Eugen Drewermann in der Pauluskirche: Ein scharfzüngiger Mahner und Kämpfer gegen Krieg zu Gast in Dortmund

Der Theologe Eugen Dreiermann hielt in der Pauluskirche eine bemerkenswerte Rede.
Der Theologe Eugen Dreiermann hielt in der Pauluskirche einen bemerkenswerten Vortrag. Fotos: Alex Völkel

Von Claus Stille

Eugen Drewermann hielt in der Dortmunder Pauluskirche anlässlich des Antikriegstags 2016 einen Vortrag. Er ist dort ein gern gesehener Gast. Der bekannte Kirchenkritiker, Theologe, Therapeut, Psychologe und Autor zahlreicher Bücher und Schriften ist seit Jahrzehnten auch ein anerkannter und gern gehörter Redner auf Friedensdemonstrationen.

Unser schlimmster Gegner: der Krieg

Geschätzt wird er für seine brillante Klarheit und Tiefsinnigkeit in den frei gesprochenen Vorträgen. Sein Thema diesmal: „Friede ist eine Form der Freiheit – Oder von den Gründen des Krieges und ihrer Überwindung!“

Keinen tieferen Gegner hätten wir, begann Eugen Drewermann, als das, was man als Krieg bezeichnet. „Solang er wütet ist die Botschaft von der Erlösung der Welt mit jeder Zeitung, die täglich erscheint widerlegt.“

Der Einzelne könne wohl nach Max Weber den Weisungen der Bergpredigt zu handeln. Wer jedoch Verantwortung trage, so zitiert Drewermann Weber weiter, „kann unmöglich den Weisungen Jesu im 5. bis 7. Kapitel des Matthäus-Evangeliums folgen“.

Wer nicht verstehe, wie Max Weber einst sagte, „dass oft aus guten Taten böse Folgen sich zeitigen und oft aus bösem Tun gute Wirkungen, ist politisch ein Kind.“

Die Zerrissenheit des Menschen oder: Gott lässt keinen Krieg zu

Pauluskirche - Eugen Drewermann zum Antikriegstag_6343 - NSBWann, fragte Drewermann, finden wir zurück zu der Einheit des Vertrauens, dass Gutes nur entstehen kann aus einer rechten Gesinnung? Wir müssten Lügen, um die Wahrheit herauszufiltern.

Wir müssten grausam handeln, um die Menschlichkeit zu befördern. Wir müssten morden, um das Leben zu retten.

Oft höre Drewermann Menschen fragen, warum Gott Krieg zulasse. Warum also an ihn glauben? Die Wahrheit aber sei: Gott lasse keine Krieg zu. Er rede in unserem eigenen Herzen. In einer Deutlichkeit, dass wir viel an Verdrängung, an Propaganda, an Umerziehung brauchten, das alles zu überhören. Die Rede kam auf die Zerrissenheit des Menschen.

Geschichte von Kain und Abel unser aller Geschichte

Noch keine drei Seiten sei die Bibel alt, als sie davon berichte was aus uns wird, wenn wir den Hintergrund des Vertrauens der Einheit mit der Macht, die möchte, dass wir sind, den Garten Eden  verlieren. Und unter einem Gefühl lebten, wie auf der Flucht sein zu müssen.

Und so kam Eugen Drewermann auf die Geschichte von Kain und Abel zu reden. Im gewissen Sinne sei die unser aller Geschichte.

Menschen nämlich, die sich verstoßen und nicht geliebt fühlten, versuchten aufs Äußerste liebenswert zu sein, in dem sie die Erwartungen anderer erfüllten und übererfüllten.

Wir, in wechselseitiger Konkurrenz stehend, müssten oft versuchen besser dazustehen als der andere. Immer sei vor uns jemand, der heller ins Licht getreten ist als wir selber. Der werfe auf uns einen langen Schatten. Diesen müssten wir beseitigen, um selber wieder zugelassen zu werden.

Wir müssen andere Menschen oder Völker entmenschlichen, um sie töten  zu können

Was sei denn an Napoleon groß, außer der Ziffer der Ermordeten? Jeder Krieg basiere darauf, andere sozusagen zu entmenschlichen, indem man sie als Unmenschen, Barbaren, Ratten und  Ungeziefer erscheinen lässt oder als Terroristen bezeichnet.

