Demo und Familienfest: Die Würde des Menschen und soziale Gerechtigkeit stehen am 1. Mai in Dortmund im Mittelpunkt

1. Mai 2016 Solidaritätsdemonstration Innenstadt Westfalenpark
2017 wird es wieder eine Demo von der City zum Westfalenpark geben. Archivbild: L. Achilles

„Wir sind viele. Wir sind eins.“ ist das Motto der Demonstration und der Kundgebung zum 1. Mai im Westfalenpark in Dortmund. Die Würde der Arbeit und soziale Gerechtigkeit stehen im Mittelpunkt – ebenso wie die Einführung eines Azubi-Tickets.

Die Menschenwürde darf nicht an Werkstoren und Bürotüren enden

Gewerkschaften treten nicht nur für die Würde des Menschen im Allgemeinen ein, sondern möchten sie auch in der Arbeitswelt geschützt sehen. „Die Menschenwürde darf nicht als Toren der Werkshallen und Türen der Büros aufhören. Doch wir erleben, dass dies immer der Fall ist“, betont die Dortmunder DGB-Vorsitzende Jutta Reiter.

So erlebten die Gewerkschaften einen massiven Rückgang der Tarifbindung. In Unternehmen, wo die KollegInnen relativ gut verdienten, würden Abteilungen ausgegliedert. Doch statt mit den üblichen Mechanismen des Betriebsübergangs zu hantieren, der eine Besitzstandswahrung mit sich bringen würde, versuchten immer mehr Unternehmen, rechtliche Regelungen zu unterlaufen.

Das gehe so weit, dass neue Unternehmen und sofort danach ein Unternehmensbetriebsrat gegründet werde, dessen Betriebsrat von leitenden Angestellten besetzt würden. Sie handelten dann quasi mit sich selbst für die Beschäftigten schlechtere Betriebsvereinbarungen aus, bevor dann das Gros der Beschäftigten zu ihnen überführt werde.

Umgehung des Mindestlohns durch Tricks zu Lasten der Belegschaften

DGB Dortmund informiert im Hauptbahnhof über den Mindestlohn
Der DGB hat alle Infos zum Mindestlohn in einer Broschüre zusammengefasst. Archivbild: K. Hartmann

„Das erleben wir nicht nur einmalig, sondern an vielen Stellen. Die Bandagen werden härter und die Kollegen stehen im Regen“, kritisiert Reiter. Die KollegInnen verdienten meist nicht nur „ein bisschen“ weniger, sondern mitunter viele hundert Euro im Monat. „Das kumuliert sich, wirkt sich negativ auf die Erwerbsbiographie und damit auch die Rente aus“, so die DGB-Vorsitzende.

Auch die Umgehung des Mindestlohns kritisiert sie. Zwar nicht so offensiv,m dass die Gewerkschaften ihnen „die Kontrolleure vorbeischicken“ müssten. Mit Tricks werde der Mindestlohn umschifft.

Durch den Mindestlohn würden die ArbeitnehmerInnen beispielsweise im Reinigungsgewerbe mehr verdienen bzw. die 450-Euro-Kräfte erreichten die Einkommensgrenze mit weniger Stunden. Um nicht mehr Personal einstellen zu müssen, würden die pro Stunde zu reinigenden Flächen vergrößert – um eine eine nachweisbare „Benachteiligung“ zu vermeiden, würden diese Flächen für alle Beschäftigten erhöht.

Abschaffung der anlasslosen Befristung von Arbeitsverträgen gefordert

Ebenfalls auf der Agenda der Gewerkschaften ist der Kampf gegen die anlasslose Befristung, die neue ArbeitnehmerInnen, aber auch Azubis nach der Ausbildung trifft. „Viele Azubis machen sich Hoffnung auf eine Übernahme. Die bekommen sie, aber sie werden erst vier Mal befristet, bevor eine unbefristete Beschäftigung erfolgt. Das hat nichts mit Würde und einem Verhalten Augenhöhe, sondern mit Schindluder zu tun“, kritisiert Jutta Reiter.

Ebenfalls ein „Klassiker“ ist das „Betriebsratsmobbing“. Dies verzeichnen die Gewerkschaften bei jeder sechsten Erstwahl des Gremiums. So gebe es Versuche, die Wahl zu behindern. Außerdem komme es zu Einschüchterungen der Wahlvorstände – sie sind, anders als BetriebsratsbewerberInnen, nicht durch das Betriebsverfassungsgesetz geschützt.

„Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich noch viel höher. Wir erfahren ja nicht von allen Versuchen, wenn die Gründung eine Betriebsrats behindert wird“, schätzt Organisationssekretär Ralf Beltermann. Von daher sei Mitbestimmung ein ganz wichtiger Aspekt: „Wir wollen uns auf Augenhöhe bewegen und solche Dinge aushandeln“, ergänzt Reiter.

Soziale Gerechtigkeit und nachhaltige Renten stehen auf dem Programm

Marijke Garretsen und Jutta Reiter werben für die Teilnahme am 1. Mai. Foto: Alex Völkel
Marijke Garretsen und Jutta Reiter werben für die Teilnahme am 1. Mai. Foto: Alex Völkel

Zweiter großer Aspekt für den DGB ist die soziale Gerechtigkeit. Die Rentenkampagne – Ziel ist die nachhaltige Sicherung der Renten und eine Verhinderung des Absinkens auf 43 Prozent – geht weiter.

„Wir wollen gleichzeitig langfristig sicherstellen, dass die gesetzliche Versicherung so attraktiv bleibt, dass sie den Lebensstandard der Menschen sichert. Zudem tritt die Gewerkschaft für siw paritätische Finanzierung der Krankenversicherung durch Arbeitgeber und Beschäftigte ein.

„Wenn man genau hinsieht, sieht man, dass die gesetzliche Regelung Augenwischerei ist“, kritisiert Reiter. ArbeitnehmerInnen zahlten die Zuschläge zur Krankenversicherung alleine. Auch die Abschaffung des Buß- und Bet-Tages als gesetzlicher Feiertag ging allein  zu Lasten der ArbeitnehmerInnen.

Im Rahmen der Bundestagswahl wirbt der DGB auch für ein verändertes Steuerkonzept, die GeringverdienerInnen entlasten soll. Zwei Beispiele: So sollen die Kinderfreibeträge abgeschafft und dafür das Kindergeld erhöht sowie die Entfernungspauschale durch eine Mobilitätspauschale ersetzt werden.

Beides würde bedeuten, dass Menschen im geringeren Einkommen mehr Geld in der Tasche habe. Zudem sollen sich Menschen mit höheren Einkommen stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligen. Diese Themen wollen die GewerkschafterInnen auch am 1. Mai nach vorne tragen.

Demonstrationszug startet am 1. Mai um 11 Uhr am Platz der Alten Synagoge

Der Jugendblock wird auch in diesem Jahr die Demo in Dortmund anführen. Archivbild: Alex Völkel

Ab 11 Uhr soll der Demonstrationszug am Platz der alten Synagoge starten. Gegen 12 Uhr sollen die TeilnehmerInnen am Westfalenpark ankommen, wie schon seit vielen Jahren das DGB-Familienfest stattfindet.

In diesem Jahr gibt es einen wichtigen Unterschied: Das Abzeichen – die Nelke zum 1. Mai – berechtigt NICHT mehr zur kostenlosen Benutzung des ÖPNV und zum kostenlosen Betreten des Parks. Die Regelung musste der Bundesvorstand – sehr zum Bedauern der Akteure in Dormtund und anderswo – wegen veränderten steuerrechtlichen Regelungen kippen.

Kostenlos in den Westfalenpark kommt daher am 1. Mai nur noch, wer annähernd zeitgleich mit dem Demozug am Eingang Ruhrallee ankommt. Zu anderen Zeiten wird der reguläre Parkeintritt fällig.

Bisher hatte der Dortmunder DGB immer europäische RednerInnen zu Gast. In diesem Jahr haben sie wegen der Landtags- und Bundestagswahl Betriebs- und Personalräte eingeladen. Sie werden berichten, mit welchen Problemen sie zu kämpfen haben – und welche Forderungen an die Politik. Zu Wort kommen sollen Menschen aus den Bereichen Reinigung, Bildung, Industrie, Handwerk und ÖPNV.

Jugendblock fordert ein kostenloses Azubi-Ticket analog zum Studiticket

Die DGB-Jugend fordert die Einführung eines Azubi-Tickets - analog zum Angebot für Studierende.
Die DGB-Jugend fordert die Einführung eines Azubi-Tickets – analog zum Angebot für Studierende.

