Sonderausstellung im Brauereimuseum Dortmund: Vom Kaltblüter zum LKW und von der Bierkanne zur Zapfsäule 

Neue Sonderausstellung „Wirte, Brauer, Bierkutscher“ im Brauereimuseum. Von links Theo Sobkowiak, Museumsleiter Dr. Heinrich Tappe, Kalli Dickhut und Horst Duffe. Fotos: Joachim vom Brocke

Von Joachim vom Brocke

Der Chef des Brauereimuseums in der Nordstadt, Dr. Heinrich Tappe, findet für sein kleines, aber feines Museum an der Steigerstraße immer wieder neue Themen, in denen das Brauwesen und alles, was damit zusammenhängt, interessant aufbereitet wird. Vorgestellt wurde jetzt unter dem Thema „Wirte, Brauer, Bierkutscher“ eine neue Ausstellung über Bierlieferung und Schanktechnik früher und heute. Sie ist ab Sonntag, 28. Juli 2020, bis zum 31. Dezember zu sehen.

Bei der Vorbereitung konnte man sich auf das Wissen erfahrener Experten verlassen

Zwei Experten: Kalli Dickhut, ehemaliger Bierfahrer, und Horst Duffe, ehemaliger Lkw-Fahrer bei der DAB.

Bei der Aufbereitung des Themas kann sich Tappe stets auf bewährte Experten verlassen, die viele Jahre bei Dortmunder Brauereien gearbeitet haben und sich mit ihren Herzen immer noch den Unternehmen verbunden fühlen. Dazu gehört Horst Duffe, ehemaliger Lkw-Fahrer der Dortmunder Actien-Brauerei.  ___STEADY_PAYWALL___

Fast überall auf der Welt war Duffe mit riesigen Lastwagen unterwegs, um DAB aus Dortmund bekannt zu machen – selbst eine Tour durch Amerika gehörte dazu. Kalli Dickhut ist dabei, ehemaliger Bierfahrer und Betriebsrat der Stifts- und Kronen-Brauerei, der Ende der 1990er Jahre gemeinsam mit seinem Kollegen die letzte Tour machte.

Dickhut ist ein Experte für die Auslieferung der Fässer an die Gastronomen im Großraum Dortmund. Als ein „ganz besonderer Tüftler“ (so Heinrich Tappe) wurde Theo Sobkowiak vorgestellt, ehemaliger Elektriker und Schanktechniker der alten Bergmann-Brauerei. Er sorgte schon früh dafür, dass es selbst zu Hause frisches Pils gab durch eine besondere Kohlensäurepatrone, befestigt am kleinen Party-Fässchen.

Früher brauten Bauern Bier meistens selbst

Einst brauten Wirte in Westfalen ihr Bier meistens selbst und schenkten es vor Ort an die durstigen Gäste aus. Brauer waren damals Wirte, oft auch zugleich Bäcker. Erst im Zuge der Industrialisierung trennten sich die Gewerbe. 

Gasthäuser produzierten nicht mehr selbst, sondern bezogen das Bier von den aufstrebenden Großbrauereien. Sie sahen darin eine Chance, möglichst viele Wirte fest an sich zu binden. Das diente der Steigerung des Absatzes, machte darüber hinaus eine Vorausplanung bei der Produktion möglich.

Bierverleger sorgten für die Abfüllung und verkauften weiter 

„Bierpause Hansa“, Privatfoto Ende 1950er Jahre Foto: Brauerei-Museum

Anfangs holten sich die Wirte ihr Bier größtenteils selbst in der Brauerei ab, später übernahmen mehr und mehr Bierverlage die Lieferung. Bierverleger kauften in größeren Mengen in der Brauerei ein und verkauften es weiter an Wirte, Veranstalter und Vereine. Dazu gehörte ebenso die Abfüllung in Flaschen für private Haushalte und den Einzelhandel.

Doch das ließ die großen und kapitalkräftigen Brauereien nicht ruhen und sie engagierten sich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert selbst im Bierlieferungsgeschäft. Viele Bahnwaggons wurden angeschafft, die sich kühlen oder heizen ließen. Dadurch war es möglich, frisches Bier weit im Land auszuliefern. 

Die Gastronomen vor Ort bekamen den Gerstensaft mit Pferdekutschen. In jener Zeit gehörten die von Kutschern gefahrenen und von schweren Kaltblütern gezogenen Fassbierwagen zum Stadtbild. Noch vor dem ersten Weltkrieg kam die ersten motorisierten Lastkraftwagen bei Biertransport zum Einsatz.

Flaschbierwagen vor 1900 Foto: Photographische Anstalt Barop

Eine Revolution gab es in den Gaststätten. Kühl- und Schanktechniken wurden immer moderner. Vorbei war es damit, das Bier aus Kannen aus dem gekühlten Keller zu holen oder aus dem aufgebockten Fass zu zapfen. Kupferne Leitungen, neue Zapfhähne, Bierdruckapparate und Kohlensäure brachten nicht nur Erleichterung. Denn das Bier konnte im Keller bleiben. 

Die modernen Thekenanlagen mit der Zapfsäule im Zentrum des Schanktisches entstanden an der Wende zum 20. Jahrhundert. Gleichzeitig verbesserte sich das Kühlverfahren. Bis dahin wurde das Bier mit dem von der Brauerei angelieferten Stangeneis gekühlt. Ab 1920/1930 gab es schließlich die elektrische Kühlung mit Kühlräumen und Kühlschränken.

Riesige Fuhrparks gab es seit den 50er/60er Jahren für gut 20 Jahre

In den 1920er Jahren stieg die DAB mit entsprechendem Fuhrpark groß ins Flaschenbiergeschäft ein.

Riesige Fuhrparks bauten die Brauereien in den 1950er und 1960er Jahren auf. Die Gaststätten wurden von den Bierfahrern der Brauerei direkt beliefert. Schanktechniker kümmerten sich um die Reparatur, Reinigung und Wartung der Zapfanlagen. 

Doch nur etwas mehr als zwei Jahrzehnte sollte dieser personalintensive Service dauern. Seit den 1980er Jahren wurden die Fuhrparks der Brauereien wieder abgeschafft. Vielleicht mag dieser Service zu teuer gewesen sein. Heute sieht es anders aus, denn nur noch ein Fünftel der gesamten Bierproduktion fließt durch die Zapfhähne der Gastronomie.

 

Unterstütze uns auf Steady

 

Mehr zum Thema bei nordstadtblogger.de:

Weitere Informationen:

  • Die Ausstellung Wirte, Brauer, Bierkutscher ist von Sonntag an bis zum 31. Dezember im Brauereimuseum, Steigerstraße 16, zu sehen.
  • Gezeigt werden teils sehr alte und seltene historische Aufnahmen und viele Objekte.
  • Geöffnet ist das Museum dienstags, mittwochs, freitags, sonntags von 10 bis 17 Uhr, Donnerstag von 10 bis 20 Uhr und Samstag von 12 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.
  •  www.brauereimuseum.dortmund.de.
Print Friendly, PDF & Email

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert