Die Präsentation ist noch bis kommenden Sonntag (29. Januar) zu sehen

Ausstellung „Pranayama Typhoon“ im HMKV im Dortmunder U: Ist das Kunst oder kann das Krieg?

Im Bann der Kriegsmaschine: Filmstill „Pranayama Organ“ (2021) von Fiona Banner aka The Vanity Press im Ausstellungsraum des HMKV. (Courtesy Fiona Banner aka The Vanity Press und Galerie Barbara Thumm, Berlin) Daniela Berglehn | Nordstadtblogger

Die Ausstellung „Pranayama Typhoon“ bringt Kampfjets in den Kunstraum und lotet die Grenzen zwischen Tragik und Komik aus. Einmal tief durchatmen bitte.

Eine Kampfjet-Attrappe wird zur „Skulptur“

Ein Riese erwacht zum Leben. Filmstill „Pranayama Organ“, 2021. Courtesy Fiona Banner aka The Vanity Press und Galerie Barbara Thumm, Berlin. Daniela Berglehn | Nordstadtblogger

Das Meer rauscht, etwas Großes liegt am Strand und beginnt sich zu bewegen. Es erwacht, schlüpft, unbeholfen und ganz langsam. Untermalt von Orgelmusik entfaltet es sich zur vollen Größe. Es ist eine aufblasbare Kampfjet-Attrappe.

Das seltsame Schauspiel – inszeniert und gefilmt von der Künstlerin Fiona Banner an der englischen Steilküste – steht im Zentrum der Ausstellung „Pranayama Typhoon Soft Parts Wing Flap Fin“. Die Videoarbeit trägt den Titel „Pranayama Organ“ und dass sie hier in Dortmund zu sehen ist, ist durchaus ein Coup.

Inke Arns, Direktorin des Hartware MedienKunstVereins (HMKV), hat sie im Sommer 2022 auf der Biennale in Venedig in einer alten Kirche entdeckt und den Weg für die Premiere in Deutschland frei gemacht. Es ist eine kleine, aber ganz besondere Ausstellung geworden, die nur noch bis Sonntag, den 29. Januar zu sehen ist.

Spannende Frage: Wie kann Kunst auf den Krieg reagieren?

Unscheinbar? Ausstellungsansicht Kampfjet-Attrappe Falcon (2021), Fiona Banner aka The Vanity Press Daniela Berglehn | Nordstadtblogger

Der Kontext der Ausstellung ist eine Herausforderung. Was tut man als Kulturinstitution, wenn in Europa der Krieg ausbricht? Wie reagieren Künstler:innen? Was zeigen Kurator:innen?

Inke Arns Entscheidung Fiona Banners Arbeit zu präsentieren war mutig und richtig. Sie entstand zwar vor dem Krieg in der Ukraine und ist insofern kein Kommentar zu den Ereignissen, aber sie kann so gelesen werden und vor allem geht sie darüber hinaus.

Krieg ist nicht erst seit dem 24. Februar 2022, aber er ist uns näher gekommen. Leopard und Marder sind für uns nicht länger nur Tiernamen, sondern als Bezeichnungen für Kriegsgerät Bestandteil des Tagesgesprächs. Mit Typhoon und Falcon ist es ähnlich – es sind die Namen der Kampfjets, die als Attrappen ihren Platz im Film und in der Ausstellung erobert haben.

„Erzählung im offenen Raum“: Meer, Wind, Atem – alles ganz friedlich?

Kampf oder Tanz? Filmstill „Pranayama Organ“, 2021. Courtesy Fiona Banner aka The Vanity Press und Galerie Barbara Thumm, Berlin. Daniela Berglehn | Nordstadtblogger

Während wir im dunklen Raum in den Sitzsack gekuschelt die Gedanken und den Blick schweifen lassen, entsteht das, was Inke Arns eine „Erzählung im offenen Raum“ nennt. Wir hören das Meer und den Wind, hinter uns bläht sich die Falcon-Attrappe auf und sinkt wieder in sich zusammen. Alles ganz friedlich? Wir entdecken kleinere Bilder an den Wänden.

