Treffen zweimal im Monat – Gespräche bleiben vertraulich

ver.di-Selbsthilfegruppe in Dortmund bietet Mobbing-Geschädigten langfristige Beratung

Mit der Selbsthilfegruppe „No-Mobbing-Dortmund“, will ver.di Betroffenen die Möglichkeit bieten, sich über ihre Erfahrungen auszutauschen, um sich gegenseitig Halt zu geben und Mut zu machen. Zweimal im Monat finden die Selbsthilfe-Treffen statt. Foto: Yan Krukov / Pexels

Von Susanne Schulte

Mit Herzrasen geht Matthias Zimmermann jeden Tag zur Schicht. Er weiß nie, mit welchen Schikanen die Kolleg:innen, möchte man sie noch so nennen, ihm heute kommen. Vor der Kundschaft wird laut und abwertend über ihn geredet, Schmähungen über seine Herkunft, sein Aussehen, seine Sauberkeit lässt er seit Jahren über sich ergehen. Denn sein Chef unterbindet den Psychoterror nicht, er heizt ihn sogar manchmal an. Zimmermann suchte sich Hilfe und er suchte lange, war bereit bis nach Süddeutschland zu fahren. Er erfuhr von der ver.di-Selbsthilfegruppe no-mobbing, die regelmäßig am ersten und dritten Dienstag jeden Monats in Dortmund am Königswall 36 zusammenkommt. Mit der Begleitung von Jochen Killing, der zusammen mit Karin Kandler-Langer die Gruppe organisiert, kommen jetzt die Dinge in Gang. Ein Termin für ein Mediationsgespräch bei der Firma und mit dem Vorgesetzten ist schon festgelegt. Denn Matthias Zimmermann, der anders heißt, will bei dem Unternehmen bleiben, sich nicht wegmobben lassen.

Die beiden Begleiter:innen sind gut ausgebildet

Jochen Killing ist langjähriger Betriebsrat und organisiert und leitet die Treffen der Selbsthilfegruppe. Foto: Susanne Schulte für Nordstadtblogger.de

„Mobbing-Selbsthilfegruppen gibt es heute kaum noch“, sagen Jochen Killing und Karin Kandler-Langer. „In den 1990er Jahren war das anders.“ Doch Mobbing gibt es nach wie vor. Die beiden wissen, wovon sie reden. Sie sind seit Jahren ver.di-Mitglieder, waren beide im Betriebsrat. Die eine in Dortmund, der andere in Bremen. ___STEADY_PAYWALL___

Heute sind sie Rentner:innen, jedoch weiterhin ehrenamtlich bei ver.di aktiv, erfahren in den Konfliktberatung und ausgebildet in Mediation, können somit zwischen Menschen unterschiedlicher Meinungen vermitteln und Streit schlichten. Und sie können zuhören. „Das ist eine sehr große Hilfe, absolut“, sagt Matthias Zimmermann. Denn den Opfern von Mobbing werde häufig nicht geglaubt. Auch nicht in der Familie und im Kreise der Freund:innen. Da werde oft abgewiegelt: Das sei alles doch nicht so schlimm. Da müsse man durch. Womöglich habe man etwas falsch verstanden. Die Kolleg:innen hätten das sicher nicht so gemeint.

„Mobbing wird von alleine nicht besser“, sagt Zimmermann. Ja, auch er habe lange und oft überlegt zu kündigen und woanders zu arbeiten. „Auch wenn ich dann weniger Geld habe. Hauptsache, der Stress verschwindet.“ Er hat sich bislang jedoch entschieden, der Qual aktiv ein Ende zu setzen. „Es gibt wenige, die gegen Mobbing angehen“, sagen Kandler-Langer und Killing. Das beherrschende Gefühl der Mobbing-Geschädigten sei Angst. „Die Angst ist erst weg, wenn eine neue Stelle gefunden ist, man fast raus aus dem Betrieb ist oder sowieso schon alles egal ist.“ Auf die Frage, ob Mobbing am Arbeitsplatz weit verbreitet sei, kommt von beiden spontan und laut ein „Ja.“

Gewerkschaftsmitgliedschaft ist keine Voraussetzung für Teilnahme

Unterstützt wird Killing von seiner Kollegin Karin Kandler-Langer. Foto: Susanne Schulte für Nordstadtblogger.de

Das heute so wenig über Mobbing gesprochen werde, habe auch damit zu tun, dass es kaum Selbsthilfegruppen mehr gebe. Ja, in manchen größeren Betrieben gebe es unternehmensinterne Gruppen, doch offene, wie seit 2019 die ver.di-Gruppe, gebe es in ganz Nordrhein-Westfalen nicht.

