
Seit über 30 Jahren gilt der 17. Oktober offiziell von den Vereinten Nationen als Internationaler Tag für die Beseitigung der Armut. Seither finden an diesem Tag jährlich Kundgebungen statt, um auf die Situation armutsbetroffener Menschen, insbesondere derer auf der Straße, aufmerksam zu machen. Auch in diesem Jahr haben in Dortmund Initiativen zu einer Kundgebung aufgerufen.
Auch nach 30 Jahren: Aufmerksamkeit für Ungerechtigkeit bewahren
Der Winter rückt immer näher und damit auch die Sorge vieler Wohnungs- und Obdachloser über die Überwinterung auf der Straße. Was Bürger:innen abseits der Straße oft nicht im Blick haben, darauf wollten das Gast-Haus, die Kana-Suppenküche, der Malteser-Herzensbus und bodo wie seit Jahren in Form einer Kundgebung in der Dortmunder Innenstadt aufmerksam machen.

„Es ist wichtig, darauf hinzuweisen und auch laut zu werden, um den Ursachen von Armut und Ungleichverteilung etwas entgegenzusetzen“, mahnt Colin Fischer von der Kana-Suppenküche auf der Kundgebung an.
Zwar habe sich laut Fischer der Inhalt der Veranstaltung nach über 30 Jahren nur geringfügig verändert, was er bedauere, dennoch sei es wichtig, weiterhin mit der jährlichen Kundgebung auf die Thematik aufmerksam zu machen.
„Die Kana-Suppenküche geht auf eine US-amerikanische Bewegung zurück, die sich Catholic Worker nennt. Eine der Gründerinnen dieser Bewegung, Dorothy Day, hat einen Satz gesagt, der uns bis heute als Leitsatz dient: Wir müssen unsere Stimme gegen Ungerechtigkeit erheben oder ihr durch unser Schweigen zustimmen. Und genau das wollen wir nicht tun. Wir wollen nicht der Ungerechtigkeit zustimmen, die auf der Welt, aber auch hier in unserem Land herrscht“, so Fischer.
Kritik an nationaler Sozialpolitik und Bürgergeld-Debatte
Besonders das aktuelle politische Klima geriet mit Blick auf die Wohnungs- und Obdachlosenhilfe unter der Kritik. „Wir werden auf allen Kanälen mit schlechten Nachrichten aus aller Welt überflutet und erleben gleichzeitig eine deutliche Diskursverschiebung nach rechts – hin zu neoliberaler und rechter Hetze“, sagte er.

Sätze, die heute öffentlich geäußert würden, wären früher undenkbar gewesen. Dabei wurde die aktuelle Diskussion um das Bürgergeld als Beispiel herangezogen. Zum Hintergrund:
In der Bundesregierung wird derzeit darüber debattiert, das Bürgergeld abzuschaffen und durch eine strengere „Grundsicherung“ mit härteren Sanktionen und geringerem Schonvermögen zu ersetzen. Im ersten Jahr werden aktuell noch die vollen Mietkosten übernommen. „Jens Spahn fordert, dass diese Regelung ersatzlos gestrichen wird. Ein besseres Instrument, um Menschen in die Wohnungslosigkeit zu treiben, wäre mir auch nicht eingefallen“, kritisierte Fischer.
Statt über die Folgen solcher Kürzungen zu sprechen, werde über vermeintlichen Missbrauch debattiert, während unzählige Menschen durch verschwendete Steuergelder – etwa bei Maskendeals – hätten unterstützt werden können, fügt Fischer hinzu.
Neulich gewählter OB gerät ebenfalls unter Kritik der Veranstalter:innen
Auch Dortmund selbst geriet unter die Kritik der Veranstalter:innen hinsichtlich des Umgangs mit der Lage von Wohnungs- und Obdachlosen. „Höhere Strafen gegen bettelnde Menschen, die Verlegung des Drogenkonsumraums aus der Innenstadt – das sind die Themen, mit denen der neu gewählte Oberbürgermeister Alexander Kalouti Wahlkampf gemacht hat. Wohlgemerkt entgegen dem Rat von Expert:innen, die sich intensiv mit dem Thema und den betroffenen Menschen auseinandersetzen“, kritisierte Fischer.

Zugleich betonte er, dass es unbestreitbar sei, dass Menschen mit Suchtproblemen, die sich in der Öffentlichkeit aufhalten müssen, ein gewisses Konfliktpotenzial mit sich bringen. Aus seiner Sicht lösen jedoch Strafen und Vertreibungen kein Problem, sondern verschieben es nur.
Eine echte Hilfe für Betroffene seien beispielsweise die sofortige Unterbringung wohnungsloser Menschen, engmaschige Therapie- und Betreuungsangebote für Menschen mit Suchterkrankungen sowie die Schaffung sicherer Räume.
„Das sind Maßnahmen, die das Problem wirklich angehen. Dafür müsste man aber erkennen, dass diese sogenannten Problemfälle auch Menschen sind, die die gleichen Rechte haben wie alle anderen Bürger:innen in dieser Stadt“, erläuterte Fischer.
Gesellschaftliche Ängste prägen die Diskussion über Armut
Warum genau solche Perspektiven in der Gesellschaft vermehrt Zustimmung finden, führt Fischer auf einen grundsätzlichen Diskurswechsel zurück. Viele Menschen nähmen wahr, dass es wirtschaftlich schlechter gehe, auch wenn sie selbst nicht unmittelbar betroffen seien.

