„Tag der Organspende“ : 37-Jähriger mit Typ 1 Diabetes dank gespendeter Niere und Bauchspeicheldrüse geheilt

Dr. Fedai Özcan und Patient Mario Schmeier bei der Besprechung der Krankenakte.
Dr. Fedai Özcan und Patient Mario Schmeier bei der Besprechung der Krankenakte. Fotos: Klinikum Dortmund

Der Anruf, der sein Leben verändern sollte, kam am 14. März 2018 gegen vier Uhr früh. Ob er Mario Schmeier sei, wollte die Stimme am anderen Ende wissen. Der 37-Jährige bestätigte noch etwas schläfrig. Man habe die Organe für ihn, in wenigen Stunden werde er auf dem OP-Tisch liegen. Schmeier stockte. Träumte er noch? Eine Niere, eine Bauchspeicheldrüse – zwei Organe, die den jungen Mann vom Diabetes Typ 1 und zugleich vom Zwang fortwährender Dialyse befreien.

Die Odyssee seines Lebens, die als Kleinkind begann, wird nun ihr gutes Ende nehmen

Die Spender-Niere als Ultraschallaufnahme (da, wo es „schön bunt“ ist, liegt die Niere).
Die Spender-Niere als Ultraschallaufnahme (da, wo es „schön bunt“ ist, liegt die Niere).

Die OP wird in der Chirurgie des Knappschaftskrankenhauses Bochum-Langendreer erfolgen, mit dem das Klinikum Dortmund bei Transplantationen zusammenarbeitet. Schmeier kann es immer noch nicht fassen. Die Odyssee seines Lebens, die als Kleinkind begann, wird nun ihr gutes Ende nehmen – nach rund 35 Jahren. Dank eines Menschen, der zu Lebzeiten entschieden hatte, dass er seine Organe nach dem Tod abgeben möchte. Mario Schmeier sagt leise Danke – und ruft mit seiner Geschichte zur Organspende auf.

Wissenswertes vorab: Die Gesamtzahl aller (!) Organspenden (Herz, Lunge, Niere, Leber, Bauchspeicheldrüse, Dünndarm) ist laut Deutscher Stiftung Organtransplantation von 2012 bis 2018 in Nordrhein-Westfalen von 79 auf 38 pro Jahr gesunken. Die Wartezeit hat sich in den letzten Jahren deutlich erhöht und liegt bei rund acht bis zehn Jahren auf eine Spender-Niere. Auf ein solches Organ – übrigens das am häufigsten benötigte Organ – warten etwa viermal so viele Menschen wie es Spendernieren gibt.

Bei der Kombination aus Niere und Bauchspeicheldrüse kann es auch schon mal zeitlich etwas schneller gehen. Wichtig ist u.a., dass gewisse genetische Merkmale sowie die Blutgruppe übereinstimmen, wobei mittlerweile unter besonderen Umständen sogar blutgruppen-inkompatibel transplantiert werden kann. Die Transplantationsmedizin sei heute sehr weit entwickelt, sagt der Direktor der Klinik für Nephrologie und Notfallmedizin im Klinikum Dortmund, Dr. med. Fedai Özcan.

Seit 2012, als Schmeier auf die Transplantationsliste kam, hatte der junge Mann dreimal pro Woche den Weg in die Dialyse des Klinikums Dortmund antreten müssen. Da lag er dann jeweils vier Stunden. Maschinen reinigten sein Blut, weil seine Nieren es nicht mehr taten. Manchmal verpackte er es besser, ging anschließend auch noch zu Freunden. Manchmal war er aber auch einfach nur müde. Dialyse schlaucht. Er hatte sich aber an dieses Leben gewöhnt. An die spezielle Ernährung und das wenige Trinken.

Nieren und Sehvermögen u.a. geschädigt – Unterzuckerung oft zu spät oder gar nicht gespürt

An die Taxifahrer, die ihn zum Krankenhaus fuhren. An die lieben Pflegekräfte auf der Dialyse-Station und an jene, die mit ihm da liegen mussten. Ein ehemaliger Türsteher. Ein Flüchtling. Schmeier ist jemand, der die Gabe besitzt, das Beste aus einer Situation zu machen. Rückblickend sagt er sogar demütig: „Es gibt ja auch Schlimmeres als zur Dialyse zu müssen.“

Dabei hatte der Diabetes nicht nur seine Nieren, sondern auch bereits seine Augen angegriffen. Sein Sehvermögen wurde über die Jahrzehnte hinweg immer schlechter. Auch an den Fingerspitzen verlor er zunehmend das Gefühl.

