Sechs Jahre nach der „Besetzung“ gab es weitere Urteile am Amtsgericht

Bekannte Neonazis verurteilt: Auch der zweite „Kirchturmprozess“ endet mit Geldstrafen

Mit der Besetzungsaktion in der Reinoldikirche gelang ihnen ein PR-Coup. Aber die Aktion hatten sie geklaut. Bild: Marcus Arndt
Die Besetzungsaktion der Reinoldikirche zog juristische Folgen nach sich. Bild: Marcus Arndt

Fast sechs Jahre nach der kurzzeitigen Besetzung der Aussichtsplattform der Dortmunder Reinoldikirche wurde am 3. und am 14. November 2022 im Prozess gegen die verbliebenen fünf der insgesamt elf rechten Aktivisten verhandelt. Im Vorfeld war das Verfahren aufgrund der hohen Anzahl von Angeklagten aufgeteilt worden. Vier der fünf Beschuldigten wurden zu unterschiedlich hohen Geldstrafen verurteilt.

Hausfriedensbruch und Nötigung: die Besetzung der Reinoldikirche

Diese Tür zum Treppenaufgang in der Dortmunder Reinoldikirche wurde zuerst versperrt. Foto: Paulina Bermúdez für Nordstadtblogger.de

Den rechten Aktivisten wurde vorgeworfen, am 16. Dezember 2016 die Aussichtsplattform der Dortmunder Reinoldikirche, die während des Weihnachtsmarkts besucht werden konnte, kurzzeitig besetzt zu haben. Nach dem Kauf von Eintrittskarten wurde zunächst die Tür zum Treppenaufgang versperrt und – oben angekommen – das Schloss der Tür zur Aussichtsplattform von außen verriegelt.

Gegen acht Neonazis erhob die Staatsanwaltschaft daher wegen Hausfriedensbruchs und Nötigung Anklage. Genötigt wurden durch die Verbarrikadierung der Kirchturmstür die anderen Besucher:innen, die zwar Eintritt bezahlt hatten, aber den Kirchturm bzw. die Aussichtsplattform nicht betreten konnten. Gegen drei weitere Aktivisten, die am Boden vor der Reinoldikirche Flugblätter zu der Aktion verteilten, wurde wegen Beihilfe ermittelt.

Unter den Verurteilten im zweiten Prozess befanden sich bekannte Gesichter wie der „Kampf der Nibelungen“-Organisator Alexander Deptolla, der Co-Bundesvorsitzende der Partei „Die Rechte“, Sven Skoda, der mehrfach vorbestrafte Aktivist Steven F. und Dortmunds ehemaliger Feuerwehrchef Klaus Schäfer. 

Klaus Schäfer: „Ich fühle mich völlig zu Unrecht verfolgt hier“

Die Angeklagten Skoda (r.) und Deptolla (2. v. r.) schwiegen zu den Vorwürfen. Foto: Paulina Bermúdez für Nordstadtblogger.de

Die anwesenden Skoda und Deptolla beriefen sich während des gesamten Prozesses auf ihr Schweigerecht. Der ehemalige Feuerwehrchef Klaus Schäfer hingegen sagte bereits zu Beginn des ersten Verhandlungstags umfangreich aus.

Er sei an dem Abend mit mehreren Bekannten an einem Stand auf dem Dortmunder Weihnachtsmarkt verabredet gewesen. Sorgen hätte er sich bereits im Vorfeld gemacht, nicht wegen der anstehenden Protestaktion der Rechtsextremist:innen, sondern aus Angst vor islamistischen Anschlägen.

Auf Höhe der Reinoldikirche sei er dann am Abend auf den mittlerweile verstorbenen Neonazi Siegfried Borchardt (bekannt als SS-Siggi) gestoßen, der mit weiteren Personen Flugblätter verteilt hätte. Borchardt habe ihm die Flugblätter in die Hand gedrückt, da er kurz auf die Toilette müsse und habe gesagt, Schäfer könne diese auch verteilen. Unmittelbar später sei der Angeklagte eingekesselt worden, obwohl er am aktiven Verteilen der Flugblätter nicht teilgenommen habe.

Ex-Feuerwehrchef Klaus Schäfer wurde freigesprochen

Der ehemalige Dortmunder Feuerwehrchef Klaus Schäfer musste sich vor Gericht verantworten. Foto: Paulina Bermúdez für Nordstadtblogger.de

Schäfer erklärte, dass es im weiteren Verlauf des Abends zu mehreren unverhältnismäßigen Maßnahmen durch das Ordnungsamt und die Polizei gekommen sei. Das Verwaltungsgericht habe bereits bestätigt, dass die vorläufige Festnahme rechtswidrig war.

Zudem habe der Oberkommissar, der Schäfer auf der Wache durchsuchte und angab, dabei ein aufgeklapptes Taschenmesser gefunden zu haben, „frech gelogen“. Er fügte hinzu, der Oberkommissar habe „schlechtes Karma“ erlangt, denn er sei „mittlerweile an Corona verstorben“.

Der ehemalige Feuerwehrchef bestätigte zwar von der Protestaktion bereits im Vorfeld gewusst zu haben, da er am selben Tag in Dorstfeld einem Treffen beigewohnt hatte. Darüber, dass es zu einer rechtswidrigen Verbarrikadierung kommen sollte, habe er aber keine Kenntnis gehabt. Insgesamt fühle er sich „völlig zu Unrecht verfolgt“.

Gerichtsurteil: Vier der fünf Angeklagten zu Geldstrafen verurteilt

Klaus Schäfer war auch bei der Aktion zur Kirchenbesetzung dabei. Foto. Tomasz Niemiec
Klaus Schäfer war nach der Aktion vorübergehend festgenommen worden. Foto: Tomasz Niemiec

Zu dem Gerichtstermin am 3. November erschienen zwei der insgesamt fünf Beschuldigten nicht – darunter auch der mehrfach vorbestrafte Steven F.. Sein Anwalt äußerte, seit langem keinen Kontakt zu dem Neonazi zu haben. Daraufhin beantragte die Staatsanwaltschaft noch vor Prozessbeginn gegen die beiden Abwesenden einen Strafbefehl. Nach zwanzigminütiger Bedenkzeit gab das Gericht dem Antrag statt und verurteilte die beiden Angeklagten zu Geldstrafen von 300 Euro und 400 Euro.

„Kampf der Nibelungen“-Organisator Alexander Deptolla und Co-Bundesvorsitzender der Partei „Die Rechte“ Sven Skoda wurden am 14. November der Vorwürfe der Nötigung und des Hausfriedensbruchs schuldig gesprochen und zu Geldstrafen von 750 Euro (25 Tagessätze á 30 Euro) und 1.200 Euro (40 Tagessätze á 30 Euro) verurteilt.

In einem umfangreichen Schlusswort äußerte sich der Verurteilte Skoda, der zuvor geschwiegen hatte. Grundtenor war, dass deutsche Gerichte politische Entscheidungen fällen würden. Dem ehemaligen Feuerwehrchef Schäfer konnte die Beihilfe (das Verteilen der Flyer) nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden – er wurde freigesprochen.

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