
Die NRW-SPD hat mit ihrer „Hör-Zu-Tour“ Dortmund erreicht. Mit Blick auf die anstehenden Landtagswahl 2027 möchte die Partei verlorenes Vertrauen zurückgewinnen und Ideen für ein politisches Programm sammeln. In Dortmund Eving wollte man bei Currywurst und Pommes mit den Anwohner:innen ins Gespräch kommen. Das Interesse war eher verhalten, dennoch ergaben sich einige Gespräche – diese waren aber nicht angenehm.
Auftakt mit Hindernissen
Kurz nach 17 Uhr will die SPD an der Kreuzung Bayerische Straße/Deutsche Straße in Eving Präsenz zeigen. Allerdings funktioniert der geplante Stromanschluss nicht – vorerst bleibt der Stand dunkel. Erst nachdem eine benachbarte Gastronomie aushilft und erlaubt, ein Kabel anzuschließen, kann es losgehen. „Ab jetzt heißt es: SPD unter Strom“, kommentiert Bezirksbürgermeister Oliver Stens und betont die Hilfsbereitschaft der Nachbarschaft.
Noch sind nicht alle Pannen ausgeräumt: Der Generalsekretär der NRW-SPD, Frederick Cordes, war für diesen Kontaktversuche zum Bürger zwar angekündigt, blieb jedoch wegen einer Autopanne fern. Dennoch steht für den Bürger ein breites Angebot bereit: zwei Pavillons, einige Stehtische, ein Food-Truck mit Currywurst, Pommes und vegetarischen Alternativen sowie ein „Hau den Lukas“ haben die Helfer:innen aufgebaut. Was fehlt: Der Bürger. Zwar hielten sich zwischenzeitlich mehr als 20 Personen am Stand auf, viele von ihnen waren allerdings SPD-Mitglieder.
Vertrauensverlust ist groß
Das Desinteresse vom Bürger ist ein Problem: Die Sozialdemokraten erlebten bei der Kommunalwahl im September eine deutliche Niederlage. Nach fast 80 Jahren verlor die SPD in Dortmund das Amt des Oberbürgermeisters. Im Stadtrat ist sie zwar noch stärkste Fraktion, mit 26 von 104 Sitzen jedoch so geschwächt wie nie zuvor. Landesweit sieht die Lage kaum besser aus. Mit 22,1 Prozent erzielte die Partei ihr bislang schlechtestes Ergebnis.
Mit Blick auf die Landtagswahl 2027 zeigt der Trend nach unten. Um gegenzusteuern und verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, reist die SPD derzeit mit ihrer „Hör-Zu-Tour“ durch Nordrhein-Westfalen. Am 10. Dezember machte sie in Dortmund-Eving halt um mit den Dortmunder:innen vor Ort ins Gespräch zu kommen.
„Ein Weiter-so gibt es nicht“
Volkan Baran, Landtagsabgeordneter der SPD für Dortmund, erklärte gegenüber Nordstadblogger, warum die Tour aus Sicht der SPD notwendig ist. In Eving sei man zwar oft mit Infoständen präsent, doch diesmal gehe es ausdrücklich nicht um Wahlkampf. „Wir haben gelernt. Ein Weiter-so gibt es nicht auf Landesebene und wir würden gerne kritische Stimmen hören, was wir besser machen können, damit wir die deutsche Sozialdemokratie wieder nach vorne bringen können.“

