
Wie jedes Jahr machen Dortmunder Initiativen am 17. Oktober auf den „Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut“ aufmerksam. Das Gast-Haus, die Kana-Kerngruppe, die Wärmebus-Initiative und bodo e.V. organisierten eine Kundgebung in der Dortmunder City. Die Herausforderungen der Wohnungslosen sollten so zum Ausdruck kommen, mit besonderer Wichtigkeit aufgrund des anstehenden Winters.
Kundgebung vermittelt grundlegende Botschaft an die Gesellschaft
Unter dem Motto „Rechts ist keine Lösung“ füllten am Donnerstagnachmittag Redebeiträge von Colin Fischer von der Kana-Kerngruppe, Alexandra Gerhardt von bodo e.V. und Prof. Dr. Dierk Borstel von der Fachhochschule Dortmund den Vorplatz des DSW-Kundencenters. Was viele Interessent:innen, darunter auch Wohnungslose, anzog, behielt eine dringliche Botschaft: Die Bekämpfung der allgegenwärtigen Armut.
„Armut gibt es nur dann, wenn es Reiche gibt, die nichts abgeben wollen“, spricht Borstel zur Menschenmenge, gefolgt von Zuspruch und Beifall. Eine Verteilungsfrage, um die sich der Staat und die Politik kümmern müssten. Doch genauso müsse die Gesellschaft achtsam mit den Mitmenschen, den Bedürftigen sein, fordert Borstel. Dazu gehöre auch die Achtung der strukturellen Probleme, durch die Wohnungslose in ihre unbehagliche Lebenssituation gerieten.
Rechte Ideologien stehen im Widerspruch zur Obdachlosenhilfe
Das diesjährige Motto der Veranstaltung „Rechts ist keine Lösung“ widmet sich dem zunehmenden Rechtsdruck in der Gesellschaft. Gemäß der Organisator:innen befeuert die rechte Politik den sozialen Abbau. Die politische Agenda ist dabei primär auf wohlhabende Personen abgestimmt, wodurch jedoch Menschen, die auf die soziale Infrastruktur angewiesen, leiden, betont Fischer.

Besonders umstritten ist die Berechtigung zur Sozialhilfe im aktuellen (rechts-) politischen Diskurs. Eine Grundannahme der rechten Ideologie sei, dass Armut und Wohnungslosigkeit auf das eigene Verschulden zurückzuführen seien, erzählt Alexandra Gerhardt von bodo e.V. Durch das „individuelle Scheitern” hätten sie so weniger Anspruch auf Hilfe und seien ihrer Lebenssituation ausgeliefert.
Umso mehr fordern die Initiativen, in so einer Zeit Solidarität mit den betroffenen Personen zu zeigen und ein Bewusstsein für die Missstände zu schaffen. „Wir dürfen uns nicht an die soziale Ungerechtigkeit gewöhnen. Wenn wir uns daran gewöhnen, dass Menschen die elementarsten Rechte nicht leben können, dann ist das ein Einfallstor für die Menschenfeindlichkeit”, appelliert Borstel auf der Kundgebung.
Soziale Sichtbarkeit und Zusammenkunft schaffen
Ursprünglich sei die Idee eines „Homeless Cups” für den Tag angedacht, erzählt Fischer. Dafür sollte ein Fußballfeld angemietet und Partien gespielt werden, um die soziale Teilhabe zwischen den Wohnungslosen und den Besucher:innen zu stärken. Zwar habe das aus organisatorischen Gründen nicht geklappt, doch ist die Idee für das nächste Jahr nicht ausgeschlossen.

