Abgabe von Gras in kommerziellen Geschäften wäre möglich

Große Mehrheit im Rat: Dortmund soll eine „Cannabis-Modellkommune“ werden

Am Samstag fand der „Global Marijuana March“ in Dortmund statt. Statt der erwarteten 500 kamen aber nur 170 Personen.
Am Samstag fand der „Global Marijuana March“ in Dortmund statt. Statt der erwarteten 500 kamen aber nur 170 Personen. Nordstadtblogger-Redaktion | Nordstadtblogger

Wenn es die politischen Rahmenbedingungen auf Bundesebene hergeben, soll Dortmund eine „Modellkommune Cannabis“ werden. Das haben die Fraktionen von SPD, Grünen, Linke+, FDP/Bürgerliste und „Die Partei“ im Rat der Stadt Dortmund beschlossen. Die Stadt soll beim Bundesgesundheitsministerium Interesse zur Teilnahme bekunden. Grundlage war ein gemeinsamer Antrag. Das war eine Steilvorlage für den „Global Marijuana March“, der am Samstag in Dortmund stattfand. Mit 170 Teilnehmenden war er allerdings deutlich schlechter besucht als in früheren Jahren.

Ziel: „Regionales Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten“

Im gemeinsamen Antrag von fünf Fraktionen an den Stadtrat heißt es: „Die Verwaltung bekundet umgehend gegenüber dem Bundesministerium für Gesundheit sowie dem Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen das Interesse der Stadt Dortmund, Modellkommune im Rahmen der Säule 2 ,Regionales Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten’ des Cannabis-Eckpunktepapiers der Bundesregierung zu werden.“

Eine endgültige Entscheidung über die Teilnahme der Stadt trifft der Rat unmittelbar nach Vorlage des entsprechenden Gesetzentwurfs. Außerdem soll die Verwaltung den aktuellen Stand der Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen für einen verantwortlichen Cannabis-Konsum im zuständigen Fachausschuss vorstellen. Dazu zählt auch die Arbeit der geschaffenen Stelle im Bereich der Gesundheitsförderung. 

Dortmund habe seit vielen Jahren ein gut aufgestelltes Drogenhilfesystem. Die letzten Entscheidungen zur Einrichtung einer Diamorphinambulanz in städtischer Trägerschaft, zur Verlängerung der Öffnungszeiten des Drogenkonsumraums sowie zur Aufhebung der Wohnsitzauflage seien weitere Verbesserungen einer verantwortungsvollen Drogenhilfe, die insbesondere die gesundheitlichen Bedingungen für die Konsument*innen stärke, begründen die Fraktionen den Vorstoß. 

Anerkennung gesellschaftlicher Realitäten statt ideologischer Blockade

Der „Global Marijuana March“ in Dortmund wirbt seit Jahren für eine Legalisierung von Cannabis.
Der „Global Marijuana March“ in Dortmund wirbt seit Jahren für eine Legalisierung von Cannabis. Foto: Paulina Bermúdez für Nordstadtblogger.de

Gleichzeitig ist Cannabis die am häufigsten konsumierte illegale Droge in Dortmund. „Der Konsum von Cannabis ist seit Jahrzehnten eine gesellschaftliche Realität. Das Ziel, Menschen von einem Konsum von Cannabis abzubringen, wurde zu keinem Zeitpunkt erreicht. Eine ideologisch motivierte Verbotspolitik hat dies ignoriert und vor allem große gesundheitliche und gesellschaftliche Probleme verursacht“, so die Begründung der Fraktionen. 

Auch in Dortmund gebe es illegalen Handel, auf dem weder Jugend-, noch Gesundheits- oder Verbraucherschutz gelte. „Der jetzige unkontrollierte Verkauf sorgt im Gegenteil dafür, dass Cannabis häufig mit Amphetaminen und anderen gefährlichen Stoffen gestreckt ist und dadurch in seiner Wirkung unberechenbar wird“, untermauern die Parteien ihr Anliegen. 

Die Bundesregierung hat nun mit der Zielsetzung einer kontrollierten Abgabe von Cannabis ein Eckpunktepapier für ein 2-Säulen-Modell vorgelegt. Danach sollen Erwachsene künftig Cannabis in bestimmten Mengen privat oder in nicht- gewinnorientierten Vereinigungen anbauen dürfen sowie im Rahmen eines regionalen Modellvorhabens in lizensierten Fachgeschäften erhalten können. 

