Selbstbestimmungsgesetz: Offener Brief an Bundestagsabgeordnete

LSBTIQ*-Organisationen kritisieren Entwurf: „Viele Regelungen sind unzureichend und schädlich“

„Trans rights are human rights“ heißt es auf einem Plakat beim diesjährigen CSD in Dortmund.
„Trans rights are human rights“ hieß es auf einem Plakat beim CSD 2022 in Dortmund. Foto: Paulina Bermúdez für Nordstadtblogger

Sieben queere Organisationen und Gruppen aus Dortmund kritisieren in einem Brief den Entwurf zum geplanten Selbstbestimmungsgesetz. An die drei demokratischen Mitglieder des Bundestags aus Dortmund – Sabine Poschmann (SPD), Jens Peick (SPD) und Markus Kurth (Bündnis 90/ Die Grünen) – schreiben sie: „Als Dortmunder Organisationen, die sich für die Rechte und das Wohlergehen queerer und insbesondere trans*, inter* und nichtbinärer (TIN*) Menschen in unserer Stadt einsetzen, sind wir von dem Gesetzentwurf enttäuscht. Auch wenn er eine begrüßenswerte Richtungsänderung darstellt, halten wir viele der vorgeschlagenen Regelungen für unzureichend und sogar für schädlich für TIN* Personen. Dabei gehören diese Menschen noch immer zu jenen, die besonders stark Ablehnung, Diskriminierung und Gewalt erfahren.“

Selbstbestimmungsgesetz soll Diskriminierung abbauen und nicht Misstrauen stärken

Der Offene Brief wird getragen von SLADO, Dachverband der Schwulen-, Lesben-, Bisexuellen- und Transidentenvereine und -initiativen in Dortmund, der aidshilfe dortmund, dem Male-Ident-Queer Referat der TU Dortmund, Lili Marlene Transidenten Lebenshilfe, SCHLAU Dortmund, TransAction Dortmund und TransBekannt e.V..

Tausende Teilnehmende kamen zum 25. Dortmunder CSD, der mit Demo und Straßenfest begangen wurde. Christopher Ising

Die Gruppen und Organisationen setzen sich seit vielen Jahren mit professioneller Beratung, mit Selbsthilfe, Antidiskriminierungsarbeit sowie mit bürger- und menschenrechtlichem Engagement für queere Menschen in Dortmund ein und haben in dieser Arbeit Kontakt zu vielen trans*, inter* und nichtbinären Personen aller Altersgruppen, die seit Langem auf eine würdige, diskriminierungsfreie und verfassungskonforme Regelung warten.

Die Unterzeichner*innen bitten die Dortmunder Bundestagsabgeordneten, sich im Bundestag für ein Selbstbestimmungsgesetz einzusetzen, das Diskriminierung von trans*, inter* und nichtbinären Personen tatsächlich abbaut, und gegen Regelungen, die dem Misstrauen gegenüber diesen Menschen weiter Vorschub leisten.

Zu mehreren der vorgeschlagenen Neuregelungen äußern die LSBTIQ*-Organisationen ausführliche Kritik, insbesondere zu der vorgesehen dreimonatigen Wartefrist vor der Änderung des Vornamens- und Geschlechtseintrags, zu dem Verweis auf Hausrecht und Vertragsfreiheit, zu den Regelungen im Spannungs- und Verteidigungsfall, zum Datenabgleich mit Sicherheits- und Kontrollbehördern sowie zum geplanten Inkrafttreten erst am 1. November 2024.

Petition „Diskriminierung & Misstrauen raus aus dem Selbstbestimmungsgesetz!“

Mit ihrer Kritik am Gesetzentwurf sind die Dortmunder Organisationen nicht allein. So haben beispielsweise bereits rund 15.000 Personen und Organisationen die Petition „Diskriminierung & Misstrauen raus aus dem Selbstbestimmungsgesetz!“ unterzeichnet, die auch weitere Kritikpunkte umfasst. ((https://innn.it/jazuselbstbestimmung)

Auch die Stellungnahmen der Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, und des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Ulrich Kelber, zum Gesetzentwurf fallen sehr kritisch aus.

Die Unterzeichner*innen betonen, dass eine Neuregelung dringend notwendig ist. Das vom Bundesverfassungsgericht mehrfach als verfassungswidrig beurteilte Transsexuellengesetz (TSG) muss ersetzt werden.

„Aktuell warten zahlreiche Dortmunder*innen darauf, endlich ihren Geschlechtseintrag und ihren Vornamen offiziell mit einer einfachen Erklärung ändern zu können. Viele haben deshalb in den vergangenen zwei Jahren in der Hoffnung auf eine zügige Lösung auf das bürokratische, teure und entwürdigende Verfahren nach TSG verzichtet und leben seitdem in einer „Zwischenwelt“: Eine neue, menschenwürdigere Lösung ist absehbar, aber immer noch mehr als ein Jahr zwangsweises Warten entfernt – wertvolle Lebenszeit ohne Anerkennung der eigenen Geschlechtsidentität“, heißt es weiter.

Mehr Informationen:

Hier gibt es den vollständigen Text des Offenen Briefs als PDF zum Download.

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