Sozialer Zuspruch wurde doch auch in diesem Jahr durch die Kundgebung erzielt. Viele Menschen versammelten sich und äußerten ihren Zuspruch. „Mir tut das alles so leid, wie man jetzt miteinander umgeht. Ich will meine Unterstützung für die Arbeit ausdrücken, einfach allein schon durch mein Dasein”, berichtet Barbara Heinz, Besucherin der Veranstaltung.
Ein Beisammensein der Wohnungslosen und Interessent:innen ermöglichte zudem die Essensausgabe der Wärmebus-Initiative. Bereits in den Morgenstunden wurde der Hirse-Eintopf zubereitet, welcher letzten Endes von vielen Bedürftigen in Anspruch genommen wurde. Zudem wurde für eine ausreichende Wasserversorgung gesorgt.
Wohnungslose sind täglichen Gewaltdelikten ausgeliefert

Die gesellschaftliche Ablehnung gegenüber Wohnungslosen macht sich auf verschiedenen Wegen bemerkbar. Laut der Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung stimmen knapp 20 Prozent der Befragten zu, Wohnungslose aus den Innenstädten zu verbannen.
Die Ausprägungen der Zurückweisung münden zum Teil in der Gewalt, die Wohnungslose täglich widerfahren. Zum einen, weil sie schutzlos sind und zum anderen, weil sie als leistungsschwach für die Gesellschaft angesehen werden.
Ausdruck findet die Gewalt in Form von Verdrängung, körperlichen Angriffen oder auch Beleidigungen. Dabei enden solche Ausschreitungen nicht selten tödlich für Wohnungslose. “Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG W) erfasst nahezu 300 Wohnungslose, die seit dem Jahr 1989 ums Leben gekommen sind”, so Gerhardt. Wie hoch die Dunkelziffer nicht erfasster Todesfälle ist, ist dabei unklar.
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Reaktionen
Wohin im Winter? Gast-Haus, Kana Suppenküche, Malteser-Herzensbus und bodo laden am 17. Oktober in die Innenstadt (PM)
Der 17. Oktober ist der Internationale Tag zur Beseitigung großer Armut. Diesen Tag nutzen die Wohnungslosenhilfe-Organisationen Kana, Gast-Haus, bodo und das Team Herzensbus jedes Jahr dazu, auf die Situation von Menschen ohne Wohnung hinzuweisen.
Am Freitag um 16 Uhr laden sie zu einer Kundgebung mit anschließendem gemeinsamen Essen in die City: Auf dem Vorplatz des DSW-KundInnencenters (Ecke Kampstraße / Katharinenstraße) möchten die Organisationen auf die Situation der Betroffenen der Wohnungslosigkeitskrise in der Stadt aufmerksam machen.
Mit großer Sorge blicken die Träger auf den kommenden Winter. Mit Blick auf die dramatische soziale und gesundheitliche Lage vieler Betroffener, in einem zunehmend feindlichen politischen Klima und angesichts unzureichender Hilfsangebote für den Winter fordern die Organisationen einen Blickwechsel.
In der Innenstadt berichten sie von ihrer Arbeit, schildern die Situation Betroffener und stellen konkrete Forderungen an die Stadtpolitik. Dazu gehören die Abkehr von armutsfeindlicher Politik, Vertreibung und Bestrafung von Menschen in Not. Die Organisationen erachten ein Sofortprogramm zur Winternothilfe mit bedingungslosen Tagesaufenthalten und Übernachtungsmöglichkeiten als dringend nötig. Angesichts der jüngsten Gewalttaten fordern sie ein Schutzprogramm für Menschen auf der Straße.
Anschließend laden die Initiativen gemeinsam zum Essen aus dem Foodtruck sowie zu Kaffee und Snacks ein.
Aufruf zu Schlafsack-Spenden: Vor dem Winter rufen die Träger gemeinsam zu Schlafsack-Spenden auf. SpenderInnen können gut erhaltene Schlafsäcke und Isomatten am 17. Oktober gern bei der Kundgebung abgeben.
Internationaler Tag zur Beseitigung großer Armut
17. Oktober, 16 Uhr
Kampstraße, Ecke Katharinenstraße, Dortmund