Auf fünf Jahre befristete, regionale Modellprojekte mit wissenschaftlicher Begleitung

Ziel ist es, mit der Abgabe die Qualität zu kontrollieren, die Weitergabe verunreinigter Substanzen zu verhindern, den Jugendschutz sowie den Gesundheitsschutz für Konsument*innen bestmöglich zu gewährleisten und zu verbessern sowie den Schwarzmarkt einzudämmen. Von der Legalisierung verspricht man sich zudem eine Entlastung von Polizei und Staatsanwaltschaft. 

Die Säule 2 des Eckpunktepapiers sieht auf fünf Jahre befristete, regionale Modellprojekte vor, in denen die Wirkung einer kommerziellen Abgabe wissenschaftlich begleitet, untersucht und evaluiert werden soll. Dabei soll Unternehmen die Produktion, der Vertrieb und die Abgabe in lizensierten Fachgeschäften von Genusscannabis an Erwachsene in einem lizensierten und staatlich kontrollierten Rahmen ermöglicht werden, um die oben genannten Ziele zu erreichen. 

„Dortmund ist als Oberzentrum, in dem sich viele Menschen aktuell illegal auch mit Cannabis versorgen, prädestiniert für die Teilnahme am Modellprojekt“, betonen die antragstellenden Fraktionen. Bereits jetzt haben andere Städte angekündigt, sich um die Teilnahme am Modellversuch zu bewerben – unter anderem München, Köln, Münster, Frankfurt a.M., Bremen und Offenbach. Um die Chancen einer Teilnahme am Modellversuch nicht jetzt schon zu verspielen, sollte auch Dortmund schnellstmöglich das Interesse gegenüber dem Gesundheitsministerium bekunden. 

Die Fraktionen von SPD, Grünen, Linke+, FDP/Bürgerliste und „Die Partei“ stimmten im Rat zu, nur CDU und AfD stimmten dagegen. Hier gibt es die Diskussion zur „Modellkommune Cannabis“ im Rat als Videomitschnitt:

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Reaktionen

  1. Dortmund als Modell-Region für Cannabis-Experiment der Ampelkoalition? − Entschiedenes „Nein“ der CDU-Ratsfraktion!

    Die Ampelkoalition hat im April Eckpunkte zur Legalisierung von Cannabis vorgelegt. In einem Antrag zur Sitzung des Rates fordern die Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Linke+, FDP/BL und Die Partei, dass Dortmund sich als Modellkommune für den darin vorgesehenen Modellversuch zu kommerziellen Cannabis-Lieferketten bewirbt. Die CDU-Fraktion im Rat der Stadt Dortmund wird diesen Antrag ablehnen. Das Cannabisvorhaben hebelt Drogenschutz und Suchprävention aus und verharmlost den Konsum der Einstiegsdroge. Das Etikett „Cannabis-Modellregion“ ist kein Prädikat, mit dem die Stadt werben kann, keine Auszeichnung, die die Stadt nach vorne bringt. Nach Ansicht der CDU-Fraktion ist das Vorhaben verheerend für den Ruf der Stadt und kein Ausdruck hipper Lebenskultur.

    Dazu Dr. Jendrik Suck, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Rat der Stadt Dortmund:

    „Modellkommune zu sein, ist bei vielen Themen ohne Frage erstrebenswert, gut für das Image der Stadt und eine Demonstration von Innovationskraft und Modernität. Es ist aber sicherlich nicht förderlich, als ‚Modellregion für kommerzielle Cannabis-Lieferketten‘ – von der Produktion, über den Vertrieb, bis hin zur Abgabe von Cannabis – überregionale Schlagzeilen zu schreiben“, kritisiert Suck und verweist beispielhaft auf die Bildzeitung, die gestern einen Beitrag mit der Überschrift ‚Wird Dortmund bald Kiffer-Kommune?‘ veröffentlicht und in einer Unterzeile fragt ‚Wird Kiffen in Dortmund bald zum Modell?‘. Suck weiter: „Es kann doch nicht ernsthaft ein Stadtziel sein, als Forschungslabor für die Auswirkungen von kommerziellen Cannabis-Lieferketten auf den Gesundheits- und Jugendschutz sowie den Schwarzmarkt zu dienen. Dortmund hat ohnehin schon den Ruf, bundesweite Kokain-Hochburg zu sein.“