Aggressivität wird gegen die Entmenschlichten geschürt. Wie umerziehbar der Mensch doch ist, gab Eugen Drewermann in Erinnerung an Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“ seinen Hörerinnen und Hörern zu bedenken. Wie erschreckend einfach Durchschnittsbürger wie etwa sie, die vor ihm im Kirchenschiff sitzenden, doch zu schrecklichen Untaten zu bringen seien!

Wie es möglich wurde, wie im Roman beschrieben, dass Männer schon nach nur fünf Wochen Drill auf dem Kasernenhof bereit waren, die von ihren Herrschern zu Gegnern bestimmten Menschen brutal zu töten. Und sie als Soldaten auch noch empfanden Großes fürs Vaterland zu tun! Wie sie einem Vorgesetzten gehorchten, der bis vor kurz noch einfacher Postbote gewesen war.

Statt Kriegen humanitäre Interventionen und chirurgische Eingriffe

Man musste ihnen nur weismachen: Unsere Gruppe ist besser als die Gegengruppe.  In jedem Krieg verführe man nach dem  Muster: Unmenschen müssen getötet werden. Das Gebot „Du-sollst-nicht-töten“ werde so erschreckend leicht vergessen gemacht.

Schlimmer noch: Führte man früher auch noch dem Namen nach Kriege, geschieht gleiches heute unter der euphemistischen Bezeichnung „Humanitäre  Intervention“. Vernebelnder Begriff. Zynisch.

Wir gehen, so führte Eugen Drewermann aus, nun inzwischen wie die Ärzte chirurgisch an den Krebs heran und schneiden ihn heraus. Und retten damit vorgeblich Leben. Das klingt gut.

Unterwerfung und Gehorsam machen es möglich

Doch wahr ist ebenfalls: Ohne Unterwerfung des Individuums unter das Kollektiv ist Krieg – wie immer man ihn auch nennen möge –  nicht ins Werk zu setzen. Drewermann sprach das bekannte Milgram-Experiment an. Da wurden Menschen dazu gebracht, anderen Menschen Stromschläge zu versetzen. Als Strafe für Fehler.  Sie taten es. Erhöhten auf Anweisung – manchmal kurz zögernd zwar, aber dann doch – gar die Voltzahl!

Und ein weiteres Beispiel führte Eugen Drewermann an: Den US-Bomberpiloten einst bei Günter Jauch in dessen RTL-Talkshow zu Gast, welcher eine Atombombe auf Nagasaki abgeworfen hat. Wie konnte der  Mann in den letzten Jahrzehnten bloß leben? Der Bomberpilot hatte Jauch kalt geantwortet: Jeder Soldat der Welt hätte doch dasselbe getan. Befehl ist Befehl.

So ähnlich auch die Antworten von Nazi-Kriegsverbrechern einst bei den Nürnberger Prozessen auf die Fragen der Ankläger. Eugen Drewermann: Genau so ist es: Der Gehorsam ist es!

Klare Botschaft: „Man kann im Verkehrten nichts richtig machen“ 

Pauluskirche - Eugen Drewermann zum Antikriegstag_6400 - NSBWie also Kinder so erziehen, dass das Denken mit dem Gefühlen übereinstimmt und die Gefühle mit dem Denken? Nur so könne die Schizophrenie beendet werden. Unbedingten Gehorsam gibt es nicht!  Gott solle gefolgt werden. Hitler war kein Gott.

Dennoch folgten ihm unsere Kirchen staatstragend bereits ab 1935, sagte Drewermann. Es ist die alte Crux: Immer werden wir dazu genötigt Dinge zu tun von denen wir sicher sind, dass sie falsch sind. Drewermann eindringlich: „Man kann im Verkehrten nichts richtig machen .“

Und auch wahr: Mit wirklichen Individuen ist kein Krieg zu machen.

„Wir Menschen sind keine Insekten. Wir haben Herz und wir haben Geist. Beides macht uns zur Person. Wagen wir das zu sein, sind wir als Soldaten untauglich.

