
Das Dortmunder Landgericht hat Azem D. wegen Mordes an seiner Ehefrau zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Richter:innen stellten eine besondere Schwere der Schuld fest. Der Angeklagte hatte laut Gericht mit „absolutem Vernichtungswillen“ gehandelt.
Tödliche Messerattacke nach jahrelanger Gewalt
Nach Überzeugung der Kammer erstach Azem D. am 4. November 2024 die Mutter seiner drei Kinder in einem Wohnhaus an der Rheinischen Straße. Der Grund: Sie hatte sich von ihm getrennt, nachdem er sie über Jahre hinweg misshandelt hatte.

Azem D. und die Getötete hatten sich 2014 über Facebook kennengelernt und ein Jahr später in Mazedonien geheiratet. 2017 zogen sie gemeinsam nach Deutschland, 2018 kam die erste Tochter zur Welt. Ab diesem Zeitpunkt, so stellte das Gericht fest, habe sich das Verhalten des Angeklagten verändert.
Er sei zunehmend gewalttätig geworden, so habe er seiner Frau in einem Anflug von Wut eine brennende Zigarette im Gesicht ausgedrückt und ihr den Kontakt zur Familie untersagt. Sara habe zunächst versucht, die Gewalt zu verheimlichen, sagte Dr. Wessel in der Urteilsbegründung.
Trennungsversuche und Drohungen
Doch die Gewalt eskalierte weiter. Sara versuchte mehrfach sich zu trennen, kehrte jedoch immer wieder zurück – aus Angst vor den Konsequenzen. Azem D. drohte, ihre Familie mit Benzin zu übergießen und zu verbrennen. In Chatnachrichten bezeichnete er Saras Mutter als „Hure“ und kündigte an, ihrem Vater in den Kopf zu schießen.

Im Jahr 2024 eskalierte die Situation erneut: Bei einem schweren Angriff, schlug und würgte Azem D. seine Frau und drohte, sie zukünftig zu töten.
Als Sara am nächsten Tag ihre Kinder in die Kita brachte, bestärkte sie das Kita-Personal Anzeige zu erstatten. Mit zwei Polizeibeamt:innen holt sie ihre Sachen aus der gemeinsamen Wohnung, weil das Frauenhaus aber voll war, kam sie mit den Kindern bei ihren Eltern unter.
Das Amtsgericht untersagte dem Angeklagten per einstweiliger Verfügung, sich Sara und ihrem Wohnort zu nähern. Doch Azem D. missachtete das Verbot. Anfang Oktober 2024 lauerte er Sara im Treppenhaus auf. Nachdem sie schrie und ihre Mutter einschritt, floh er. Zu diesem Zeitpunkt darf Azem D. Sara nur noch für den vom Jugendamt kontrollierten Umgangskontakt mit den Kindern kontaktieren.
Eine eigene Wohnung und der Entschluss, zu töten
Sara wagt einen Neuanfang. Sie beantragte die Scheidung. Anfang November zieht sie in ihre erste eigene Wohnung. Ihre Brüder und Eltern wechselten sich beim Übernachten ab – sie fühlten sich sicher.

Was sie nicht wussten: Über Saras E-Mail-Account, zu dem Azem D. auf seinem Laptop noch Zugang hatte, erfährt der Angeklagte von ihrer neuen Adresse. Er googelt die Adresse, schaut sich die Außenansicht des Mehrfamilienhauses an. Er googelt auch, wie hoch die Strafe für einen Mord ist.
Am 4. November 2024 setzte er seinen Plan in die Tat um. Um 14.24 Uhr hielt sich Azem D. erstmals in der Nähe des Hauses auf. Um 14.46 Uhr rief er den Mietvertrag von Sara auf seinem Handy auf. Als er klingelte, hatte er ein Küchenmesser mit einer 20 Zentimeter langen Klinge dabei.
Jeder der vier Messerstiche war tödlich
Ob Azem D. an der Haustür oder Wohnungstür klingelte, konnte das Gericht nicht abschließend feststellen – ebenso wenig, in welcher Reihenfolge die Stiche Sara trafen und ob es zuvor zu einem Streit kam. Der Angeklagte schwieg zur eigentlichen Tat.

