Bausteine, Bestattungen und Fundstücke an der St. Petrikirche: Vorstellung des neunten Dortmunder Denkmalheftes

Dr. Mathias Austermann, Christel Schürmann, Dr. Henriette Brink-Kloke und Ludger Wilde (v.l.) stellten die mittlerweile neunte Ausgabe der Dortmunder Denkmalhefte „Bausteine und Fundstücke“ vor. Foto: Gerd Wüsthoff
Dr. Mathias Austermann, Christel Schürmann, Dr. Henriette Brink-Kloke und Ludger Wilde (v.l.) stellten die mittlerweile neunte Ausgabe der Dortmunder Denkmalhefte „Bausteine und Fundstücke“ vor. Foto: Gerd Wüsthoff

Von Gerd Wüsthoff

„Guck mal Skelette“, damit beginnt Dr. Mathias Austermann seinen Text in der neunten Ausgabe der Dortmunder Denkmalhefte. Austermann, Archäologe und Mediävist, und seit 2015 Stadtheimatpfleger für Dortmund im Westfälischen Heimatbund. Was die wenigsten Dortmunder vielleicht, auf Grund der modernen Gestaltung des Platzes vor der St. Petrikirche, wissen – dort war einst ein Friedenshof und eine Begräbnisstätte. Anlässlich einer Ausgrabung, welche 2012 unter der Leitung von Dr. Henriette Brink-Kloke durchgeführt wurde, kamen nicht nur Skelette zu Tage, sondern auch Artefakte, welche einen Einblick in das Leben in der ehemaligen Freien Reichsstadt und Hanse-Mitglied Dortmund geben.

Neuzeitliches Leben auf dem ehemaligen Friedenshof und Begräbnisstätte

Bei den Ausgrabungen an der Petrikirche war der Bauzaun ständig umlagert und ließen die Archäologinnen sich wie Zootiere fühlen. Viele DortmunderInnen waren überrascht, als sie beobachteten wie das ArchäologInnen-Team 2012 Skelette freilegten, wo sie im vorhergegangenen Jahr vielleicht noch gesessen hatten. Doch genau diese Areale vor und um Kirchen waren Begräbnisstätten – Friedhöfe.

Bis, zum Teil, in das 19. Jahrhundert waren die Friedenshöfe um die Kirchen in den Städten auch Begräbnisstätten. In ländlichen Räumen, besonders in Bayern können wir diese „alte“ Anordnung immer noch vorfinden. Der heutige Begriff des „Friedhof“, welcher sich aus dem umfriedeten Friedens-Bereich um eine Kirche bildete. Hier mussten, wie in den Kirchen, die Waffen ruhen.

„Unsere Befunde bei der Ausgrabung an St. Petri ergaben, dass sich der Bestattungsritus zum Frühmittelalter verändert hatte. De Facto sind alle Menschen vor Gott gleich,“ erklärt Dr. Henriette Brink-Kloke. „Waren die Menschen früher nur in Leichenhemden bestattet wurden, so fanden wir jetzt auch Grabbeigaben.“ Mit dem Wechsel zum Beginn des Hochmittelalter, im 12. Jahrhundert kamen nun auch Leichenwaschgefäße zum Vorschein. Zugleich lassen sich aus dem Areal vor der Petrikirche auch Schlüsse auf die Stadtentwicklung ziehen.

Ausgrabungen fördern Artefakte und neue Erkenntnisse zu Tage

Die St. Petri-Kirche in der Dortmunder Innenstadt. Foto: Gerd Wüsthoff

„In einem ebenfalls im Grabungsareal des mittelalterlichen Hauses vorgefundenen Erdkeller, belegen die Funde einen der großen Stadtbrände,“ erklärt Dr. Austermann. „Die dokumentierten, glasierten Dachziegel, zeigen einmal einen vermögenderen Bauherrn an, wie auch einen ersten aktiven Brandschutz.“ Daneben fand das Grabungsteam um Dr. Brink-Kloke auch weitere Stücke. So einen Schreibgriffel aus Metall oder Perlen für eine Grabkrone.

Der verbogene Schreibgriffel, einer von nur 25 in Europa aufgefundenen Griffeln dieser Art, lässt vermuten, dass es sich um eine Grabbeigabe für einen Steinmetz handeln könnte. „Mit diesen Schreibgriffeln konnte man sowohl auf Wachstäfelchen als auch auf Stein schreiben,“ führt Dr. Austermann aus.

Anhand der Fotos im neuen Dortmunder Denkmalheft kann man auch ersehen, in wie weit der damals schon begrenzte Raum der Begräbnisstätte mehrfach genutzt wurde und werden musste. „Sie haben teilweise Bein und Armknochen dazu verwendet die neuen Särge damit auszurichten und zu stabilisieren,“ sagt Dr Brink-Kloke. Verstärkt wurde die, heute despektierlich wirkende Maßnahme, durch den Umstand des nicht ausreichend tiefen Erdreiches im Bereich der St. Petrikirche.

Archäologische Funde lassen Rückschlüsse auf BewohnerInnen zu

Die Befunde der Ausgrabung von 2012 belegen, dass es vor dem aktuellen, ab 1322 errichteten Hallenkirchenbau, eine Vorläuferkirche gegeben haben muss, welche dann nach einer Stiftung von weiteren Grundstücken errichtet wurde. Der im 15. und 16. Jahrhundert fertiggestellte Kirchturm, stürzte im 17., und wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg mit seinen 105 Metern Höhe wieder aufgebaut.

Neben dem ehemaligen Friedhof an St. Petri kam auch die vorherige städtische Bebauung zum Vorschein. So müssen die BewohnerInnen des vorher dort anzufinden Hauses relativ wohlhabend gewesen sein, denn man fand in der ehemaligen Latrine eine Aquamanile aus Ton. Dabei handelt es sich um ein Handwaschgefäß, welches man bei Mahlzeiten benutzte, um sich die Hände vorher, oder zwischen den Speisenfolgen, zu waschen.

Erst in den letzten Jahren legt die archäologische Forschung einen verstärkten Fokus auf die Untersuchung christlicher Gräber, welche nicht einheitlich ausgestattet wurden. Mit jeder neuen Ausgrabung stellt sich heraus, dass sich die vermeintlich geglaubte Gleichheit der Bestattungen im Verlauf der Zeiten in zahlreiche regionale, religiöse, soziologische, und chronologische Differenzen entwickelte.

Weitere Informationen:

  • Das neue Heft ist bereits die neunte Publikation der Reihe „Bausteine und Fundstücke – Dortmunder Denkmalhefte“. Es liegt kostenlos aus im Stadtplanungs- und Bauordnungsamt (Burgwall 14), im Museum für Kunst und Kulturgeschichte (Hansastraße 3) und im Stadtarchiv (Märkische Straße 14) – solange der Vorrat reicht.
  • Alle älteren Hefte stehen ebenfalls kostenlos zur Verfügung. Darüber hinaus können sie auf der Internetseite der Denkmalbehörde unter www.denkmalbehoerde.dortmund.de heruntergeladen werden.
  • Westfälischer Heimatbund: www.whbdo.de

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