„Diabetes ist eine Erkrankung der Gefäße. Wird er nicht optimal behandelt, greift er feinste Blutgefäße im Körper an, die u.a. im Auge, an den Nieren und an Füßen sowie Händen zu finden sind“, erklärt Dr. Özcan.

Zu unterscheiden ist übrigens der Typ 1 Diabetes, der in der Regel in jungen Jahren auftritt und einer sofortigen Insulintherapie bedarf, vom Typ 2 Diabetes, der vereinfacht gesagt viel mit Gewicht, Ernährung und Lebensstil zu tun hat. „Bei Menschen mit Typ 1 Diabetes produziert die Bauchspeicheldrüse nicht genug Insulin. Unter dieser Therapie kann es schnell zu einer Unterzuckerung kommen, woran nicht selten Betroffene sogar versterben. Eine lebensbedrohliche Unterzuckerung spürt der Mensch nämlich oft zu spät oder gar nicht“, erklärt Dr.Özcan.

Schon als Kind nur spezielle Nahrung – Das erste, was er nach der OP gegessen hat? Pommes!

Dr. Fedai Özcan, Direktor der Klinik für Nephrologie und Notfallmedizin im Klinikum Dortmund, beim Ultraschall der implantierten Niere bei Patient Mario Schmeier.
Dr. Fedai Özcan, Direktor der Klinik für Nephrologie und Notfallmedizin im Klinikum Dortmund, beim Ultraschall der implantierten Niere.

Das kennt Mario Schmeier nur zu gut: „Ich bin früher in der Schule einfach umgekippt und war weg, wenn ich unterzuckert war.“ Seine Mutter musste ihm stets eigene Speisen zubereiten; Nahrung für Menschen mit Typ 1 Diabetes war damals noch eher rar und auch unbezahlbar. Auch auf Kindergeburtstagen gab es für Mario immer extra Essen. Als Kind ist „anders sein“ nie leicht. Aber der Vater eines guten Freundes von ihm hatte damals auch Diabetes. Mario stieß auf Verständnis.

All die Einschnitte sind nun passé. Keine 24 Stunden nach dem nächtlichen Anruf der Klinik am 14. März 2018 wachte Mario Schmeier nach der OP auf. Vom ersten Moment an funktionierten die beiden gespendeten Organe optimal. Der Diabetes war von jetzt auf gleich weg. Und erstmals konnte der 37-Jährige auch wieder normal zur Toilette gehen und über den natürlichen Weg Urin ausscheiden. Nie wieder Dialyse.

Und was hat er sich nach der OP als erstes gegönnt? „Pommes. Die habe ich schon seit Jahrzehnten nicht mehr essen können“, sagt Schmeier. Kleiner Wehrmutstropfen: Aktuell muss er rund 20 Tabletten am Tag nehmen, u.a. damit der Körper die fremden Organe nicht wieder abstößt. „In ein paar Jahren wird man die Zahl der Tabletten sicherlich auf fünf bis sechs reduzieren können“, ist Dr. Özcan zuversichtlich.

Mario Schmeier nimmt es angesichts der jahrzehntelangen Belastungen vor der OP gelassen. Auch über den Spender macht er sich keine Gedanken – „das hat man mir empfohlen, damit ich da kein schlechtes Gewissen bekomme. Er ist ja aber auch nicht wegen mir gestorben. Ich habe nur seine Organe erhalten dürfen“.

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Reaktionen

  1. Zahl der Organspenden in NRW leicht gestiegen: Netzwerk Organspende NRW sieht Fortschritte (PM)

    Im Jahr 2021 gab es in Nordrhein-Westfalen 206 Organspender/-innen (2020 = 174) und es konnten 601 Organe entnommen werden (2020 =556). Die Zahl der Organspender/-innen erhöhte sich um 32 – 
die Zahl der Organe um 45.
    „Auch wenn wir uns eine deutlichere Steigerung gewünscht hätten, freuen wir uns über 
die Entwicklung“, so Stefan Palmowski, Vorsitzender des Netzwerkes Organspende NRW. 
„Dieses Ergebnis bedeutet, dass im letzten Jahr in NRW 45 Menschen mehr als im Jahr zuvor
das Leben rettet werden konnte.“

    Insgesamt warten in NRW rund 2.000 Menschen auf eine lebensrettende Transplantation. Das Netzwerk Organspende wird deshalb in seinen Anstrengungen nicht nachlassen und 
weiterhin über Organspende und Transplantation informieren.

