Rat in Dortmund diskutiert unterschiedliche Lösungsansätze

Streit um Drogenkonsumraum: Das „Kick“ beschäftigt die Kommunalpolitik weiter

Das Ordnungsamt in Dortmund macht verstärkt Kontrollen. Foto: Alex Völkel
Mehr Repression: Polizei und  Ordnungsamt (Foto) machen in der City verstärkt Kontrollen. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Es ist seit Wochen das Thema in der Dortmunder Stadtgesellschaft: Der Drogenkonsumraum hinter dem Gesundheitsamt. In der Ratssitzung beschäftigten sich auch die Dortmunder Kommunalpolitiker:innen mit dem Thema – mit teils sehr unterschiedlichen Lösungsansätzen. Während CDU, FDP/Bürgerliste und AfD schnelle repressive Maßnahmen forderten, waren SPD, Grüne, Linke+ und „Die Fraktion“ vor allem für nachhaltige Ansätze im Sinne der Suchtkranken. Nun sollen beide Ansätze in einem gemeinsamen Konzept gelöst werden.

SPD fordert gemeinsame Sondersitzung zweier Ausschüsse

Daniela Worth, Mitglied im Sozialausschuss für die SPD, nannte die Situation: „ein gesamtgesellschaftliches Problem, bei dem die gesamte Stadtgesellschaft gefordert ist.“ Ihre Fraktion stehe hinter dem „Kick“. „Diese Hilfsangebote rund um den Drogenkonsumraum müssen gezielt ergänzt und nicht kaputt geredet werden“ so Worth.

Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) forderte „Prävention, Hilfe und Repression in eine neue Balance zu bringen.“ Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Ein sofortiger Beschluss war für die SPD allerdings nicht wünschenswert: Am besten sei – auch unter Einbeziehung einer fachlichen Diskussion – eine gemeinsame Sondersitzung des Sozialausschusses und des Ausschuss für Bürgerdienste und öffentliche Ordnung.

OB Thomas Westphal forderte „Prävention, Hilfe und Repression in eine neue Balance zu bringen.“ Eine vollständige Schließung des „kick“ halte er für falsch: „Eigentlich sind diejenigen, die dann die Drogen konsumieren, natürlich erst recht auf der Straße“, so der Oberbürgermeister.

Grüne und „Die Linke+“ liegen inhaltlich nah beieinander

Benno Beckmann (Grüne)
Benjamin Beckmann (Grüne) Foto: Mareen Meyer

Die Grünen, die durch eine Projektpartnerschaft mit der CDU oft gemeinsam abstimmen, entfernten sich inhaltlich bei dieser Thematik von den Christdemokrat:innen. Benjamin Beckmann, Ratsmitglied für die Grünen, stellte klar: „aggressives Betteln und Verschmutzung haben zugenommen. Insofern haben wir Grüne Verständnis für die Nöte des Handels und der Gastronomie in der Innenstadt.“

Jedoch dürfen „die suchtkranken Menschen nicht allein für die Schwierigkeiten des Einzelhandels verantwortlich gemacht werden“. Er mahnte: „Wir sollten uns alle daran erinnern, dass die Schwierigkeiten des Einzelhandels zu maßgeblichen Anteilen auf ein sich veränderndes, sich mehr und mehr ins digitale verlagernde Kaufverhalten zurückzuführen sind“, so Beckmann.

Fatma Karacakurtoglu (Die Linke+)

Der Drogenkonsumraum sei ein unverzichtbares und lebensnotwendiges Instrument der Dortmunder Drogenhilfe. Mehr aufsuchende Sozialarbeit halte er für elementar wichtig. Das sieht auch Fatma Karacakurtoglu von „Die Linke+“ so. Sie forderte einen „Ausbau von Entgiftung und Rehabilitation, ambulante Therapien, medizinische Betreuung, psychosoziale Unterstützung.“

„Die soziale Integration von Abhängigen ist ganz wichtig bei ihrer Heilung, damit sie überhaupt die Möglichkeit haben, der Stigmatisierung und Ausgrenzung zu entgehen“, so Karacakurtoglu. Außerdem brauche es Präventionsprogramme an Schulen.

Die CDU will  ein „klares repressives Vorgehen“

Die CDU möchte einen anderen Ansatz für Dortmunds Drogenpolitik. CDU-Fraktionschef Dr. Jendrik Suck forderte: „Man muss sich neue Ideen, neue Konzepte überlegen.“ Ferner stellte er die Position seiner Fraktion klar: „Wir als CDU hinterfragen den Standort des Drogenkonsumraums in der Innenstadt. Und es hat natürlich auch eine repressive Seite. Es muss ein klares repressives Vorgehen geben.“

CDU-Fraktionschef Dr. Jendrik Suck
CDU-Fraktionschef Dr. Jendrik Suck Foto: CDU-Fraktion im Rat der Stadt Dortmund

Dazu gehören für Suck etwa eine Videoüberwachung im Stadtgarten oder der Einsatz von Drogenspürhunden der Polizei. Thomas Bahr, sozialpolitischer Sprecher der Christdemokrat:innen fügte hinzu: „Mit unserem Antrag versuchen wir, die verschiedenen Handlungsfelder im Gleichgewicht weiterzuentwickeln.“

Tino Perlick kündigte ebenfalls an, sich mit seiner Fraktion dem Antrag der CDU anzuschließen: „Für uns schafft er den Spagat zwischen Law and Order und Sozialarbeit recht gut.“ Kritik übte er an den Grünen: „Sie machen sich gerne zum Anwalt von allem Abnormen und in diesem Fall natürlich auch von Junkies und Dealern“ so der AfD-Politiker.

