Dortmunder OB übt scharfe Kritik: „Die Kommunalaufsicht kommt vom rechten Weg ab“

Westphal soll Ratsbeschluss zur Brandmauer beanstanden und weigert sich

Blick in den Ratssaal
Am 13. Februar 2025 hat der Stadtrat die rechtlich nicht bindende Resolution „Wir sind die Brandmauer“ beschlossen. Foto: Alexander Völkel für die nordstadtblogger.de

Von Finn Tayfun Wieschermann

Der Rat der Stadt Dortmund hatte sich im Februar 2025 klar gegen eine Zusammenarbeit mit rechtsextremen Parteien ausgesprochen. Diese Resolution wurde jetzt von der Bezirksregierung als Kommunalaufsicht kritisiert, Dortmunds Oberbürgermeister soll den Beschluss beanstanden. Trotz einer schriftlichen Aufforderung will Westphal (SPD) dem nicht nachkommen und lässt es auf einen Rechtsstreit ankommen.

Keine Zusammenarbeit mit verfassungsfeindlichen Parteien

Am 13. Februar hat der Stadtrat den Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen die rechtlich nicht bindende Resolution mit dem Titel „Erklärung des Rates – Wir sind die Brandmauer“ beschlossen. Darin verpflichten sich die demokratischen Mitglieder des Rates, auf Kooperationen mit als rechtsextremistisch oder zum großen Teil verfassungsfeindlich eingestuften Parteien zu verzichten. Sollte eine Mehrheit nur unter Mithilfe solcher Parteien zustande kommen, müsste in der Konsequenz auf eine Beschlussfassung verzichtet werden. ___STEADY_PAYWALL___

In dem Antrag wird ausdrücklich auf die Ratsfraktion der AfD Bezug genommen. Diese vertrete keine Positionen zum Schutz der Demokratie oder zur Stärkung der Grundrechte. Eine Zusammenarbeit mit der AfD ist daher ebenso ausgeschlossen wie mit anderen rechtspopulistischen oder rechtsextremen Gruppierungen.

Hintergrund dieses Beschlusses ist das gemeinsame Abstimmungsverhalten der Fraktionen von Union, FDP und AfD im Bundestag am 29. Januar 2025, nur wenige Stunden nach einer gemeinsamen Gedenkstunde zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 80 Jahren.

Verletzt der Dortmunder Beschluss das im Grundgesetz verankerte Parteienprivileg?

In Folge des Ratsbeschlusses ging bei der Bezirksregierung Arnsberg eine Prüfungsanfrage eines Dortmunder Bürgers ein. Dieser stellte infrage, ob sich ein Stadtrat in dieser Form überhaupt zu bundespolitischen Themen äußern dürfe. Die Bezirksregierung schloss sich dieser Auffassung an und verwies in ihrer schriftlichen Stellungnahme unter anderem auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom Mai 2022.

Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) soll den Brandmauer-Beschluss seines Rates beanstanden, für den er auch selbst gestimmt hatte. Foto: Alex Völkel für nordstadtblogger.de

Demnach habe der Dortmunder Beschluss das im Grundgesetz verankerte Parteienprivileg verletzt – insbesondere die Chancengleichheit der AfD. Zudem argumentiert die Bezirksregierung, der Stadtrat überschreite mit dieser Erklärung seine kommunalrechtlichen Kompetenzen.

Vor diesem Hintergrund forderte Arnsberg Oberbürgermeister Westphal offiziell auf, den Ratsbeschluss nachträglich zu beanstanden. In diesem Schreiben vom 18. Juni heißt es, dass die Erklärung der demokratischen Fraktionen eine parteiergreifende politische Bewertung darstelle, die mit der Neutralitätspflicht kommunaler Gremien nicht vereinbar sei.

Dortmunder Stadtverwaltung widerspricht der rechtlichen Einschätzung

Nach einer eigenen juristischen Prüfung kommt die Dortmunder Stadtverwaltung jedoch zu einer gegenteiligen Einschätzung. Die Begründung der Bezirksregierung enthalte demnach mehrere Rechtsfehler. So betont die Stadt unter anderem, dass sich das Chancengleichheitsgebot nur auf Parteien im politischen Wettbewerb beziehe – nicht jedoch auf das Abstimmungsverhalten einzelner Ratsmitglieder. Zudem handle es sich bei dem Beschluss um eine politische Absichtserklärung ohne rechtlich bindende Wirkung gegenüber der AfD-Fraktion.

Laut einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2017 sei ein Stadtrat als Gesamtorgan nicht verpflichtet, alle Ratsmitglieder unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung gleichzubehandeln. Eine schwerwiegende Störung der verfassungsmäßigen Ordnung – die Voraussetzung für eine Beanstandung durch den OB wäre – sei nicht gegeben.

OB sieht die kommunale Selbstverwaltung gefährdet – „Arnsberg sei nicht die Beschlusspolizei“

„Die Kommunalaufsicht kommt vom rechten Weg ab“, kritisiert Oberbürgermeister Westphal das Vorgehen der Bezirksregierung. Aus seiner Sicht steht das verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltungsrecht der Kommunen auf dem Spiel. Dieses dürfe nicht durch eine Kommunalaufsicht eingeschränkt werden, die sich zur „Beschlusspolizei“ aufschwinge.

Eine solche Entwicklung sei nicht hinnehmbar, erklärte das Büro des Oberbürgermeisters in seiner schriftlichen Antwort an Arnsberg. Man befinde sich weiterhin im Austausch über die Bewertung des Vorgangs und etwaige Konsequenzen.

Die AfD-Fraktion begrüßt unterdessen die Auffassung der Bezirksregierung Arnsberg. Der Ratsbeschluss vom Februar sei aus ihrer Sicht eine „antidemokratische Intrige“, die einzig dem Ziel diene, die Wiederwahlchancen des „AfD-Hassers Westphal“ bei der Kommunalwahl im September zu verbessern. Die Fraktion zeigt sich zuversichtlich, dass sich die Rechtsauffassung der Kommunalaufsicht durchsetzen werde.


Anm. d. Red.: Eine Stellungnahme der Bezirksregierung Arnsberg auf die Dortmunder Weigerung sowie eine Antwort auf die Anfrage von Nordstadtblogger steht noch aus.


UPDATE: (11. Juli, 12.10 Uhr)

Mittlerweile liegt eine Antwort der Bezirksregierung vor, wie sie mit der Weigerung von Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal umgehen wollen. Christoph Söbbeler, Pressesprecher der Bezirksregierung Arnsberg, teilt auf unsere Anfrage mit:

Logo der Bezirksregierung Arnsberg„Wenn Anzeichen für einen Verstoß gegen gesetzliche Vorgaben im Raume stehen, gehört es zu den Aufgaben der Kommunalaufsicht diesen nachzugehen und diese ggf. auch im Rahmen eines Disziplinarverfahrens zu prüfen. Zu konkreten Verfahren können aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Auskünfte erteilt werden.

Nachdem der Oberbürgermeister der Weisung zur Beanstandung nicht nachgekommen ist, wird die Kommunalaufsicht als Aufsichtsbehörde an seiner Stelle den Beschluss gegenüber dem Rat beanstanden. Der Rat hat sich sodann in seiner nächsten Sitzung erneut mit dem Beschluss zu befassen. Hebt er ihn nicht auf, wird die Aufsichtsbehörde dies tun.

Ergänzend fügen wir das Urteil des VG Düsseldorf zu einem Parallelfall in der Stadt Kaarst aus dem Jahr 2022 an, das bei der Bewertung des Dortmunder Ratsbeschlusses leitend war.“


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