeugt eine Spannung aus Neugierde und Erwartungen.

Das erste Probesitzen begeistert mit einem vergnüglichen und zugleich angenehmen Sitzerlebnis. Der Hocker fordert durch seine flexiblen Elemente zum bewegten Sitzen auf. Ebenso spannend ist die durch einen Perspektivenwechsel vielfältige Erscheinung. Aus einem Blickwinkel betrachtet, ähnelt die Sitzfläche aus gebogenen Holzleisten einem Geflecht.

Aus einem anderen Blickwinkel ergibt sich eine durchschaubare graphische Überlagerung aus sich wiederholenden, floralen Schleifenkonturen. Die Verbindung der unter Spannung stehenden Massivholzleisten und dem Stahlgestell ist simpel, aber dennoch handwerklich anspruchsvoll gelöst. Ein Objekt, gut vorstellbar sowohl in einfachen Wohnräumen, als auch in Sondersituationen wie Entrees oder Lounges. Die Arbeit nimmt sich zurück und passt sich auf angenehme Weise verschiedenen Umgebungen an.

Sharokina Golpashin – seit diesem Samstag gibt es ihre Tasche zu kaufen. Am Ende des Artikels ist die Seite verlinkt.

Kategorie „Kleidung und Textil“: Ein Stück Leder, keine Nähte, 100 Prozent Handarbeit. Bei der Handtasche „UNA PURE“ hat Sharokina Golpashin aus Düsseldorf die besonderen Eigenschaften von pflanzlich gegerbtem Leder dazu genutzt, Volumen ohne Nähte entstehen zu lassen.

Die Jury überzeugte, dass hier Techniken des traditionellen Lederhandwerks auf experimentelles, zeitgenössisches Design treffen. Positiv von der Jury bewertet wurde ebenfalls der ökologische und nachhaltige Ansatz im Umgang mit dem Material.

Eine Arbeit, rundum durchdacht, die sich bescheiden und auf den ersten Blick völlig unspektakulär und dezent gibt. Erst bei näherer Betrachtungsweise werden Möglichkeiten und Qualität sichtbar, sie lädt zum Ausprobieren und spielerischen Umgang ein.

Kategorie „Sonderpreis Bild- und Druckmedien“: Das Buchprojekt I BM G III von Theresa Wedemeyer aus Münster ist im traditionellen Bleisatz von Hand gesetzt und die Handpressendrucke auf einer Abziehpresse gefertigt. Die Sammlerausgabe ist eine flexible koptische Heftung mit goldener Prägung.

Theresa Wedemeyer´s Kunstwerk soll eine Einladung zum Diskurs sein.

Die Liebhaberausgabe ist an Fälze gehangen und als Franzband mit offenem Gelenk gearbeitet. Ausgestattet mit einem Lederkapital, einem Elfenbeinschnitt und mit einer Monotypie als Bezugspapier.

  • Die Arbeiten, die in traditioneller Buchbinderarbeit, altem Bleisatz und Druckverfahren erstellt wurden, bestechen durch ihre konzeptionelle Stringenz. Gleichzeitig wird durch dieses traditionelle Handwerk eine hochaktuelle Thematik inhaltlich und visuell aufbereitet:

die Geschlechterfrage, die Geschlechterrollen und deren gesellschaftliche Bewertung. Dabei wurde die Kombination aus Bibeltexten und grafischen Symbolen auf reduzierte Weise als Angebot aufbereitet, um sich diesem relevanten Thema auf ungewöhnliche Art und Weise zu nähern.

Der leicht spielerische Zugang zu einem oft dogmatisch verhandelten gesellschaftlichen Zustand einer geschlechtlichen Ungleichbehandlung wirkt inspirierend. Neben der perfekten handwerklichen Realisierung dieses Projektes hat die Jury überzeugt, dass hier ein Ansatz frei von moralischer Bewertung gewählt wurde, der zu einem offenen Diskurs einlädt.

Für alle Interessent*innen der Ausstellung im MKK, die nicht länger warten können und denen die beigefügten Impressionen nicht genügen,  gibt es einen Katalog in dem die ausgewählten Stücke der Jury zu sehen sind. Im angefügten Link hier, können sie „durchblättern“.

 

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Weitere Informationen:

Bild & Druckmedien

JAN GÖLLER
Kerken
jangöller.com

Sonderpreis

THERESA WEDEMEYER
Münster
buch-objekt.de

Kleidung + Textil

SHAROKINA GOLPASHIN
Düsseldorf
sharokina.com

Möbel

OLIVER TREPPER
Münster
olivertrepper.de

Skulptur und Objekt

MARIA POHLKEMPER
Billerbeck
pohlkemper.de

Schmuck

CAROLA KOSCHE
Lüdenscheid
carolakosche.com

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Reaktionen

  1. MKK-Ausstellung MANUFACTUM endet mit Publikumspreis für Michael Berger – Best of des Kunsthandwerks nur noch bis Sonntag (PM)

    MKK-Ausstellung MANUFACTUM endet mit Publikumspreis für Michael Berger
    – Best of des Kunsthandwerks nur noch bis Sonntag

    Sechs Kunsthandwerker*innen aus NRW haben bereits im April aus den Händen von Landesministerin Ina Scharrenbach den Staatspreis für das Kunsthandwerk MANUFACTUM erhalten. Ihre Werke und die der 121 weiteren Nominierten sind noch bis Sonntag (27. Juni) in der Ausstellung „MANUFACTUM“ im Museum für Kunst und Kulturgeschichte zu sehen. Doch auch die Besucher*innen der Ausstellung hatten eine Stimme und durften vor Ort ihre Lieblingsarbeit küren.

    Das Ergebnis steht nun fest: Die vier kinetischen Wandobjekte des Schmuckdesigners und Goldschmieds Michael Berger sind der Favorit des Publikums. Insgesamt 33 der insgesamt 370 abgegebenen Stimmen entfielen auf den Düsseldorfer. Der Künstler hatte seine Werkgruppe in der Kategorie „Objekt und Skulptur“ eingereicht.

    Die vier Schmuckstücke für die Wand können durch eine Drehung in Bewegung versetzt werden. Im Gitterkorpus angebrachte Glasflügel setzen das Objekt durch Lichtbrechung, Spiegelung und einen Farbwechsel effektvoll in Szene.

    Wer sich Michael Bergers Arbeiten und das Best-of aktuellen Kunsthandwerks aus NRW noch anschauen möchte, kann ein Ticket buchen unter dortmunder-museen.de. Der Eintritt ist frei.

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