Die AfD fordert den sofortigen Umzug der Drogenhilfeeinrichtung

Aktuell befindet sich der Drogenkonsumraum hinter dem Gesundheitsamt – direkt an der Thier-Galerie. Julius Obhues | Nordstadtblogger

Eine komplette Abschaffung des Drogenkonsumraums fordert die AfD zwar nicht, jedoch sollte dieser zukünftig nicht so zentral verortet sein: „Daher fordert die AfD-Fraktion nicht irgendwann, sondern jetzt die Verwaltung auf, einen neuen Standort zu finden, fern von Einzelhandel, fern von Wohnsiedlungen, Schulen, Kindergärten und Spielplätzen.“

Die Ratsfraktion von FDP/Bürgerliste unterstützte, bis auf den Einsatz von Videoüberwachung, den Antrag der CDU, der allerdings nicht zur Entscheidung kam. Denn es gab keine Mehrheit dafür. SPD, Grüne, Linke+ und „Die Fraktion“ wollten einen ganzheitlicheren Ansatz.

Nach einer halbstündigen Diskussion kamen die Ratsmitglieder daher zu einer Entscheidung: Mit Enthaltungen aus der CDU-Fraktion wurden die Anträge ohne Gegenstimmen in die Fachausschüsse zurück überwiesen – damit ist das Thema noch lange nicht vom Tisch und wird die Dortmunder Lokalpolitik weiter beschäftigen.

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Reaktionen

  1. Pressemitteilung von Schlafen zuu Strafen zur Ratssitzung zum Thema Crack-Konsum

    Zur Diskussion zum Thema „Crack-Konsum“ in der aktuellen Ratssitzung
    bezieht die Bürger*inneninitiative „Schlafen statt Strafen“ Stellung.
    Die Diskussion um die Crack-Konsumierenden in der Innenstadt wird
    aktuell sehr hitzig in der Öffentlichkeit und der Politik geführt. Ein
    deutlicher Fokus liegt dabei auf der Erhöhung repressiver Maßnahmen,
    gerade durch die Forderungen zahlreicher Händler*innen in der Presse.
    Viele Parteien haben das Thema bereits im Vorfeld der Ratssitzung
    thematisiert, und auch die Vielzahl der dazu eingereichten Anträge zeigt
    die aktuelle Brisanz. Der Schwerpunkt liegt auch hier auf
    ordnungsbehördlichen Maßnahmen, es zeigt sich aber auch die Erkenntnis,
    dass weitere Drogenhilfemaßnahmen und eine Erweiterung der Sozialarbeit
    nötig sind.

    „Schlafen statt Strafen“ kritisiert diese repressive Ausrichtung und
    besonders die Einrichtung des Sonderstabs „Ordnung und Stadtleben“ durch
    den Oberbürgermeister Westphal vor einigen Wochen. Die Ziele des Stabs
    zeigen einen deutlichen Fokus auf Repression und ordnungsbehördliche
    Maßnahmen und, wenn überhaupt, nur oberflächliche Überlegungen zur
    tatsächlichen, nachhaltigen Lösung des Crack-Konsum-Problems durch
    soziale Maßnahmen. Die Abwesenheit des Sozialdezernats und sozialer
    Träger*innen in der Pressekonferenz zur Einrichtung des genannten Stabs
    gegenüber der Ernennung Langes zum Co-Stabschef sind ein klares Zeichen
    für die Richtung des Sonderstabs. Hier geht es um kurzfristige optische
    Maßnahmen. Die Stadt soll schön sein (s. „Stadtbild verschönern“) mit
    aller (Ordnungs-) Macht, aber langfristige Änderungen sind nicht zu
    erwarten, geschweige denn tatsächliche Hilfe für drogenabhängige
    Menschen. Der Krisenstab soll eine schnelle, hübsche Lösung
    herbeiführen, mit der sich der Oberbürgermeister im nächsten Wahlkampf
    schmücken kann, anstatt das Problem ernsthaft mit einem humanitären
    Fokus und vor allem nachhaltig anzugehen. Auch der erneute Ruf nach
    ordnungsbehördlichen Maßnahmen in den Anträgen der SPD und CDU in der
    aktuellen Ratssitzung und das erneute Infrage stellen des Standorts des
    Drogenkonsumraumes unterstreichen diesen Eindruck.