Stark vertreten sein will auch in diesem Jahr der „Jugendblock“. Junge Mitglieder der Gewerkschaften sowie von befreundeten Jugendorganisationen werden an der Spitze des Zuges mitgehen. „Mit dabei sind uns politisch nahestehende Gruppen wie Falken, Naturfreunde und DIDF-Jugend“, berichtet DGB-Jugendbildungsreferentin Marijke Garretsen.

Die Aktivitäten der DGB-Jugend stehen unter einem eigenen Motto: „Ohne dich kein wir. Gemeinsam kämpfen für Bildung, Arbeit und Wohnraum für Alle.“

Größte und wichtigste Forderung ist die Einführung eines NRW-weiten Azubi-Ticket analog zum Studi-Ticket, um günstig mobil zu sein. „Die Azubis haben wenig Geld aber hohe Kosten. Durch das Ticket würde die gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe verbessert und die Mobilität erhöht.

Außerdem könnten so regionale Unterschiede kompensiert und die duale Ausbildung gestärkt werden“, erklärt die Jugendsekretärin.

Mehr als 50 Organisationen sind beim Familienfest im Park vertreten

„Das ist ein politisch anspruchsvolles Thema. Azubis haben ja keine Verhandlungsgremien wie die Studierenden“, so Garretsen. Dennoch ist das Ziel, diese Forderung mit der zukünftigen Landesregierung, den Kammern und Gewerkschaften zu diskutieren.

Im Westfalenpark wird es – wie in den Vorjahren auch – kein frontales Bühnenprogramm geben. Denn das dezentrale Angebot, gestaltet von mehr als 50 Organisationen, habe sich bewehrt, versichert Organisator Ralf Beltermann. Es wird Informations-, Spezialitäten und Spielangebote geben. Für die Musik sorgt unter anderem die Gruppe „Lay Back“.

Gemeinsames Eintreten gegen rechtsextreme Umtriebe – Nazidemo im Westen

Die BürgerInnen machten ihre Meinung zur Neonazis-Mahnwache deutlich. Foto: Alex Völkel
Viele BürgerInnen werden am 1. Mai wieder gegen Neonazis auf die Straße gehen. Archivbild: Alex Völkel

Die Aktivitäten des DGB – im vergangenen Jahr kamen bei bestem Wetter insgesamt rund 10.000 Menschen in den Park und 3000 nahmen an der Demo teil – werden aber nicht die einzigen politischen Aktivitäten in Dortmund sein.

Die Neonazis der Partei „Die Rechte“ mobilisieren für eine Demo im Dortmunder Westen. Die Gewerkschaften werden die gesellschaftlichen und antifaschistischen Gruppen vor Ort unterstützen. Die DGB-Vorsitzende Jutta Reiter wird daher auch in Lütgendortmund bei der Veranstaltung des „Runden Tisch gegen Rechts“ sprechen.

„Wir rufen unsere Mitglieder auf, die lokalen Aktivitäten vor Ort zu unterstützen. Wir lassen keinen Keil zwischen uns treiben“, gibt sich Reiter kämpferisch. „Wir bedauern es, dass der 1. Mai wieder missbraucht wird, um die kruden Ideologien zu verbreiten.“

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Reaktionen

  1. Dr. Karl Lauschke (Hoeschmuseum)

    Freunde des Hoesch-Museums sind mit dabei am 1. Mai

    Wenn die Gewerkschaften am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, zur Demonstration und Kundgebung im Westfalenpark aufrufen, sind auch die Mitglieder der „Freunde des Hoesch Museums e.V.“ mit dabei. Sie erinnern damit an das Engagement der Hoesch-Belegschaften, die früher zu Tausenden an den Kundgebungen zum 1. Mai teilnahmen und machen zugleich aufmerksam auf die Aktualität der damaligen Anliegen.

    „Der erfolgreiche Einsatz nicht nur der ,Hoeschianer‘ für die Mitbestimmung wirkt in den bestehenden Arbeitnehmerrechten noch heute nach. Ihr solidarisches Handeln für mehr soziale Gerechtigkeit und gegen Ausländerfeindlichkeit hat seine Gültigkeit nicht verloren“, sagt PD Dr. Karl Lauschke, Vorsitzender der Freunde des Hoesch-Museums.

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