Auch innerhalb der Gewerkschaft ist das Angebot außerhalb von Dortmund bislang nur wenig bekannt. Das mag an der unfreiwilligen Unterbrechung der Arbeit durch das Virus liegen, oder weil von Mobbing betroffene Menschen nicht gerne darüber reden. In der Selbsthilfegruppe tun sie das dann. „Ich weiß jetzt, dass ich nicht alleine bin“, sagt Matthias Zimmermann. Nicht alleine mit der Angst, die andere auch haben; nicht alleine mit dem Kampf gegen Mobbing, wobei Killing und Kandler-Lang ihn unterstützen.

Den Info-Flyer finden Sie als pdf-Datei im Anhang des Artikels.

Wer zu den Terminen der Selbsthilfegruppe geht, muss lediglich Arbeitnehmer:in sein, eine ver.di-Mitgliedschaft spielt keine Rolle. Alles, was während der Treffen gesagt wird, bleibt in dem Raum. Niemand wird gedrängt, gegen den eigenen Willen zu agieren. Jochen Killing und Karin Kandler-Langer werden erst aktiv, wenn dies gewünscht wird. Am Anfang steht ganz klar das Gespräch, das Reden und Zuhören.

Und: Die Teilnahme ist kostenlos. Die nächste Zusammenkunft der Selbsthilfegruppe ist am Dienstag, 16. November, um 18 Uhr im ver.di-Haus am Königswall 36 im Erdgeschoss. Da der reguläre Büro-Betrieb der Gewerkschaft um diese Zeit bereits beendet ist, muss, wer ins Gebäude will, Jochen Killing über Handy anrufen: 01520-7657832. Diese Nummer können aber auch alle wählen, die vorher etwas über die Selbsthilfegruppe erfahren möchten. Die Treffen dauern in der Regel zwei Stunden. Eine Anmeldung ist nicht nötig.

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  1. Tag der Menschenrechte: Virtuell gegen Cybermobbing – Dortmunder SI-Clubs informieren online – Teilnahme kostenlos (PM)

    Am 10. Dezember wird der „Tag der Menschenrechte“ gefeiert. Die drei Dortmunder Clubs des Frauen-Netzwerks Soroptimist International (SI) nutzen den Anlass in diesem Jahr, um in einem digitalen Talk über Gewalt und Mobbing im virtuellen Raum zu informieren. Die Online-Veranstaltung „Cybermobbing“ findet statt am Freitag 10. Dezember, 18 Uhr. Im Experten-Talk zu Gast ist Lukas Pohland, Gründer des Vereins Cybermobbing-Hilfe. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung nicht nötig. Der Link zur Einwahl: https://bit.ly/3lxrMnY (Kenncode 916407).

    Nach einer Begrüßung von Katja Band, Präsidentin des SI-Clubs RuhrRegion, gibt es ein Impulsreferat von Tanja Young, Fachreferentin für digitale Medienkompetenz im Dortmunder Jugendamt. Den Talk mit Lukas Pohland moderiert Susanne Wilhelmina.

    Lukas Pohland ist ein 17-jähriger Schüler aus Schwerte. Anlass für sein Engagement gegen Cybermobbing waren persönlichen Erfahrungen: Im Alter von 12 Jahren war Lukas selbst von Cybermobbing betroffen, nachdem er einer im Internet gemobbten Mitschülerin geholfen hatte.

    Auf seine Initiative hin wurde im November 2018 der gemeinnützige Verein Cybermobbing-Hilfe e.V. gegründet. Seitdem betreibt der Verein aktiv Präventionsarbeit gegen Cybermobbing und berät betroffene Kinder und Jugendliche. Darüber hinaus unterstützt der Verein Schulen, öffentliche Institutionen und Unternehmen im Einsatz gegen Cybermobbing und betreibt damit wichtige Präventionsarbeit.

    Lukas Pohland war bereits als Experte im TV zu sehen (u.a. NDR Talk Show). Ebenso betreibt er Aufklärungsarbeit in der Politik: Im April 2018 sprach er auf Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen als Sachverständiger vor dem Landtag Nordrhein-Westfalen. Er wurde mehrfach ins Bundeskanzleramt eingeladen.

    Der Verein freut sich über Spenden:

    Cybermobbing-Hilfe e.V.,
    IBAN: DE39 4415 2490 0000 0868 43
    Stichwort SI

    Soroptimist International (SI) ist eine der weltweit größten Service-Organisationen berufstätiger Frauen. SI hat derzeit ca. 70.000 Mitglieder weltweit, davon mehr als 6.700 in Deutschland. SI versteht sich als Netzwerk mit gesellschaftspolitischem Engagement. Soroptimistinnen befassen sich mit Fragen der rechtlichen, sozialen und beruflichen Stellung der Frauen und vertreten deren Position in der öffentlichen Diskussion.

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