    Die Geschäftsstelle des Netzwerkes vermittelt an Firmen, Organisationen und Schulen Referentinnen und Referenten zum Thema Organspende und Transplantation, die aus
    eigener Erfahrung über das Thema berichten können. Darüber hinaus kann eine Foto-Wanderausstellung zum Thema Organspende kostenfrei angefordert werden. 

    „Wir haben in den letzten Jahren bei zahlreichen Veranstaltungen über das Thema aufgeklärt 
und wären stolz, wenn die aktuelle Situation auch Ergebnis unseres Engagements wären,“ so Stefan Palmowski.

    Das Netzwerk Organspende NRW e.V. ist ein Zusammenschluss aller Selbsthilfeorganisationen in NRW zum Thema Organspende und Transplantation. Gefördert wird das Netzwerk durch die Ersatzkassen in NRW.

    Weitere Informationen finden Sie unter: http://www.netzwerk-organspende-nrw.de und 
www.lebensritter.de

  2. Paten für Organspende feiern 15jähriges Bestehen Ehrenamtliches Projekt entwickelt sich zum starken Netzwerk (PM)

    Im Jahr 2008 entwickelten der Bundesverband für Organtransplantierte (bdo e.V.) und der Verband der Ersatzkassen in NRW (vdek e.V.) das Projekt „Paten für Organspende“. Die Gründer wollten damit ganz praktisch etwas für mehr Information und für mehr Organspenden tun.

    Es wurden ehrenamtliche Patinnen und Paten gesucht und gefunden und so geschult, dass sie rund um die Thematik Organspende informieren, fundiertes Wissen weitervermitteln und den Menschen dabei helfen können, sich mit dem Gedanken der Organspende vertraut zu machen. Seit 2008 wurden über 200 ehrenamtliche Patinnen und Paten ausgebildet. 
In zahlreichen persönlichen Gesprächen, auf öffentlichen Veranstaltungen und an Informationsständen wurde aufklärt und verlässliche Antworten zu Fragen rund um die Organspende gegeben.

    Das Engagement ist auch nach 15 Jahren groß und das Ziel wichtiger denn je. In NRW gab es im letzten Jahr nur 169 Organspender. Insgesamt wurden in unserem Bundesland 492 Organe gespendet – auf eine lebensrettende Transplantation warten allein in NRW rund 2.000 Menschen.

    Im Jahr 2015 gründeten die Landesorganisationen bdo, IG Niere, Lebertransplantierte, NephroKids, TransplantKids und Selbsthilfe Organtransplantierter NRW das Netzwerk Organspende NRW. 
Kooperationspartner sind die Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe, die Apothekerkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe, die Krankenhausgesellschaft NRW, die DSO NRW und die Arbeitsgemeinschaft der Transplantationsbeauftragten in NRW. Gefördert wird das Netzwerk von den Ersatzkassen in NRW.

    „Wir freuen uns sehr, dass sich so viele Ehrenamtliche in unserem Projekt engagieren und inzwischen auch proaktiv an Krankenhäuser, Kommunale Gesundheitskonferenzen, Schulen und Betriebe zugehen“, so Stefan Palmowski, Vorsitzender des Netzwerkes Organspende NRW e.V. „Die Entwicklung vom kleinen Projekt zum starken Netzwerk für mehr Organspenden mit einem hauptamtlichen Mitarbeiter/-innen-Team in einer Geschäftsstelle im Gesundheitscampus Süd in Bochum konnte nur gelingen, weil viele Menschen von dem Ziel überzeugt sind und sich einsetzen. Dafür danke ich sehr!“

    Weitere Informationen finden sich auf http://www.netzwerk-organspende-nrw.de oder http://www.lebensritter.de oder direkt bei der Geschäftsstelle des Netzwerkes .

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