So zeigten beispielsweise Umfragen, dass die Einschätzung, wie schlecht es Deutschland insgesamt gehe, oft sehr hoch ausfalle, während die persönliche Lage als weniger kritisch wahrgenommen werde. „Das passt nicht zusammen und verschiebt die Wahrnehmung von Problemen erheblich“, so Fischer.
Zudem kritisierte er, dass politische Strategien, etwa von Parteien wie der CDU, diesen Trend bedienen würden, um Ängste vor Wohlstandsverlust und Unsicherheit zu verstärken. Damit würden sie indirekt den Aufschwung rechter Parteien begünstigen. Auf diese Weise würden die Ängste sehr wirkungsvoll in der Gesellschaft verbreitet. „Das funktioniert leider sehr gut.“
„Niemand in Deutschland muss auf der Straße leben“ als verbreitete Annahme
Eine besonders häufig verwendete Aussage, die in Diskursen über Wohnungs- und Obdachlosigkeit falle, sei, dass in Deutschland niemand obdachlos sein müsse. Ein irrtümliches Vorurteil, wie Tim Sonnenberg von der Fachhochschule Dortmund findet. Er erläuterte, dass Menschen nicht wohnungslos würden, weil sie Drogen konsumierten oder nicht arbeiten wollten.

Vielmehr spielten strukturelle Faktoren eine zentrale Rolle, wie Ausbeutung, Armut, Sanktionen vom Jobcenter, Diskriminierung auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt sowie Gewalt – insbesondere gegenüber Frauen.
Auch Kinder, Jugendliche und migrantisierte Personen seien häufig von spezifischen Benachteiligungen betroffen. Zudem hob Sonnenberg hervor, dass Wohnungslosigkeit weit über das Fehlen eines Rückzugsorts hinausgehe. Sie bedeute erhebliche Einschränkungen im Alltag, Verlust von Privatsphäre, Hobbys und Selbstbestimmung.
„Menschen, die wohnungslos sind, werden oft nur noch auf ihre Situation reduziert. Sie gelten als selbst schuld und erfahren tägliche Demütigungen, sei es durch das Hilfesystem oder durch die Gesellschaft“, erklärte er.
Veranstalter:innen präsentierten drei zentrale Forderungen für diesen Winter
Für den Winter richteten die Veranstalter:innen den Blick gezielt auf die Situation in Dortmund und formulierten drei zentrale Forderungen. Erstens forderten sie die Abkehr von armutsfeindlicher Politik sowie von Vertreibung und Bestrafung von Menschen in Not, wie sie im aktuellen Wahlkampf teilweise propagiert worden sei.

Zweitens betonten sie die Dringlichkeit eines Sofortprogramms zur Winternothilfe, das bedingungslose Tagesaufenthalte und Übernachtungsmöglichkeiten für Wohnungslose sicherstelle.
„Viele von uns können nachher nach Hause gehen und die Heizung anstellen, viele von uns können das auch nicht. Darum brauchen wir ein Sofortprogramm zur Winternothilfe mit, und das ist uns besonders wichtig: bedingungslose Tagesaufenthalte und Übernachtungsmöglichkeiten. Das ist ein Grundrecht, und das muss bedingungslos sein“, so Fischer.
Drittens forderten die Veranstalter:innen angesichts jüngster Gewalttaten gegen Wohnungslose in Dortmund die Umsetzung eines Schutzprogramms, um Menschen, die auf der Straße leben, besonders zu schützen.
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Reaktionen
Ulrich Sander
Wenn die CDU von Sauberkeit und Ordnung spricht, dann wissen wir nach der Merz-Erklärung zum „Stadtbild“, was damit gemeint ist: Zustimmung zur AfD. Aber die Brandmauer steht?! Die Herren sind gegen die AfD? Sie sind wie die AfD.
Ulli
Der Merz war schon immer so: „Wir brauchen in Zukunft die Zuwanderung von Menschen, die wir haben wollen. Aber das setzt voraus, dass wir sagen, wen wir nicht haben wollen. Dazu hat die alte Bundesrepublik – aus den Erfahrungen des Nationalsozialismus, die ich respektiere – nicht den Mut gefunden. Unsere Generation will sich nicht mehr derart in Haftung für unsere Vergangenheit nehmen lassen.“
Friedrich Merz, 31. 3.2000, Die Woche
Leider wurde er nicht verhindert, wie einst unter Merkel.
Ulli
Als ich noch mehr Haare auf dem Kopf hatte und diese auch noch schwarz waren, da konnte es passieren, dass Autos am Straßenrand anhielten und mich die Fahrer – es gab noch keine Navis – in türkisch, arabisch oder spanisch nach dem Weg fragten. Heute würde ich also nicht ins richtige blonde und arische Stadtbild passen.
Friedrich Merz sagte nun zu seinem Bild vom Stadtbild, er habe ja nur die illegalen Einwanderer gemeint. Und wie erkennt man die unter den schwarzhaarigen Leuten? Ach ja, man erkennt sie, wenn sie betteln oder dealen. Doch um sie kümmern sich doch schon die lokalen CDU-Leute. Zum Beispiel der neue CDU-OB von Dortmund. Der will für Ordnung und Sauberkeit sorgen und die Bettler vertreiben.
Die CDU und CSU bieten als Politiker sehr eingeschränkt denkfähige Personen auf. Das gilt besonders für Merz. Wie konnte der so hoch aufsteigen? Merz glaubt, mit der Übernahme von politischen AfD-Positionen der AfD zu schaden. Doch die AfD-Leute bekommen ganz heiße Hände – vom Hände reiben. Merz treibt ihnen die Wähler zu.