    Repressionen führen nicht zu einer Verbesserung der Situation. Menschen
    verschwinden nicht durch Strafe oder Verdrängung. Zusätzlich trifft das
    Verbot des Campierens nicht nur drogensüchtige Menschen, sondern alle
    obdachlosen Menschen. Solange die Stadt nicht für angemessene
    Unterbringung, kurzfristig, aber vor allem langfristig durch sozialen
    Wohnungbau sorgt, ist ein rigoroses Durchsetzen des Verbots schlicht und
    ergreifend verantwortungslos. Der Fokus muss auf sozialen Maßnahmen
    liegen. Es gilt die Drogenhilfe auszuweiten und keine Scheindebatte mehr
    über den Standort des Drogenkonsumraums zu führen. Die bestehenden
    Kapazitäten müssen ausgebaut, mobile Angebote und weitere Konsumräume
    geschaffen werden. Es gilt jetzt verstärkt in Sozialarbeit und
    Suchtprävention zu investieren für eine mittelfristige Verbesserung der
    Situation und in die Prävention von Armut und Obdachlosigkeit, z.B.
    durch sozialen Wohnungsbau und Housing first, für eine langfristige
    Verbesserung.

    Einige dieser sozialen Ansätze waren auch in der Debatte des Rates zu
    hören, auch wenn man sich final nur zu einer Sondersitzung des
    Sozialausschusses und des Beschwerdenausschusses entscheiden konnte.
    „Schlafen statt Strafen“ hofft, dass die demokratischen Fraktionen in
    der Sondersitzung des ASAGs und des ABöABs diese Ansätze
    weiterverfolgen, statt sich auf öffentlichkeitswirksame kurzfristige
    Maßnahmen wie die KOD Einsätze zu fokussieren. Pressesprecherin Anna
    Flaake: „Wir plädieren an den Rat, langfristige, soziale Lösungsansätze
    einzubringen und die Nöte der betroffenen Menschen in den Fokus zu
    nehmen, auch wenn diese keine so laute Lobby haben wie Dortmunds
    Händler*innen.“

  2. Oki Leucht

    Das Ende vom Lied kennen aufmerksame Beobachter*innen doch bereits heute: Der Drogenkonsumraum wird, natürlich mit deutlich erweiterten Kapazitäten, in die Nordstadt verlegt werden. Damit können dann alle Parteien gut leben und es als eigenen Erfolg reklamieren. SPD, Grüne und Linke werden behaupten wieder einmal etwas unglaublich Gutes für die Menschen in der Nordstadt getan zu haben und der Rest aus CDU, FDP und AfD wird sich freuen, die Einrichtung immerhin aus den anderen Stadtbezirken und also von der eigenen Wähler*innenschaft ferngehalten zu haben.

  3. Wie umgehen mit den Herausforderungen durch die derzeitige Crack-Problematik in Dortmund? – Der Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung Burkhard Blienert im Gespräch mit der SPD-Gesamtfraktion (PM)

    Drogenmissbrauch ist ein unübersehbares Problem in Dortmund und deshalb nehmen wir es auch ernst. Aus diesem Grund haben wir uns unter anderem in der letzten Sitzung des Rates dafür eingesetzt, dass es eine gemeinsame Sondersitzung zur aktuellen Crack-Problematik des Ausschusses für Bürgerdienste, öffentliche Ordnung, Anregungen und Beschwerden und des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Gesundheit geben soll. Das Problem ist facettenreich und nicht durch einseitige Maßnahmen zu lösen.

    Das Thema verdient eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Problem- und Interessenlagen. Daher ist es unserer Fraktion nicht nur ein Anliegen im steten Austausch mit den Akteuren der Drogenhilfe, den Ordnungskräften und den City-Händlern zu sein, sondern auch, uns fachliche Expertise einzuholen.

    Aus diesem Grund war es uns eine besondere Freude den Sucht- und Drogenbeauftragten der Bundesregierung Burkhard Blienert, und den Geschäftsführer der Aidshilfe Dortmund e. V., Willehad Rensmann zu einer Sondersitzung der Gesamtfraktion begrüßen zu können.

    Im intensiven Austausch miteinander zeigte sich einmal mehr, dass wer bei dieser akuten Problemlage einfache Lösungen verspricht – zum Beispiel durch das Schließen des Drogenkonsumraumes – es sich zu einfach macht. Dieser ist nicht die Ursache für die aktuelle Situation! Ebenfalls wurde bereits mehrfach die Aussage wissenschaftlich widerlegt, dass ein Drogenkonsumraum für mehr Konsum sorge und Anziehungspunkt für die Szene sei.

    Crack ist auch kein Dortmunder Problem. Nahezu alle großen Städte in NRW sind derzeit davon betroffen. Eine Modell-Lösung, um aus der Situation herauszukommen, gibt es leider nicht.

    So unterschiedlich die Gründe für Menschen in die Abhängigkeit zu geraten, so unterschiedlich sind auch die Möglichkeiten dort wieder herauszufinden.

    Dortmunds derzeitiger Weg in einem Sonderstab sowohl ordnungspolitische als auch sozialpolitische Maßnahmen aufeinander abzustimmen, ist daher richtig und wichtig. Die Suchthilfe muss weiterentwickelt und zugleich der Drogenhandel in der Stadt eingedämmt werden.

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