„Ich wollte nicht für den Rest meines Lebens getragen werden“ – Rücken-Spezialisten richten jungen Iraker wieder auf

Dr. Sven Kevin Tschöke mit Patient Nozhder. Foto: Rebecca Alishah/ Klinikum DO
Dr. Sven Kevin Tschöke mit Patient Nozhder. Foto: Rebecca Alishah/ Klinikum DO

Sein Leben, gebückt. Der aufrechte Gang, unmöglich. Nozhder läuft seit seiner Geburt im fernen Irak derart krumm, dass er nur mit Mühe den Blick nach vorne schafft. Ein Wirbel in seinem Rücken hat sich nur zur Hälfte entwickelt. Doch das weiß Nozhder nicht, als er sich vor rund anderthalb Jahren auf den Weg macht. Er weiß nur: Er will hier weg, weg von Krieg und Angst.

Gebückt durch zehn Länder – unter größten Schmerzen

Die Terror-Organisation IS wütet in seiner Heimat, die Krankenversorgung ist sehr unzureichend. Schritt für Schritt macht sich der 19-Jährige auf den Weg, der zig tausende Kilometer lang sein und durch zehn Länder führen wird. So eine Flucht ist mehr als beschwerlich, aber das alles auch noch in gebückter Haltung? Für Nozhder ist es die letzte Chance.

Vor allem die Knie, mit denen der 19-Jährige versucht, die Krümmung seines Rückens etwas auszugleichen, leiden sehr unter der Last des Fußmarsches. Vor Schmerzen weint Nozhder manches Mal, wenn er auf der Flucht sein Nachtlager unter freiem Himmel aufschlägt.

Aber er kämpft, hält sich mit starken Schmerzmitteln über Wasser. Er will nach Deutschland, weil er gehört hat, dass die Medizin dort besonders gut sei. Auf seinem Marsch wird ihm in der Türkei das erste Mal eine Operation angeboten.

Teure OP ohne Nachsorge und Erfolgsaussicht in der Heimat

Asyl Logo„Die OP hätte viel Geld gekostet“, erinnert sich Nozhder, „und niemand konnte mir sagen, ob es mir danach besser gehen würde. Auch um die Nachsorge hätte ich mich ganz alleine kümmern müssen. Da habe ich abgelehnt. Ich wollte nicht im Zweifel für den Rest meines Lebens getragen werden.“

Nozhder erreicht Dortmund. Nach der anstrengenden Flucht hat der 19-Jährige stark abgenommen, auch an Muskelmasse. Das verschlimmert die Schmerzen. In Dortmund trifft er auf Dr. Sven Kevin Tschöke, Klinikdirektor der Wirbelsäulenchirurgie im Klinikum Dortmund, der ihn im April 2016 operiert.

„Wir haben den halben Wirbel zur Korrektur der Deformität entfernt und in Form eines Titan- Mesh-Cage Implantats ersetzt“, erklärt Dr. Tschöke. Ein komplexes Korrekturverfahren, das der Mediziner routiniert einsetzt. Es bringt die Wende im Leben von Nozhder.

Drei Tage nach der OP kann er erstmals im Leben aufrecht stehen

Schon drei Tage nach der Operation kann der Jugendliche das erste Mal in seinem Leben aufrecht stehen. Heute, sechs Monate nach der OP, steht ein gesunder junger Mann im Raum.

Bei der Nachuntersuchung bedankt er sich herzlich bei Dr. Tschöke und erzählt, was er jetzt alles vorhat: Er geht schwimmen, kann schon laufen und möchte sich bald im Fitnessstudio anmelden. Nur die Stelle, in der der künstliche Wirbel eingesetzt wurde, schmerzt manchmal. Aber auch das werde bald verheilt sein, sagt Dr. Tschöke.

Nozhder geht auf ein Berufskolleg in Dortmund und will sein Abitur machen. „Mein Traum ist es, zu studieren und einmal Architekt zu werden“, sagt er. Nach der gelungenen Operation von Dr. Tschöke sollte dem aus gesundheitlichen Gründen nichts mehr im Weg stehen.

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