Es sind „Seestücke“ von unbekannten Maler:innen und Fiona Banner hat die Schlachtschiffe darauf mit schwarzen Kreisen übermalt. Zurück bleibt das Meer und ein mysteriöses Unbehagen.

Hinter uns erinnert eine große Tafel mit Nummern an die Anzeigen für Lieder in einer Kirche. Das passt zur Orgel. Tatsächlich ist aber auch das ein Video und die Nummern bilden die ISBN-Nummer, unter der die Künstlerin die Arbeit mit dem Titel „Dear Bathos, Love“ registriert hat. Dann wieder die Orgelmusik. Der Soundtrack, den Banner mit Freund:innen in einer Kirche aufgenommen hat bestimmt die Atmosphäre. Die Stimmung ist fast schon sakral.

Die Inszenierung als Teil der Kriegsmaschine

Fiona Banner mit Kampfjet-Attrappe – Filmstill „Pranayama Organ“, 2021. Courtesy Fiona Banner aka The Vanity Press und Galerie Barbara Thumm, Berlin. Daniela Berglehn | Nordstadtblogger

Doch mitten im schönsten Pathos stellt sich die Frage: Was sind das eigentlich für Sitzsäcke? „Wing, Flap, Fin“, auf denen wir es uns gerade so gemütlich gemacht haben, sind Teil der Inszenierung und damit auch Teil der Kriegsmaschine. Sie basieren auf Flugzeugteilen und sind den Kampfjets näher als jeder Hüpfburg.

Da kann einen schon mal ein Unwohlsein beschleichen und auch die Vorstellung, dass inmitten der Ausstellung bereits ein Yoga-Kurs stattfand, mag befremden. Andererseits: Pranayama ist ein Begriff aus dem Yoga und hat die Zusammenführung von Körper und Geist durch Atemübungen zum Ziel. Wie also bringen wir all das hier zusammen?

Lächerlich oder gefährlich? Es bleibt ambivalent

Während wir wieder in Wing, Flap oder Fin versinken, wird auch der Kampf der Flugzeugattrappen im Video zunehmend ambivalent. Banner und ein Freund sind in die Flugzeughüllen geschlüpft und bemühen sich am Strand gegen die Kräfte des Winds um eine Annäherung. Ist das noch ein Konflikt? Ist es nicht eher ein zärtlicher Balz-Tanz?

Performance mit Kampfjet-Attrappen, Filmstill „Pranayama Organ“, 2021. Courtesy Fiona Banner aka The Vanity Press und Galerie Barbara Thumm, Berlin. Daniela Berglehn | Nordstadtblogger

Nun ist es doch wieder lustig und die ganze Kriegsmaschine ja auch irgendwie lächerlich. Aufgeblasen eben. Ein Moment auf der Grenze verschiedener Emotionen. Vielleicht in wenig wie in Charlie Chaplins Film „Der große Diktator“, wenn wir ihm zusehen, wie er mit der Weltkugel tanzt. Auch sie ist im Film ein Ballon – der am Ende zerplatzt.

Gut und böse, falsch und richtig, hart und weich werden bei Banner nicht aufgelöst. Es sind keine Kategorien, die einander gänzlich ausschließen. Oder wie Fiona Banner im Interview sagt: „If this wasn’t so tragic, it would be hillarious“ (Wenn es nicht so tragisch wäre, wäre es urkomisch.) Im „safe space“ dieser Ausstellung waren wir aber eine Zeit lang frei, die Zeichen anders zu interpretieren und die Zwischentöne auszuloten. Am Ausgang heißt es dann wieder: einatmen, ausatmen, entscheiden müssen.

  • Fiona Banner aka The Vanity Press: Pranayama Typhoon Soft Parts Wing Flap Fin
  • bis 29.01.2023 im Hartware MedienKunstVerein, Dortmunder U, Ebene 3
  • Letzte öffentliche Führung am 29. Januar um 16 Uhr (Dauer ca. 45 Minuten, ohne Anmeldung)
  • https://www.hmkv.de/

 

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