Das ist Politik vor der Haustür: Weshalb die Kommunalwahl oft zu wenig Beachtung findet

Politikwissenschaftler Prof. Dr. Lars Holtkamp im Gespräch

Die Dortmunder geben im September 2025 ihre Stimmen bei der Kommunalwahl ab. Bild von Michael Schwarzenberger, Pixabay

Die Kommunalwahlen rücken immer näher. Auch für die Dortmunder ist es am 14. September dieses Jahres wieder Zeit, ein Kreuz auf den Stimmzettel zu setzen. Doch anders als bei den Bundestagswahlen ist die Beteiligung auf lokaler Ebene seit Jahren deutlich geringer. Prof. Dr. Lars Holtkamp, Professor für Politik und Verwaltung an der Fernuniversität in Hagen, erklärt, woran das liegt und warum gerade die Kommunalpolitik für die Bürger:innen eine bedeutende Rolle bei der politischen Einflussnahme spielt.

Die Kommunalpolitik prägt das direkte Umfeld stärker als viele andere politische Ebenen

Die örtliche Kitabetreuung, der Ausbau von Radwegen oder die Genehmigung eines neuen Einkaufszentrums: Die Kommunalpolitik nimmt direkten Einfluss auf das Wohnumfeld der Bürger:innen in den Kommunen. Meist gar unmittelbarer als viele Entscheidungen auf Landes-, Bundes- oder EU-Ebene – und greifbarer, wie Prof. Dr. Lars Holtkamp erklärt:

In der Ratssitzung am 13.02.2025 wurde erneut über die Sitzungordnung im Stadtrat diskutiert,
Der Stadtrat ist ein zentrales Gremium der Kommunalpolitik. Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

„Zur Kommunalpolitik ist der Zugang oft erstaunlich niedrigschwellig. Selbst der Bürgermeister lässt sich am Wochenende beim Bäcker ansprechen. Der direkte Austausch ist viel eher möglich als auf Bundesebene.”

Von der Verkehrsplanung über die Schulentwicklung bis zur Nahversorgung werden hier viele Themen behandelt, die auf Bundesebene oft nur indirekt behandelt werden.

Gleichzeitig bietet die Kommunalpolitik vielfältige Möglichkeiten zur Mitgestaltung. Bürger:innen können ihre Anliegen unmittelbar einbringen und haben im Vergleich zur Landes- oder Bundespolitik häufig einen direkteren Zugang zu den Verantwortlichen.

Geringere Wahlbeteiligung auf kommunaler Ebene

Doch fällt die Beteiligung der Kommunalwahlen meist geringer aus als auf Bundesebene. Bei der letzten Kommunalwahl in Dortmund im September 2020 lag die Wahlbeteiligung bei der Oberbürgermeisterwahl bei 47,05  Prozent. Im Vergleich dazu lag die Wahlbeteiligung in Dortmund bei der Bundestagswahl 2025 bei 80,1 Prozent.

In Dortmund lag die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl erstmals seit 1998 wieder über 80 Prozent. Dortmunder Statistik 2025

Eine Entwicklung, die sich auf die 1980er Jahre zurückführen lassen, wie Holtkamp erklärt. Während die Beteiligung an Kommunalwahlen damals noch vergleichsweise hoch war, sank sie seitdem kontinuierlich.

„Früher, etwa in den 1970er Jahren, gab es ein fast verpflichtendes Bewusstsein, an Wahlen teilzunehmen. Dieses Verständnis ist heute nicht mehr vorhanden. Viele Bürger:innen wägen eher ab, welchen Nutzen eine Wahlbeteiligung hat.“

Medienwandel und soziale Faktoren verringern das Interesse an Kommunalwahlen

Neben dem Wandel im Wahlverständnis sieht Prof. Holtkamp einen weiteren Grund in der veränderten Medienlandschaft. In den großen Medienhäusern spiele die Kommunalpolitik kaum noch eine Rolle. Zugleich haben viele Lokalzeitungen ihr Angebot stark eingeschränkt oder ganz eingestellt, wodurch kommunale Themen immer weniger im öffentlichen Fokus stehen.

Im Jahr 2024 leben etwa 61.700 Menschen in der Dortmunder Nordstadt, dem größten Stadtbezirk der Stadt Dortmund. Foto: Javad Mohammadpour für Nordstadtblogger.de

„Und nicht zuletzt spielt das soziale Umfeld eine Rolle: Wer in einer Nachbarschaft lebt, in der kaum jemand wählen geht, wird selbst kaum dazu animiert.“ Dieses soziale Umfeld hängt laut Holtkamp stark mit Faktoren wie Bildung, Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Lage zusammen.

In Stadtteilen wie der Dortmunder Nordstadt, die von hoher Arbeitslosigkeit, niedrigem Bildungsniveau und einem hohen Anteil von Menschen ohne Wahlrecht geprägt sind, ist die Wahlbeteiligung besonders gering.

Wer dort lebt, erlebt häufig, dass kaum jemand zur Wahl geht und lässt es dann selbst eher bleiben. Das fehlende Engagement bleibt dabei nicht folgenlos. „Wenn sich niemand beteiligt, fühlen sich Parteien dort kaum angesprochen“, sagt Holtkamp. Im Wahlkampf zeigen sie kaum Präsenz, und auch im Stadtrat bleiben solche Viertel unterrepräsentiert.

Politisches Interesse ist vorhanden aber strukturelle Hürden erfordern Reformen

Auf kommunaler Ebene mangele es jedoch nicht am politischen Interesse, vielmehr erschweren die Strukturen die Politik: „Das Engagement war immer relativ gut, aber nicht in den Parteien.“ Junge Menschen sind politisch interessiert, finden in klassischen Parteistrukturen aber wenig Raum. Deshalb entstehen mehr Beteiligungsformen außerhalb der traditionellen Wege, beispielsweise in Form von Online-Petitionen oder Bürgerbeiräten.

Am 14. September 2025 finden erneut die Kommunalwahlen statt. (Archivbild) Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Ein weiteres Problem sieht Holtkamp im Wahlsystem Nordrhein-Westfalens: „Mit nur einer Stimme können Wähler:innen weder gezielt Kandidaten:innen noch Parteien unterstützen.“ In anderen Bundesländern dürfen Wähler:innen mehrere Stimmen auf verschiedene Kandidaten verteilen, was die Verbindung zum Mandatsträger stärkt.

Zudem fordert Holtkamp mehr finanzielle Autonomie für Kommunen: „Sie brauchen mehr Geld und Freiheit, um eigene Projekte umzusetzen.“ Dennoch sieht der Professor Chancen, die auf lokaler Ebene dafür umgesetzt werden können:

„Menschen mischen sich weiterhin politisch ein, wenn auch oft außerhalb der Parteien.“ Die Herausforderung sei, diese neuen Beteiligungsformen ernst zu nehmen und die innerparteilichen Strukturen offener zu gestalten. „Die Parteien müssen lernen mehr Menschen einzubinden, sonst wächst die Kluft zwischen Bürgern und Kommunalpolitik weiter.“


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