Was das Gericht aber weiß: Azem D. griff seine Frau mit massiver Wucht an. Vier Mal stach er ihr in den Oberkörper, durchtrennte dabei sogar ihre Rippen. Alle Stiche waren tödlich. Danach würgte er sie, drückte ihren Arm so stark, dass sie ein Hämatom erlitt.
Weitere Abwehrverletzungen gab es nicht – laut Kammer ein Indiz dafür, dass Azem D. seine Ex-Partnerin überrascht hat, was wiederum das juristische Kriterium der Heimtücke erfüllen würde. Sicher feststellen, ließ sich das aber nicht.
„Papa hat Mama tot gemacht“ – Kinder schrien im Flur um Hilfe
Sara versuchte noch, sich aus dem Flur am Kinderzimmer vorbei in den Hausflur zu retten. Vor der Wohnungstür brach sie zusammen. Und während Azem D. mit dem Auto die Flucht nach Mazedonien antrat, erlebten seine Kinder einen Albtraum, der sie bis heute beinah jede Nacht verfolgt.

Auf der Suche nach Hilfe liefen sie an ihrer sterbenden Mutter vorbei, an der sich ausbreitenden Blutlache. Im Treppenhaus schrien sie laut und panisch: „Papa hat Mama tot gemacht.“
Eine Nachbarin fand die Kinder – mit dem Blut ihrer Mutter an Händen und Socken. Sie brachte sie in Sicherheit und alarmierte die Polizei.
In der Hauptverhandlung wurde der Notruf abgespielt. Darin sind die panischen Schreie der Kinder zu hören. Azem D. grinste währenddessen. In Richtung der Familie der Getöteten rief er: „Ich ficke eure Frau, ich ficke eure Töchter.“
Psychologisches Gutachten und Gerichtsbewertung
Die Kammer ist überzeugt: Der Angeklagte hat mit voller Absicht gehandelt. „Er wollte sichergehen und handelte mit absolutem Vernichtungswillen“, sagte die Vorsitzende Richterin. Der Grund: Einer Frau stehe es nicht zu, sich von ihrem Mann zu trennen. Daher habe Azem D. sich in seiner Autorität verletzt gefühlt.

Zwar war der Angeklagte nicht vorbestraft. Doch das Gericht legte ihm zur Last, dass seine Kinder die Tat miterlebten und er sie bei ihrer sterbenden Mutter zurückließ. Auch die Drohungen gegen die Familie und sein Verhalten im Gerichtssaal wirkten sich belastend aus.
Ein psychiatrisches Gutachten bescheinigte ihm eine narzisstische und dissoziale Persönlichkeitsstörung – jedoch keine Psychose oder tiefgreifende Bewusstseinsstörung. Der Gutachter war überzeugt, dass der Angeklagte versuchte, sich durch erfundene Geschichten der Verantwortung zu entziehen. Die Schuldfähigkeit sei voll gegeben.
Der Begriff Femizid in der Urteilsverkündung
Das Gericht verurteilte Azem D. zu lebenslanger Haft wegen Mordes. „Der Angeklagte handelte aus eigensüchtigen Beweggründen, die als besonders verachtenswert anzusehen sind“, sagte Dr. Wessel in der Urteilsbegründung.

Zwar sei „Femizid“ kein juristischer Begriff – aber: „Bei der Tat handelt es sich um eine Tat, die die meisten Menschen als einen Femizid bezeichnen würden“, so die Vorsitzende Richterin.
Die Kammer stellte außerdem die besondere Schwere der Schuld fest. Auch bei günstiger Prognose ist damit keine Haftentlassung nach 15 Jahren möglich. Die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung wurden hingegen nicht erfüllt. Azem D. muss die Verfahrenskosten tragen.
Das Urteil stützt sich auf zahlreiche Beweismittel: Chat-Nachrichten, die Aussagen der Kinder, von Familienmitgliedern, Freund:innen und Ersthelfenden. Die Vorsitzende Richterin Dr. Wessel betonte, der Angeklagte habe seine Ehefrau nicht als eigenständige Person akzeptiert, sondern als Teil seines Besitzes betrachtet.

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