An Jesu sei zu lernen: In seiner Not ist ein Einzelner in seinem Glück unendlich viel mehr wert als die ganze Masse.  Eugen Drewermann: „Das zersetzt die Vorbereitungen zum Krieg.“

„Stalin kann nicht vergessen machen, dass es Dostojewski und Tolstoi gab.“

Die da drüben, bekämen wir beigebogen, sollen Unmenschen sein. „Nur weil Putin regiert in Moskau?“, fragte Eugen Drewermann. Und hielt mit Albert Camus dagegen: „Stalin kann nicht vergessen machen, dass es Dostojewski und Tolstoi gab.“

Diplomatie sei die Devise. Ignorierten wir die Bedürfnisse anderer, könne es kein Ausgleich geben. Wenn jeder aber glaube er hat recht, dann macht das den Krieg möglich. Nur wer besser mordet solle im Recht sein?

Der Theologe redete den Menschen ins Gewissen: Wenn die Geschichtsbücher das schreiben, lügen sie Wahrscheinlich hat der bessere Mörder doppelt unrecht. Wie bereits 1520 (!)  Erasmus von Rotterdam gewusst habe.

Nicht Menschenrechte, sondern Wirtschaftsinteressen stehen hinter den Kriegen 

Gut besucht war der Vortrag in der Pauluskirche.
Gut besucht war der Vortrag in der Pauluskirche.

Als Motiv für Kriege werde oft eine Verantwortung benannt, die man habe. Beispielsweise die Frauenrechte in Afghanistan durchzusetzen.

Drewermann dazu: Er frage sich, wie lange die Leute im Pentagon damals an dieser Lüge überlegt haben, die Taliban hätten den afghanischen Frauen erst die Burka angezogen.

Er selber sei in denn 1970er in Afghanistan gewesen und sei Frauen in der Burka begegnet. Aber die Leute glaubten es. Gerade Feministinen hätten dieser Lüge Glauben geschenkt und dafür sogar militärische Einsätze befürwortet!

Klar, gab Drewermann zu: „Länder müssen sich auch in der Frage des Zusammenlebens von Mann und Frau und deren Rechte weiterentwickeln. Aber das müssen sie selber tun.“

Nicht hinzunehmen sei, wie sich die US-Soldaten nicht nur in Afghanistan daneben benommen haben, um ihnen vorgeblich menschliche Werte zu bringen!  Gar Demokratie! Wirtschaftsinteressen stünden stets dahinter. „Wenn Sie etwas anderes lesen, so ist es eine Lüge. Es gehe um Öl. Pipelines oder wichtige Rohstoffe, wie etwa dem Koltan, das in  unseren Smartphones steckt und  hauptsächlich im Kongo vorkommt.

Das Todesurteil für die Taliban sei deren Ablehnung einer durchs Land geplanten Pipeline gewesen. Von wegen Frauenrechte und westliche Werte!

Die Angst überwinden trotz Militarisierung der Gesellschaft

CANTICO sorgte für den musikalischen Rahmen.
CANTICO sorgte für den musikalischen Rahmen.

Ein weiterer Punkt im Vortrag: Schuld bei Gott werde nachgelassen statt bestraft. Übertragen auf Umgang mit Geld sollten wir in diesem Sinne nicht nur an das gequälte und gedemütigte Griechenland denken. Schulden gelte zu reduzieren zum Bezahlbaren hin.

Kriege vermeiden, helfe nicht zuletzt Güte obwalten zu lassen. Eugen Drewermann regte an: „Ließen wir die Vorstellungen vom gerechten Gott, von der Gerechtigkeit unseres eigenen Staatswesens hinwegfallen, gäbe es auch keine mehr zu rechtfertigenden  Kriege mehr und wir träten hinein in eine Welt der Güte. Güte wäre unendlich mehr als Gerechtigkeit. Eine Erlösung gar.

Auf die Bergpredigt anspielend, sagte Drewermann, er höre oft von Menschen, denen man – wie auch immer – sozusagen auf die rechte Wange geschlagen habe, dass sie nicht einmal daran denken könnten, nun auch noch linke hinzuhalten.