    Thomas Bahr, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion:
    „Wer die Bewerbung als Cannabis-Modellregion fordert, verdrängt die gravierenden gesundheitlichen Gefahren des Cannabis-Konsums und nimmt Gesundheitsschäden billigend in Kauf. Ideologie wird über Gesundheit gestellt. Die Bundesärztekammer hat erst vor wenigen Tagen in einer Pressemitteilung vom 3. Mai 2023 erneut eindringlich vor einer Legalisierung von Cannabis gewarnt. Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt wird darin mit folgenden Worten zitiert: ‚Die Legalisierung von Cannabis führt zur Verharmlosung einer Droge, die nachgewiesenermaßen abhängig macht und zu schweren Entwicklungsschäden gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen führen kann.‘“

    Nach Lesart der Bundesärztekammer bestätigen die Ergebnisse der vom Bundesgesundheits-ministerium in Auftrag gegebenen Studie zur Cannabis-Legalisierung, dass dort, wo Cannabis zu Genusszwecken freigegeben wurde, der Freizeitkonsum ansteigt. ‚Aufhorchen lassen sollte auch die Warnung der Gutachter, dass profitorientierte Unternehmen nicht nur die Verdrängung illegaler Anbieter anstreben könnten, sondern auch auf die Erschließung neuer Gruppen von Konsumierenden abzielen‘, heißt es weiter in der Pressemitteilung der Bundesärztekammer.

    Dr. Jendrik Suck: „Wir wollen einen starken Handel in Dortmund, aber sicherlich keinen legalisierten Drogenhandel. Die CDU-Fraktion lehnt den Antrag zur Modellkommune Cannabis entschieden ab. Hinzukommt, dass es noch gar keine Gesetzesgrundlage gibt.“

  2. Nadja Reigl

    Was wir als Organisator*innen des Global Marijuana March unbedingt noch erwähnen müssen:
    Manche der Anwesenden haben sich sicher gefragt, was es mit der Ansage, dass Rechte usw. natürlich bei uns nicht willkommen sind, und den gelben Fahnen (die auch hier im Artikel oben auf einem der Fotos zu sehen sind) auf sich hatte.

    Zunächst müssen wir erstmal allen herzlich danken, die uns auf die überhaupt hingewiesen haben. Wir müssen da tatsächlich eine Bildungslücke eingestehen… Aber wir sind lernfähig!

    Bei den gelben Fahnen handelte es sich um die „Gadsden Flag“. Und um einmal aus dem Wikipedia-Beitrag zu zitieren:
    „Die Flagge wird seit den 2000er-Jahren verstärkt als verdecktes Erkennungszeichen (“dog whistle”) von extremen Rechten genutzt. 2014 wurde eine solche Flagge von den Angreifern im Attentat von Las Vegas genutzt, um eines ihrer Opfer zu bedecken. Teilnehmer der Rechtsextreme Demonstrationen in Charlottesville 2017 führten unter anderem die Flagge mit sich. Es existieren viele Varianten der Flagge unter anderem mit der Schlange in Form des Buchstaben Q, dem Symbol der QAnon Verschwörungsideologie. Auch beim Sturm auf das Kapitol in Washington im Januar 2021 wurde die Gadsden-Flagge vielfach verwendet. Sie ist zunehmend bei rechtsextremen Organisationen wie den Proud Boys beliebt.“

    Von derartigem Gedankengut möchten wir uns ausdrücklich distanzieren! Menschen, die so etwas gut heißen, haben bei uns nichts verloren. Wer dafür kein Verständnis haben sollte, darf beim nächsten Mal außerdem auch gerne zu Hause bleiben. Auf derartigen Unterstützung verzichten wir ausgesprochen gerne!

    Wir entschuldigen uns daher bei allen, die gezwungen waren, ein Stück mit diesen Menschen gemeinsam zu gehen, ehe es uns gelungen ist, das Problem zu lösen (danke an dieser Stelle auch nochmal an Olaf, dem irgendwann der Kragen geplatzt ist! ❤ ) .

    Bitte weißt uns auch in Zukunft auf solche Patzer hin! Wir geben unser Bestes, auf so etwas zu achten, aber manchmal geht auch uns etwas durch die Lappen. Wir sind da also immer dankbar, wenn man uns da kurz einen Hinweis gibt!

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