Die Rückmeldungen sollen in die Arbeit der Grundsatzkommission einfließen und später Einfluss auf Wahlprogramme haben. „Vor Bürgermeinungen sollten wir uns nicht verstecken.“
Aus dem Kommunalwahlkampf wisse man: in Eving und in der Nordstadt seien die Gespräche oft fruchtbar. Anwohner:innen berichteten von Problemen mit Kriminalität, Obdachlosigkeit oder der Verkehrssituation.
Die SPD greife diese Anliegen dann im Rat oder den Bezirksvertretungen auf um die Lebenssituation in der Stadt spürbar zu verbessern. Für Baran ein Zeichen, dass seine Partei immer noch nah bei den Menschen ist.
Zurufe, Kritik und Currywurst
Am Stand kommt der Dialog mit Passantinnen und Passanten kommt nur zäh in Gang. Ein vorbeigehender Mann ruft „Nur noch AfD!“ in Richtung des Standes. Eine ältere Dame bleibt stehen, sie ist unzufrieden mit der aktuellen Politik. Die SPD werde mit der schwarz-roten Bundesregierung untergehen. Als langjährige SPD-Wählerin sei sie enttäuscht: Die Partei müsse „endlich mal wach werden“. Der Union müsse man im Bund Klare kante zeigen.
Auch für Baran bestätigt sich seine Einschätzung: Er führt ein langes Gespräch mit einem älteren Herrn, und es ist furchtbar. Der potenzielle Wähler ist sauer und macht die SPD für sämtliche Missstände in der Kommunalpolitik verantwortlich. Politische Ämter würden durch unfähiges Personal besetzt, oft spiele Loyalität und Parteibuch eine größere Rolle als Qualifikationen und Eignung. Die Worte „Filz“ und „alles Pflaumen“ fallen.

Baran gibt alles, aber die beiden können sich nicht einigen. Am Ende blieb nur das Dortmunder Standardthema: der BVB. Danach holte sich der Mann eine Currywurst-Pommes.
Ein weiterer Bürger bemängelte die sichtbare Zunahme von Kriminalität und Obdachlosigkeit in der Innenstadt und forderte schnellere Investitionen in Radwege und bessere Parkkonzepte am Wochenende. Gleichzeitig gibt sich dieser ältere Herr versöhnlicher.
So habe sich Dortmund in den vergangenen Jahren auch positiv entwickelt: Mit TU, Hochschule, Industriepark und Firmen wie WILO sei die Stadt ein starker Bildungs- und Wirtschaftsstandort. Die SPD ist aber dennoch ein Problem. Sie habe diese Erfolge aber nicht klar genug kommuniziert. Für ihn ist nicht klar, wie sich die SPD in der Zukunft positionieren will, was ihr wichtig ist.
Online deutlich mehr Beteiligung
Lukas Günther, der Pressesprecher der NRW-SPD, ist mit seinem Team aus Düsseldorf angereist. Gegenüber von Nordstadtblogger erklärt das Konzept der laufenden Kampagne. Sie basiert auf zwei Säulen: der landesweiten Tour und einer umfangreichen Onlinebeteiligung. Rund 700 inhaltliche Beiträge sollen digital bereits eingegangen sein – eine Zahl die mit Blick auf die fast 13 Millionen Wahlberechtigten in NRW zumindest ernüchternd wirkt. Die Themen reichten dabei von Migration über Soziales und Wohnen bis hin zu Bildung. Die Rückmeldungen würden kategorisiert, ausgewertet und im Januar bei einer Klausurtagung beraten.

Trotz dieser sehr schleppenden Beteiligung macht der Dortmunder SPD-Bundestagsabgeordnete Jens Peick am Stand gute Miene zum bösen Spiel. Er beschreibt bei Currywurst und Pommes die Erfahrungen aus dem Kommunalwahlkampf: „Erstens: Was ist eigentlich die Erwartung der Menschen? Zweitens: Verstehen die, was wir eigentlich wollen oder müssen wir da nochmal nachjustieren?“ Der Austausch sei notwendig, um politische Prioritäten korrekt zu setzen. Daraus könne man für die Zukunft lernen.
Am Ende ergibt sich ein nüchternes Bild: die SPD will reden, will mit den Menschen in Kontakt bleiben und verlorenes Vertrauen zurückgewinnen. Der Abend in Eving konnte keine großen Fortschritte vorweisen: Zu wenig Interesse bestand am Gesprächsangebot, zu tief waren die Gräben. Während es im nördlichsten Stadtbezirk weitestgehend leer blieb, strömten die Dortmunder:innen ins Westfalenstadion, um sich später am Abend ein blamables 2:2 ihres BVB gegen den norwegischen Außenseiter FK Bodö/Glimt ansehen zu müssen. Es ist eine schwere Zeit für die alten Helden von Dortmund.
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!