Doch er gibt denen stets zu denken und den ihm Zuhörenden auf den Weg: „Wenn wir es nicht lernen Angst zu überwinden, werden wir immer wieder hineinfallen in Absicherungsmechanismen bis hinein in die Militarisierung der Gesellschaft. Zeitungen hetzen uns in Angst. Auf den Bahnhöfen sollten uns Kameras Sicherheit suggerieren.

„Achten Sie auf ihr Gepäck“, ertöne es aller naselang in manchmal drei verschiedenen Sprachen. Alles der Sicherheit wegen. Die permanente Überwachung nehme zu. Der Sicherheit wegen.

Es gelte nach den Bedürfnissen des anderen zu fragen. Nicht ihn und andere Gruppen zu stigmatisieren und auszugrenzen. Unsere innere Identität in Vertrauen, wäre die  Antwort auf die Gefahr des Todes.

Eugen Drewermann hat den ZuhörerInnen die Sehnsucht nach Frieden nahegebracht

Die musikalisch Gestaltung der Veranstaltung oblag der Gruppe CANTICO.
Die Gruppe CANTICO sorgte für Musik.

Vielen der Besucherinnen und Besuchern des wiederum interessanten Vortrags Eugen Drewermanns dürfte dessen Inhalt – kristallklar vermittelt –  tatsächlich die Sehnsucht nach Frieden nahegebracht haben.

Wie der Gast aus Paderborn die Hoffnung geäußert hatte, dass dies geschehen sein möge. Drewermann versprach ohne zu zaudern wiederzukommen zu wollen in die Pauluskirche, wo er schon mehrfach sprach.

Da brauchte Gastgeber Pfarrer Friedrich Laker nicht lange bitten. Das Publikum stimmte mit kräftigem Applaus weiteren Einladungen zu. Kritisch anzumerken wären ein paar für die Ohren des Publikums schmerzhafte Rückkopplungen, welche im Verlaufe des Abends aufgetreten waren.

Die Kollegen von Regenbogentv.de haben Drewermanns Vortrag aufgezeichnet. Er wird in Kürze im Internet zu sehen sein. Die musikalisch Gestaltung der Veranstaltung oblag der Gruppe CANTICO.

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Reaktionen

  1. Eugen Drewermann mit Vortrag „Richtet nicht!“ (Christentum und Strafrecht) in der Pauluskirche (PM)

    Wieder einmal kommt der bekannte Theologe, Psychoanalytiker und Therapeut Eugen Drewermann in die Pauluskirche. Diesmal bringt er einen Vortrag zum Thema „Richtet nicht! – Matthäusevangelium 7, 1-5“ mit. „Richtet nicht! – Christentum und Strafrecht“ heißt eine Bücherreihe von Eugen Drewermann.

    Von alters her schleppen wir die Angewohnheit mit, Menschen in Gut und Böse einzuteilen. Und wir haben diese Angewohnheit nie geändert. Doch das sollten wir! Nicht nur im Sinne Jesu, schon schon rein menschlich. Wenn jemand etwas wirklich Böses tut, ist er so gut wie immer das Opfer von all dem, was ihm womöglich schon seit Kindestagen selber angetan wurde. Wir sollten nicht andere verurteilen für etwas, an dem wir selbst die Mitschuld tragen. Zudem: wir alle sind fehlbare Menschen. Und es steht uns nicht zu, über die Fehler anderer den Stab zu brechen. Wir selber brauchen alle Verstehen und Vergebung statt Strafen und uralte Rache-Phantasien.

    Vortrag Eugen Drewermann

    Donnerstag, 25.11.2021 – 19:00 Uhr

    PAULUSKIRCHE – Schützenstr. 35 – 44147 Dortmund

    Veranstalter: Kultur und Leben e.V.

    Eintrittsbedingung ist der dokumentierte Nachweis über einen vollständigen Impfschutz, Genesung innerhalb der letzten 6 Monate (2G).
    Eintritt: 15,00 EUR

    Erm. 5,00 EUR für Schüler, Auszubildende, Arbeitslose (bitte Nachweis mitbringen)

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